Bundesliga:Im Zustand der wandelnden Ohnmacht

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Hat Peter Bosz in Dortmund noch eine Zukunft? (Foto: Ina Fassbender/ dpa)

Nach dem 4:4 gegen Schalke und den kaum fassbaren Zerfallserscheinungen lautet die Frage kaum noch, ob BVB-Trainer Peter Bosz die Konsequenzen tragen muss - sondern wann.

Kommentar von Philipp Selldorf

Niemand hat bejammert, dass es am Ende zum Sieg nicht gereicht hat, obwohl doch alle Wege in den Derbyhimmel bereitet und planiert waren. Dass sie auf Klagen über den geringen Lohn für ihre enorme Leistung verzichteten, das zeichnet die Schalker mit der Tugend der Bescheidenheit aus. Sie nahmen das 4:4 bei Borussia Dortmund mit mönchischer Genügsamkeit. Ein einzelner Punkt, das ist gerade mal das Minimum.

Andererseits muss man sagen, dass sich die Schalker mit dem Ausgleich zu viel Zeit gelassen hatten. Naldo traf erst in der vierten Minute der Nachspielzeit, danach blieben bloß noch drei Minuten, um den Siegtreffer zu erzielen, den sie übrigens durch ihre Courage und Moral verdient gehabt hätten gegen einen Gegner im Zustand der wandelnden Ohnmacht.

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Trotz einer 4:0-Führung zur Pause (und schon nach 24 Minuten) musste die Borussia am Ende froh sein, mit einem Unentschieden nach Hause gehen zu dürfen. Dieser Tatbestand wirft, wie sich ohne Sensationshascherei sagen lässt, Fragen ans sportliche Personal und die sportliche Leitung auf. Als Mittelfeldspieler Nuri Sahin zur Verteidigung des bedrohten Trainers anmerkte, Peter Bosz wäre im Falle eines 4:1- oder 4:2-Sieges für eine taktische Meisterleistung gerühmt worden, hatte er zwar recht. Das Problem war aber, dass es nun mal kein Dortmunder Sieg war, und dass das zur Pause von niemandem für möglich gehaltene Remis den Lauf der Dinge zutreffend abbildete.

Wieder fehlt dem BVB nach der Pause die Intensität

Es war das angemessene Resultat der kaum fassbaren Zerfallserscheinungen im Dortmunder Team. Mit mangelnder Kondition habe das nichts zu tun, erklärte Bosz energisch. Die Zuhörer nahmen es schweigend zur Kenntnis und dachten sich ihren Teil. Schon vor dem Start der laufenden Saison hatten sich ständige Beobachter des Dortmunder Geschehens über die geringe Intensität im Training des holländischen Fußball-Lehrers gewundert. Am Samstag sah es so aus, als ob sie damit dringend recht hätten.

Die Frage ist, wie die Vereinsführung die äußerst ungute Entwicklung beim BVB bewertet. Schon vor dem Derby hatten die BVB-Chefs in ihren öffentlichen Äußerungen alle Optionen für zügiges Handeln offen gelassen. Nun ist zur zuletzt fortlaufend negativen Bilanz ein neues Desaster hinzuzurechnen, zumal eines, das die Anhängerschaft besonders übel nimmt. Die Frage ist wahrscheinlich nicht, ob Bosz die Konsequenzen für den Misserfolg tragen, sondern wann er das tun muss. Zumindest am Sonntag meldeten mehrere Medien, dass Bosz vorerst BVB-Trainer bleibt. Es ist in Dortmund vor allem eine Frage der Alternative. Eine Trainerentlassung ohne die Aussicht auf einen Ersatzmann mit Perspektive ergibt wenig Sinn.

Die Verantwortlichen von Schalke 04 schwelgen dagegen derzeit im Glück. Die Mannschaft hat mit ihrem schon jetzt legendären Auftritt in Dortmund gezeigt, dass sie nicht zufällig in der oberen Tabellengegend verkehrt. Und die Schalker Gefolgschaft darf sich freuen, dass Domenico Tedesco daraus die richtigen Schlüsse ziehen wird: Niemals wird der intelligente Trainer die Dummheit begehen, wegen der tagesaktuellen Geschehnisse auf dem Rasen und in der Tabelle von einem Machtwechsel im Revier zu fabulieren. Was nicht auf falscher Bescheidenheit beruht, sondern auf kluger Einsicht: Irgendwann wird die Dortmunder Krise vorübergehen, vermutlich aber ohne Peter Bosz.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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