Bundesliga: FC Bayern:Ganz oben auf der Welle

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Wäre der FC Bayern ein Aktienkurs, müsste man ihm in dieser Saison allerheftigste Kursschwankungen unterstellen. Pünktlich zum Topduell gegen Dortmund ist der Klub wieder oben angelangt - nur warum eigentlich?

Carsten Eberts und Jürgen Schmieder

Seiner Maxime blieb Uli Hoeneß auch nach dem 1:0 bei Inter Mailand treu. Der rot-weiße Schal baumelte lustig um seinen Hals, als Hoeneß durch den Bauch von San Siro tänzelte. Er grinste, freute sich diebisch - zum Spiel sagen wollte er allerdings nichts. Spontane emotionale Wortmeldungen hat er sich nach seiner Inthronisierung ins Präsidentenamt des FC Bayern abgewöhnt.

Geschlossenheit: Der FC Bayern demonstriert, wie einig man sich neuerdings ist. (Foto: dapd)

Den Journalisten feuerte er lediglich entgegen: "Per favore!" Auf Deutsch: "Bitte sehr!" Gemeint war eher: "Na bitte!" Hoeneß' Grinsen verriet: "Es geht doch. Ihr habt es gesehen."

Es hat nur beeindruckende zwei Wochen gedauert, um das Selbstverständnis des FC Bayern zu erneuern. Was zuvor war: vergessen! Die Spiele gegen Hoffenheim (4:0), Mainz (3:1) und eben Mailand haben die Stimmung nachhaltig gedreht; plötzlich bezweifelt niemand mehr, dass der Tabellenführer aus Dortmund an diesem Samstag besiegt wird. Selbst Philipp Lahm, der sonst kein Lautsprecher ist, verkündete stolz: "Wir gewinnen gegen Dortmund. Aber das steht ja außer Frage."

Noch vor zwei Wochen, nach der bitteren 2:3-Niederlage in Köln, hatte alles anders ausgesehen. Hoeneß stampfte wortlos durch den Kabinentrakt, der Schal hing unmotiviert von seinen Schultern. Karl-Heinz Rummenigge erklärte den Journalisten mit grimmiger Miene, dass sich "die Dortmunder doch kaputt lachen müssen" und dass einige Profis ihre Arbeitsauffassung überdenken müssten.

Auch die Akteure wirkten gereizt und wütend - auf sich selbst und die Kollegen. Aus dem Umfeld von Philipp Lahm war zu hören, dass der Kapitän stinksauer sei darüber, welchen Stellenwert die Defensivarbeit bei Trainer Louis van Gaal (gering) und bei Offensivspielern wie Franck Ribéry (sehr gering) und Arjen Robben (gar keinen) habe.

In der Tat schien es das defensive Ziel des FC Bayern zu sein, den Ball schnell zurückzuerobern, um sofort wieder angreifen zu dürfen. Gelang der flotte Ballgewinn nicht, wurde meist der Beistand des Allmächtigen erfleht. Dass einem Strategen wie Lahm das nicht gefallen konnte, war abzusehen.

Das ist gerade drei Wochen her.

Doch der FC Bayern erlebt die seltsamste Saison seit Jahren - mit Wellenausschlägen ausgiebigster Art. Wäre der FC Bayern ein Aktienkurs, müsste man ihm in dieser Saison allerheftigste Kursschwankungen unterstellen. Wer die Aktie gekauft hätte, der wäre in dieser Spielzeit - so putzig das klingt - bereits zweimal Millionär und zweimal Tellerwäscher gewesen.

FC Bayern: Einzelkritik
:Coole Klassekicker

Ein Torhüter, der keine Nervosität kennt, ein Mittelfeldspieler, der Oberlehrer, Oberpädagoge und Oberdirigent zugleich ist und ein Offensivmann, der sich betörend schön die Haare raufen kann. Die Bayern in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Mailand

Nach Saisonbeginn war die allgemeine Stimmung tief im Keller. Dann ging es rasant: Kurz vor Weihnachten, als der VfB Stuttgart binnen drei Tagen zweimal torreich besiegt wurde, wurde die Aufholjagd beschlossen, nach der Pleite in Köln erneut alles in Frage gestellt. Mailand ist der mittlerweile vierte Wendepunkt. Das sind unerklärlich schnelle Wechsel für einen Klub, der lautstark den besten Kader der Liga für sich reklammiert.

Franck Ribéry und Philipp Lahm: Der Kapitän freut sich, wenn der Dribbler auch Defensivaufgaben erledigt. (Foto: AP)

Schon nach dem 4:0 gegen Hoffenheim waren die Kritiker versöhnlich gestimmt. Philipp Lahm lobte sogar die Abwehrarbeit von Ribéry und Robben, nach dem Sieg in San Siro jubelte er gar: "Wir haben in der Defensive viel besser gespielt." Dass die Bayern die Partie auch 0:2 hätten verlieren können und vor allem gegen Samuel Eto'o größte Probleme hatten, war in diesem Moment nicht von Belang. "Die Mannschaft hat gezeigt, zu was sie fähig ist", sagte Lahm: "Nach dem Spiel heute kann man sehr, sehr positiv nach vorne gucken."

Auch Rummenigge, der den Dortmundern zwei Wochen zuvor noch indirekt zur Meisterschaft gratuliert hatte, bejubelte bei seiner Bankett-Rede plötzlich die "fußballerisch höchste Qualität". Hoeneß hatte zuvor verkündet, der FC Bayern werde Dortmund mit zwei Toren Unterschied besiegen. Rummenigge sagte nun: "Ich gewinne auch gerne höher."

Einzig fraglich ist, ob sich die Dortmunder vom Münchner Stimmungshoch beeindrucken lassen. Ob sich Nuri Sahin ähnlich wie Inters Wesley Sneijder aus dem Spiel nehmen lässt. Ob die Bayern-Abwehr, die mit Glück Samuel Eto'o überlebt hatte, auch gegen Barriosgötzegroßkreutz bestehen wird. Ob die Borussia in ihrer Bundesliga-Form nicht derzeit stärker ist als Inter Mailand - und das bayerische Stimmungshoch wieder in den Keller schickt.

Im Gegensatz zum FC Bayern ist die Borussia tatsächlich an der Börse notiert - mit Kursschwankungen kennt sich der Klub bestens aus. Selbstredend, dass die Aktie bei den Erfolgen der vergangenen Monate eher steigt als schwankt.

Kurz vor dem Spiel in München legte das BVB-Papier sogar nochmal deutlich zu.

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