Bundesliga: FC Bayern:Baustellen im Zentrum

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Schweinsteiger, Müller, Timoschtschuk: Im zentralen Spiel des FC Bayern besetzt derzeit kaum ein Spieler seine Lieblingsposition. Die Wunschskizze der Zukunft sieht ganz anders aus.

Moritz Kielbassa

Im deutschen Fußball ist es Tag und Nacht ein Thema, wie die Hierarchie einer Mannschaft gestaltet werden muss: Soll sie flach sein oder pyramidenspitz? Sind streitbare Routiniers die idealen Steuermänner oder mündige Mittzwanziger im besten Sportleralter? Haben heimische Symbolfiguren das Sagen oder Helden aus fernen Ländern? Auf welcher Position muss ein Anführer spielen?

Eher Sechser als Zehner: Bastian Schweinsteiger. (Foto: REUTERS)

Viele solcher Fragen werden gerade im Umfeld des FCBayern erörtert, denn Mark van Bommel, der frühere Münchner Leader, grätscht jetzt in Italien. Manager Christian Nerlinger sieht gleich zwei legitime neue Gruppenleiter: Kapitän von Amts wegen ist Philipp Lahm - und "der Chef" sei Bastian Schweinsteiger, wegen seiner Schlüsselrolle im Spiel.

Lahm goutiert diese Form der Gewaltenteilung. Es sei "wichtig", betont der rechte Verteidiger, "dass im zentralen Mittelfeld ein Spieler Kommandos gibt", also: Schweinsteiger, für den Lahm sogar einen Ehrentitel erfand, er nennt ihn "Mitkapitän". Neid soll es nicht geben zwischen den beiden neuen bayerischen Leitbullen, Lahm ist ein ruhiger, integrativer Häuptling, kein herrischer.

Mild moderierte er zuletzt schon den handfesten Streit der Kollegen Arjen Robben und Thomas Müller in Bremen, bei dem es eher um banale Dinge auf dem Platz ging als um Hahnenkämpfe im Kontext einer neu zu findenden Hierarchie. Eine sportliche Baustelle aber gibt es tatsächlich: Denn in der Machtzentrale jeder Elf, wo bisher van Bommel Regie führte - zwar fußballerisch nachlassend, aber immer noch laut und kantig - dort improvisiert Trainer Louis van Gaal seit Wochen: in der Mitte des Mittelfelds.

Sechs Sechser hat er zur Auswahl, drei davon schickte er zuletzt aber in andere Einsatzgebiete. Schweinsteiger gab den Bayern in der Vorsaison neben van Bommel im Zentrum ein Gesicht und eine Statik. Jetzt muss er statt Thomas Müller Zehner im Rücken des Stürmers spielen, denn Müller - auch ein Kompromiss - vertritt die oft verletzten Künstler der Flügelzange.

Der eine, Robben, ist für das Samstagsspiel in Köln erneut fraglich (Grippe), der andere, Ribéry, sitzt nach verheilter Bänderzerrung auf der Bank. Der Kauf des talentierten Kroaten Ivo Ilicevic, der ein Back-up für die beiden Außendribbler sein sollte, scheiterte am Veto des 1.FC Kaiserslautern. Schweinsteiger hat als Aushilfszehner zwar auch manche schöpferischen Momente, viel dynamischer aber entfaltet er sich, wenn er als Sechser/Achter das Feld vor sich hat; das Spiel weiter vorn, häufig mit Rücken zum Tor und enger Deckung durch die Gegner, behagt ihm nicht so.

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Auch Anatoli Timoschtschuk und Luiz Gustavo besetzen nicht ihre Lieblingsposition Sechser, sie helfen in der Abwehr aus: Timoschtschuk als Innenverteidiger, denn der für die Zukunft favorisierte Breno war van Gaal zu Beginn der Rückrunde zu instabil. Timoschtschuk macht den Job recht seriös, mit Nachteilen im Kopfballspiel, sesshaft will er dort aber nicht werden. Gustavo schließt das Leck auf der linken Abwehrseite, seine Vielseitigkeit war ein maßgebliches Einstellungskriterium.

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Bei ersten Bewährungen im Mittelfeld zeigte der Brasilianer noch Anpassungsprobleme. Bayerns Ballbesitzfußball ist eine radikale Umstellung zum Hoffenheimer Balleroberungsfußball mit Steilattacken, Gustavo ist mehr der rigorose Kämpfer als der Kurzpassspieler. Links gelang ihm beim 4:0 in Aachen die erste Flanke zu einem Tor.

Kandidat vier beim Sechser-Casting, Toni Kroos, wird schleichend vom Offensiv- zum Zentrumsspieler, ist aber noch in der Reha (Stressreaktion im Fuß). So besetzte van Gaal, der mit Wonne Überraschendes tut, die beiden Schaltstellen in der Rasenmitte zuletzt unprominent - mit Andreas Ottl und Danijel Pranjic.

Zwei solide Arbeitskräfte, das schon, ab und zu auch auffällig. Ottl schoss neulich in Stuttgart ein tolles Tor; Pranjic, der ein hartes erstes Jahr bei Bayern hatte, bereitete diese Saison über links bereits sechs Treffer vor, zuletzt das 1:1 in Bremen. Doch bei allem Respekt: Für Champions-League-Duelle mit Inter Mailand kommt diese Doppelsechs kaum in Frage, sie gilt als Notlösung mit, nun ja, begrenztem gestalterischen Potential.

Für Ottl spricht: Er ist der defensivste, ruhigste und disziplinierteste der sechs Sechser, er hält am engsten Anschluss an die Innenverteidiger. Diese oft zu große Schnittstelle ist ein altes Kernmanko der Bayern, bei Kontern und langen Bällen des Gegners hilft das Mittelfeld der Abwehr zu langsam. Van Bommels Tempodefizite fielen hier ins Gewicht - und van Gaals Fußballstil, mit einer recht offenen Stellung der Spieler bei Ballbesitz. Auch Schweinsteiger muss sich bei den defensiven Bewegungsmustern das Prädikat Weltklasse erst noch aneignen.

In der Wunschskizze der Zukunft kehren Schweinsteiger (Nr. sechs) und der ständig steil gehende Raumöffner Müller (Nr. zehn) auf ihre bevorzugten Plätze zurück, mit Kroos als Achter könnten in sie in der Mitte bald ein deutsches gleichschenkliges Dreieck aus kreativen und doch wuchtigen Kickern formen - so, wie es van Gaal aus der Ajax-Schule kennt. Mit Ribéry und Robben außen klänge das beeindruckend. Und extrem offensiv. Ein siebter möglicher Sechser, Lahm, lehnt die Rolle ab. Er weiß, dass es jahrelanger Praxis bedarf, um dort Topniveau zu erreichen. Er führt seine Gruppe lieber von rechts hinten.

© SZ vom 05.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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