Auftaktspiel Dortmund - Hamburg:Orchester schlägt Punk-Rock-Band

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Borussia Dortmund gewinnt die erste Partie der neuen Bundesliga-Saison locker mit 3:1 gegen den Hamburger SV. Die Dortmunder machen dabei weiter, wo sie vergangene Saison aufgehört haben: mit wunderbar anzusehendem Fußball und scheinbar selbstverständlichen Siegen.

Jürgen Schmieder

Das Hundsgemeine am Gewinn der deutschen Fußball-Meisterschaft ist die Tatsache, dass sich der Sieger nicht lange darüber freuen darf. Der Weltmeister etwa muss seinen Titel erst vier Jahre später verteidigen, Borussia Dortmund dagegen musste gerade einmal 83 Tage nach dem Erfolg schon wieder eine neue Spielzeit eröffnen.

Lockerer Sieg zum Auftakt: Borussia Dortmund gewinnt gegen den Hamburger SV mit 3:1. (Foto: AP)

Jürgen Klopp hatte deshalb vor dem Spiel gegen den Hamburger SV angekündigt, nur noch Glückwünsche von "ein paar Nordkoreanern entgegenzunehmen, die immer noch nicht mitbekommen haben, dass die Schale jetzt in Dortmund steht". Nach der Partie ließ sich Dortmunds Trainer dann doch feiern - nicht für die Meisterschaft, sondern dafür, dass seine Mannschaft die Auftaktpartie locker mit 3:1 (2:0) Toren gewonnen hatte.

So ein Premierenabend ist stets ein Ereignis von besonderer Bedeutung, vor allem dann, wenn die Protagonisten in der Spielzeit zuvor das Publikum begeistert und Preise gewonnen hatten. Kraftvoll und wuchtig wie eine Heavy-Metal-Gruppe hatte Dortmund damals gespielt, die Meisterschaft aber vor allem deshalb erreicht, weil die Mannschaft harmonierte wie ein Symphonieorchester.

Die Verantwortlichen haben dieses Ensemble in der Sommerpause kaum verändert, für den zum Madrider Ballett gewechselten Dirigenten Nuri Sahin haben sie Ilkay Gündogan aus Nürnberg geholt. "Eingespielt ist was anderes", hatte Klopp dennoch vor dem Spiel gesagt und darauf verwiesen, dass die Stammkräfte Lucas Barrios und Neven Subotic verletzt fehlten.

Robert Lewandowski und Felipe Santana begannen statt dessen, zudem agierte auf der linken Außenbahn der 21-jährige Chris Löwe, der in der vergangenen Saison noch beim Viertligisten Chemnitzer FC unter Vertrag gestanden hatte.

Die Dortmunder präsentierten eine kraftvolle und bemerkenswerte Ouvertüre - sie agierten, als hätte Klopp gedroht, jeden Querpass mit dem Ansehen sämtlicher Schalke-Partien der vergangenen Saison zu bestrafen. Schnell und präzise kombinierten sie sich nach vorne, mit wenigen Ballkontakten erreichten sie den gegnerischen Strafraum und vergaben noch eine Chance, ehe sie in der 17. Minute die Führung erzielten. Nach dem sehenswerten Zuspiel von Mario Götze hatte Kevin Großkreutz so viel Zeit, dass er sich sämtliche Schalke-Partien der vergangenen Saison hätte ansehen können, ehe er den Ball ins Tor schoss.

Danach spielten die Dortmunder noch schneller und noch präziser, als hätte Klopp seinen Akteuren zugerufen, bei einer Reduzierung des Tempos eine noch viel gemeinere Strafe als das Ansehen aller Schalke-Partien auf Lager zu haben. Shinji Kagawa durfte zwei Mal neben das Tor schießen und den Ball ein Mal an den Pfosten prügeln, ehe sich seine Kollegen einig waren, dass ein zweiter Treffer vor der Halbzeit eine prima Sache wäre. Götze bekam in der 29. Spielminute den Ball per Hacke von Lewandowski serviert und lupfte ihn aus zehn Metern mit dem Innenenrist ins Tor.

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"Wir stehen kompakt, spielen nach vorne überragend und dann machen wir die Dinger rein, so einfach ist das", sagte Großkreutz nach dem Spiel. Er erklärte das so lapidar, als würde er sagen, dass er eben abends gerne klassische Musik hören würde.

Auch beim Jubeln harmonisch: die Dortmunder Spieler nach dem 3:1. (Foto: AP)

Der Hamburger SV konnte diesen wunderbar anzusehenden Spielzügen der Dortmunder außer wilden Grätschen und noch wilder nach vorne geprügelten Bällen nichts entgegenhalten. Der Verein hatte sich in der Sommerpause selbst in einen Jungbrunnen getaucht: Die Haudegen Frank Rost, Joris Mathijsen, Zé Roberto, Piotr Trochowski, Collin Benjamin und Ruud van Nistelrooy haben sie fortgeschickt, dafür hat der neue Sportdirektor Frank Arnesen beinahe die komplette Nachwuchsabteilung des FC Chelsea mitgebracht.

In Dortmund kam die Elf nun daher wie eine jugendliche Punk-Rock-Band. Anarchisch liefen die Spieler über den Platz, wütend sprangen sie herum, der Hang zum Chaos war deutlich zu erkennen. Gojko Kacar tat sich dabei als oberster Krawallmacher hervor, mutig stürzte er sich in jeden möglichen Zweikampf und brachte dabei nicht selten Gegenspieler, Kollegen und auch sich selbst in Gefahr.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit dann erzielten die Dortmunder ihren dritten Treffer, nach einem Gewühl im Strafraum stocherte Großkreutz den Ball ins Tor - wobei sich die Hamburger Feldspieler alle Mühe gaben, ihrem Torwart Jarolav Drobny nur ja nicht zu Hilfe zu eilen. "Wir sind immer nur dem Ball hinterhergelaufen", klagte Marcell Jansen nach dem Spiel.

Weil die Partie spätestens zu diesem Zeitpunkt entschieden war, suchten sich die Dortmunder Akteure nun eine neue Herausforderung: Sie versuchten, sich den Ball so lange wie möglich zuzupassen, ohne dass ein gegnerischer Akteur ihn berührte. Einmal blieben sie fast eine Minute lang in Ballbesitz, die Hamburger Spieler sahen ihnen verblüfft beim Kombinieren zu und wirkten dabei wie die Mitglieder einer Punk-Rock-Band, die sich staunend das wunderbare Konzert eines Symphonieorchesters anhören.

Nur Robert Tesche wollte unbedingt für eine Dissonanz sorgen und erzielte in der 79. Spielminute nach einem Eckball das 3:1. "Wir müssen einfach zugeben, dass wir heute auf eine Mannschaft getroffen sind, die eine Klasse stärker ist als wir", sagte Heiko Westermann nach dem Spiel.

Sie harmonieren immer noch, diese Dortmunder, das ist die Erkenntnis dieses Premierenabends der 49. Bundesliga-Saison. Sie kombinieren in der leicht veränderten Besetzung ganz wunderbar, sie erspielen sich zahlreiche Torchancen und sie gewinnen ihre Spiele scheinbar selbstverständlich - an diesem Abend gegen eine chaotische Elf aus Hamburg.

"Wir können uns immer noch weiterentwickeln", sagte Großkreutz nach dem Spiel. Sein Trainer Jürgen Klopp sprach gar von bis zu 30 Prozent, die jeder Spieler noch zulegen könne. Betrachtet man sich die erste Partie dieser Saison, dann ist das durchaus als Drohung zu verstehen.

© SZ vom 6.8.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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