Bundesliga: Leverkusen - Bayern:Stumpfe Waffen

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In einem intensiven, ausgeglichenen Spiel trennen sich die Verfolger Leverkusen und FC Bayern 1:1. Die Münchner hadern nun mit 14 Punkten Rückstand auf die Tabellenspitze.

Thomas Hummel

Als die Spieler des FC Bayern in der Leverkusener Arena aus dem Mannschaftbus stiegen, konnten sie an diesen Dortmundern nicht vorbei. Die rannten, kämpften, spielten gerade auf den Bildschirmen gegen die Niederlage in Freiburg an - drehten das Spiel und feierten mal wieder mit ihrem jugendlichen Partymut.

Kampf um jeden Ball: Mario Gomez (oben) und Manuel Friedrich. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Münchner Gewohnheits-Spitzenreiter hatten beim Gang in die Kabine also 15 Punkte Rückstand auf die Spitze. Und Franz Beckenbauer meinte auf seine unnachahmliche Art beim Fernsehsender Sky: "Wie man diese Dortmunder einholen soll? Ich weiß es selbst nicht. Es müsste wahrscheinlich eine Epidemie in Dortmund einsetzen."

Welche Epidemie nach dem 1:1 in Leverkusen und nun 14 Punkten Rückstand auf Borussia Dortmund in Westfalen ausbrechen müsste, dazu hat sich Beckenbauer nicht mehr geäußert. Ob eine Kreuzbandriss-Epidemie schon reichen würde? Oder müsste es schon etwas Härteres sein? Auch Leverkusen blickt dem Tabellenführer nun bei neun Punkten Rückstand mit dem Hoeneßschen Fernrohr hinterher. "Es ist einfach sehr, sehr bitter, aber das Unentschieden ist gerecht", sagte Bayern-Torschütze Mario Gomez. Sein Trainer Louis van Gaal stimmte zu: "Es ist schade, wir haben wieder zwei Punkte weggegeben."

Die Münchner Spieler hatten sich vorgenommen, den Gegner des Abends mit einer Volle-Kraft-Voraus-Taktik zu überfallen. In den ersten Sekunden gingen die Bayern auf die Leverkusener los, als wollten sie das Spiel in den ersten Sekunden entscheiden. Der Ball kam dann zu Danijel Pranjic, der Linksverteidiger flankte in den Strafraum, wo Bastian Schweinsteiger nach einer Minute 20 Sekunden ins Tor köpfelte. Doch Schiedsrichter Meyer aus Burgdorf pfiff eine Abseitsstellung. Eine sehr knappe, falsche Entscheidung.

In den Sekunden danach zeigten aber auch die Gastgeber, dass sie zumindest nicht mit dem Vorsatz in die Partie gegangen waren, sich wie so häufig gegen den FC Bayern mehr oder minder kampflos zu ergeben. Seit August 2004 hatte keine Leverkusener Mannschaft mehr gegen den Rekordmeister gewonnen, damals hatten noch Dimitar Berbatov und Franca je zwei Tore geschossen. Doch eine Minute nach Schweinsteigers Abseitstor inszenierte Bayer seine erste Chance, Eren Derdiyok verzog.

Es entwickelte sich zunächst eines dieser intensiven Fußballspiele der modernen Zeit, überall auf dem Platz stürzten die Zweikämpfer übereinander, jeder Ballführende wurde spätestens an der Mittellinie hart attackiert, mit großem Aufwand versammelte die verteidigende Mannschaft so viele Spieler wie möglich in Ballnähe, wodurch jeder Pass das Risiko barg, ein Fehlpass zu werden.

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Während die Leverkusener vor allem versuchten, Bastian Schweinsteiger aus dem Spiel zu nehmen, mussten die Münchner auf den wieselflinken Außenstürmer Sidney Sam achten. Nach 21 Minuten kreiselte er mit Ball um Philipp Lahm herum, setzte den Schuss aber nur gegen die Latte.

Nach einer guten halben Stunde konnte keine Mannschaft Vorteile für sich reklamieren. Hier eine Schusschance, dort eine aussichtsreiche Kombination. Die Frage lautete: Wer kann zuerst eine Aktion zu Ende bringen, das erste Tor schießen, das Taktik und Spielverlauf ändern würde. Antwort: der FC Bayern. Auf der rechten Angriffsseite hatte Thomas Müller (wieder von Beginn an) ein wenig zu viel Platz, ein Lupfer landete bei Schweinsteiger, der im Strafraum ein bisschen zu viel Platz hatte und den Ball auf den hinteren Pfosten zu Mario Gomez lupfte. Der Stürmer hatte keine Mühe, sein achtes Saisontor zu erzielen - 1:0 (34.).

Dieser Schlag saß, in der Folgezeit kontrollierten die Münchner die Partie. Mit den stillen Arbeitern Andreas Ottl und Anatoli Timoschtschuk im Zentrum würgten sie die Leverkusener Offensivaktionen ab, die Abwehr stand sicher, der Ball zirkulierte Van-Gaal-mäßig zwischen den weißen Trikots hin und her. Bis zur 45. Minute. Dann spielte Daniel van Buyten einen Fehlpass, der Ball kam wieder einmal zu Sam. Eins gegen Eins gegen den sonst wieder starken Pranjic, ein Wackler links, ein Wackler rechts, Ball vorbeigelegt und Pranjic streckt das Bein raus: Elfmeter. Mit der letzten Aktion der ersten Halbzeit gleicht Arturo Vidal zum 1:1 aus.

So etwas passiert einem FC Bayern selten, aber in dieser Saison ist ja schon einiges geschehen, was dem FC Bayern eigentlich selten passiert. "Das ist sehr, sehr unglücklich", raunte Sportdirektor Christian Nerlinger zur Halbzeit und verwies auf die weitere Taktik: "Ribéry wird bald kommen und er ist natürlich für uns eine absolute Waffe."

Ach ja, Franck Ribéry saß ja noch auf der Bank. Der französische Ausnahmekönner hatte sich unter der Woche nicht genug angestrengt im Testspiel gegen Unterhaching, darüber war Trainer Louis van Gaal gar nicht amüsiert gewesen. Jetzt lief sich Ribéry hinter dem Tor seines Kollegen Jörg Butt warm.

Noch ohne den Chefwirbler erspielten sich die Münchner gleich wieder ein Übergewicht, Toni Kroos kam völlig frei am Strafraum zum Schuss, verzog aber (52.). Acht Minuten später kam dann Nerlingers Waffe: Franck Ribéry lief auf den Platz, überraschenderweise für Timoschtschuk. Ein offensiver Wechsel, Louis van Gaal wollte das Spiel gewinnen, unbedingt. Er wusste: Sonst stiege der Wahrheitsgehalt von Beckenbauers Epidemie-Prognose.

Schweinsteiger sollte ins defensive Mittelfeld zurück, auch wenn der sichtlich keine Lust dazu hatte. Doch mit dieser Maßnahme dominierte der FC Bayern plötzlich so eindeutig das Geschehen, wie das gegen Leverkusen normalerweise so ist. Das zuletzt hoch gelobte Bayer-Mittelfeld Barnetta, Renato Augusto, Rolfes, Vidal lief zehn Minuten machtlos hinterher. Es schien eine Frage der Zeit bis zum 2:1 für Bayern - als plötzlich Leverkusen die zwei schönsten Möglichkeiten bekam. Zuerst scheiterte Derdiyok an Torwart Butt (70.), dann Vidal (71.).

Wie schon zu Beginn standen sich nun wieder zwei gleichstarke Mannschaften gegenüber und wie schon zu Beginn stellte sich eine Frage: Kann noch jemand einen Angriff zu Ende bringen, noch ein Tor erzielen? Und wo war die Waffe? Franck Ribéry blieb stumpf. Nicht einmal konnte sich Nerlingers Waffe in Aktion setzen. Selbst Ribéry-Fan Beckenbauer sagte: "Ich erwarte mir da was anderes." Es passierte nichts mehr.

Der FC Bayern hat nach diesem Spiel 14 Punkte Rückstand auf Platz eins. Und weiterhin fünf Punkte Rückstand auf den Dritten, Bayer Leverkusen.

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