Leverkusens Stürmer Victor Boniface:Eine Achse und die Ein-Mann-Lawine

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Überragender Leverkusener dieser Tage: Stürmer Victor Boniface - und doch nur ein Grund für den Erfolg des Teams. (Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Der Nigerianer Victor Boniface überragt auch beim 5:1 gegen Darmstadt - und schießt zwei ungemein kunstvolle Tore. Jetzt hat Trainer Xabi Alonso bis zum Spitzentreffen mit den Bayern nur einen sehnlichen Wunsch.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Sven Jablonski warf einen Blick auf Victor Boniface, der gerade zu Boden gekegelt worden war. Es war ein klares Foul - aber der Schiedsrichter fand offenbar, dass Bonifaces Beute, ein Freistoß in der Nähe der Mittellinie, dem Stürmer zu leicht zugeflogen wäre. Jablonskis Blick sagte in dieser 66. Minute: Das kann einen Nigerianer wie dich doch nicht umhauen - und ließ weiterlaufen.

Boniface, gerade mal 22 Jahre alt und erst im Juli zu Bayer 04 gestoßen, klagte nicht eine Sekunde lang. Stattdessen nutzte er die nächste Gelegenheit, keine 60 Sekunden später, um anders von sich reden zu machen. Der zuletzt in Belgien tätige Profi nahm einen feinen Pass von Florian Wirtz in die Spitze an, dann drehte er sich in Windeseile, wie der Terminator berechnete er dabei seine Chancen auf einen eigenen erfolgreichen Abschluss kurz vor der Strafraumgrenze.

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Nach schier unendlichen 16 Nanosekunden kam er zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeitsquote zu niedrig war, deshalb passte er den Ball quer zu Jonas Hofmann, der mit einem Flachschuss das 4:1 für Bayer Leverkusen gegen Darmstadt 98 erzielte - Boniface bekam dafür eine Vorlage notiert, so dass er aus drei Partien sechs Scorerpunkte (vier Tore und zwei Assists) vorweisen kann, die dem Werksklub den ersten perfekten Bundesliga-Start seit zehn Jahren bescheren. Beinahe unerhört dabei: Das Tor zum 5:1 kam ohne Beteiligung des zentralmassiven Stürmers zustande.

Preisfrage: Wie lange würde Aufsteiger Darmstadt dem Druck des Gastgebers standhalten? Nicht lange

Bayer-Trainer Xabi Alonso hatte vor ein paar Wochen gesagt, er wünsche sich bis zur nun folgenden Länderspiel-Pause neun Punkte, für seine Verhältnisse eine fast anmaßende Aussage. Aber eine realistische. Mehr noch: Der Werksklub hat der Liga Alonsos Stempel aufgedrückt. Ballkontrolle und -zirkulation, Pressing und scharfes Kurzpassspiel. Etliche Beobachter fühlten sich an Pep Guardiolas Ballmaschinen erinnert, nur dass Alonsos Team freier wirkt.

Selbst die zähe erste Halbzeit gegen den anfangs unbequemen Aufsteiger kann man positiv wenden, denn Leverkusen reagierte und war nach dem Wechsel schneller, präziser und unberechenbarer. Und damit erfolgreicher. Phasenweise entfachten die Werkskicker zwar schon vor der Pause jenen Kurzpasstornado am gegnerischen Strafraum, der wunderschön anzusehen ist, der aber wie Brot ohne Nutella wirkt, wenn der letzte Pass nicht ankommt. Darmstadt musste eine Weile lang fast nichts machen, als dem Gegner keine Räume anzubieten und: die vertikalen Pässe zu verhindern oder zu klären. Das klingt natürlich einfacher, als es umzusetzen ist, vor allem über eine Dauer von 90 Minuten.

Nicht wirklich verwunderlich war, dass Bayer einen anderen Weg fand, um doch in Führung zu gehen: einen doppelt schmerzlichen Moment, in dem die Gäste-Profis Fabian Nürnberger und Fabian Holland ungebremst zusammenrasselten und liegen blieben - sie waren damit auch Opfer jener Schauspieler, die alle naslang scheinbar schwer verletzt den Schwung aus dem Spiel nehmen und ein paar Sekunden später quietschfidel laufen und grätschen. Den Konter nutzte Boniface zu seinem ersten Tor, nach einem 50-Meter-Sprint lupfte er den Ball fein über Gästetorwart Marcel Schuhen.

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Noch ehe darüber diskutiert werden konnte, ob es nicht fairer gewesen wäre, die Partie zu unterbrechen wegen der verletzten Gästespieler (Alonso verzichtete auf Jubelgesten), glich Darmstadt mit seiner ersten Chance aus. Es war eine banale Freistoßvariante, mit Kopfball-Abschluss durch Oscar Vilhelmsson (24.), die sich zukünftige Bayer-Gegner genauer angucken dürften.

Nach der Länderspielpause folgt das Duell mit dem FC Bayern

Wie lange würde der Aufsteiger dem Druck standhalten? Nicht lange. Denn nach einem Alleingang von Jeremie Frimpong schloss Ezequiel Palacios aus zehn Metern ab und profitierte davon, dass gleich zwei Darmstädter den Ball auf dem Weg ins Tor abfälschten (49.). Danach war der Bann gebrochen, und die Ein-Mann-Lawine rollte. In der 61. Minute erhöhte Boniface auf 3:1, und man musste mehrere Wiederholungen angucken, um zu ermessen, wie kunstvoll er das tat: Er nahm einen Pass von Wirtz mit dem linken Fuß an, ließ ihn auf den rechten Fuß zurücktropfen und hatte das Tempo so dosiert, dass er danach mit dem linken Fuß ins ferne Eck abschließen konnte. Es war eine Links-rechts-links-Kombination, wie man sie so bloß von besonders eleganten Boxern kennt. Nur dass Boniface mit den Füßen arbeitet.

Es folgten die Tore zum eingangs erwähnten 4:1 (Hofmann, 67.) und 5:1 (Hlosek, 83.). Eine weitere Doppelchance in der Nachspielzeit ließen die beflügelten Leverkusener ein bisschen fahrlässig liegen, sonst wäre die Effizienzquote (für fünf Tore brauchte Bayer nur neun Chancen) noch beeindruckender ausgefallen. Gästetrainer Lieberknecht brachte die Partie so auf den Punkt: "Falscher Gegner, falscher Zeitpunkt." Vielleicht sollten die Hessen mal der DFL danken, dass sie dem Aufsteiger zum Saisonstart nur zwei Europaleague-Teams (Leverkusen und Frankfurt) und den Champions-League-Frischling Union Berlin auf den Hals gehetzt haben - es hätte ja als vierter Gegner auch noch Leipzig sein können.

Leverkusens Trainer Alonso hatte andere Sorgen. Er wollte nicht über das in zwei Wochen stattfindende Spitzenspiel beim FC Bayern sprechen: "Das ist ein anderes Thema", sagte er nur, und man kann ihm das wirklich glauben, weil ihn, wie so viele Trainer vor ihm, die Angst plagt, dass seine exzellent aufspielenden Profis sich bei den zum Teil abenteuerlich langen Länderspielreisen verletzen könnten. Boniface zum Beispiel feiert ausgerechnet jetzt sein Debüt für Nigeria. Und es wäre bitter, wenn das Duell an Wert verlieren würde, weil etwa die Achse des Werksklubs (Tah, Xhaka, Wirtz und Boniface) - bei der man denkt, sie würden sie schon seit Jahren miteinander spielen - kurzfristig Schaden nehmen würde. Der neue Leader und Taktgeber des Teams kennt keine Angst: "Wir fahren nicht nach München, um nur zu verteidigen", sagt Granit Xhaka: "Wir wollen auch gegen so eine starke Mannschaft was holen, um zu sehen, wo wir wirklich stehen." Alonso ließ dann immerhin wissen: "Wir gehen da in einem guten Moment hin nach drei Siegen und drei guten Spielen." Für seine Verhältnisse fast schon ein anmaßender Satz.

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