Bundesliga, 12. Spieltag:Bayern bissig, Freiburg plötzlich Vierter

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Der FC Bayern besiegt den "Club" aus Nürnberg lockerleicht 3:0, verschießt sogar noch einen Elfmeter. Freiburg gewinnt 1:0 gegen Hoffenheim - natürlich durch ein Tor von Papiss Demba Cissé.

Sonntagsspiele

Die Tabellensituation war zuletzt ja schlimm genug, aber was die Bayern mindestens genau so störte: Dass der deutsche Fußball plötzlich woanders erfunden wurde, erst in Mainz, dann in Dortmund. Der durchdachte Van-Gaal- Fußball war dagegen unter akuten Langeweile-Verdacht geraten: Mit jedem Punkt, den Dortmund enteilte, wurden die ewigen Ballstafetten kritischer betrachtet. Es war am Sonntag nicht zu übersehen, dass Louis van Gaal wütend entschlossen war, sich das Patent auf ereignisreichen Fußball zurückzuerobern.

Bahn frei für Anatolij Timoschtschuk: Hamit Altintop trägt seinen Teil dazu bei. (Foto: dapd)

Es dauerte nur zehn Minuten, bis seine Bayern im Derby gegen den 1.FC Nürnberg 1:0 führten - nach einem ereignisreichen Angriff, der zu diesem frühen Zeitpunkt schon der dritte seiner Art war. Pranjic hatte Kroos so schön angespielt, dass der gar nicht anders konnte, als mit ihm Doppelpass zu spielen, und dann setzte Pranjic eine so scharfe Hereingabe ab, dass Gomez gar nicht anders konnte, als das 1:0 zu schießen. Am Ende stand ein durchaus beeindruckendes 3:0 gegen den 1.FC Nürnberg, den die Bayern in der Tabelle wieder überholten. Sie sind jetzt - immerhin - Sechster.

Sollten sich die Nürnberger vor dem Anpfiff den Spielberichtsbogen etwas genauer betrachtet habe, dürften sie sich bei einen kleinem Ehrfurchtsmoment erwischt haben. Auf Bayerns Bank saßen: Breno. Contento. Alaba. Müller. Van Bommel. Ribéry. Zwar sind weiter ein paar Berühmtheiten vom Sport befreit (Robben, Klose, Badstuber, Olic), dennoch scheinen die Münchner allmählich wieder in der Lage zu sein, den Gegner durch bloßes Erscheinen zu beeindrucken.

Mit einiger Spannung war van Gaals Startformation erwartet worden: Welches seiner beiden heiligen Leitmotive würde opfern: jenes, wonach der Kapitän immer spielt - oder jenes, wonach er nur Spieler an den Start bringt, die rundherum gesund sind? Er entschied sich fürs zweite, was bedeutete, dass die Aufgabe des aggressive leader Mark van Bommel darin bestand, aggressiv die Ersatzbank zu bewachen und sehr aggressiv durch die Gegend zu gucken. Was er zu sehen bekam, dürfte ihm als Kapitän des Bayern-Kollektivs gefallen haben, als Besitzer eines individuellen Stammplatzes aber weniger: Auf seiner Position besaß Anatoli Timoschtschuk die Unverfrorenheit, sich von einem frühen Ballverlust kein bisschen aus der Ruhe bringen zu lassen. Er eroberte Ball um Ball und ließ keinen Zweifel daran, dass das hintere Mittelfeld auf sein Kommando hört. Auch Andreas Ottl, ebenfalls eingetragenes Mitglied der von Uli Hoeneß so bezeichneten "zweiten Reihe", ordnete die Spielfeldmitte in stiller Autorität.

Der 1.FC Nürnberg? War auch da. Allerdings hatten die Franken offenbar vergessen, dass ihnen zuletzt drei Ligasiege in Serie geglückt waren. Entweder waren sie noch beeindruckt vom Blick auf Bayerns Bank, oder sie waren eingeschüchtert vom forschen Beginn der Münchner. Oder beides. Fürs Erste scheint es so zu sein, als könnte van Gaal die rettende Formel für den Rest der Saison gefunden haben. Statt sich mit der Konkurrenz und deren Vorsprung zu beschäftigen, beschäftigen sich die Münchner lieber mit sich selbst. "Die Leute, die heute spielen, sind ungeschlagen", hatte van Gaal vor dem Spiel trocken gesagt. Er ist seinen elf Startspielern dankbar, dass sie ihn in den letzten Wochen treu durch die dunklen Tage begleitet haben; er braucht sie aber auch, um die Rückkehrer zu kitzeln und herauszufordern.

Der neue Konkurrenzkampf erfrischte das Spiel der Bayern sichtlich, neben Timoschtschuk und Ottl zeigte erneut auch Pranjic, dass er die Gunst der Stunde nutzen möchte. In hohem Tempo flitzte der Kroate die linke Seite auf und ab und schaffte dabei etwas, was es ungefähr seit der Vereinsgründung nicht mehr gegeben haben dürfte: dass jene Bayern-Seite die aktivere war, auf der nicht Philipp Lahm spielte. Mit Verspätung scheint Pranjic seine Verpflichtung zu bestätigen - im Gegensatz zu Edson Braafheid, den Landsmann van Gaal angeblich bis auf Weiteres suspendiert haben soll. Laut Bild soll Braafheid seinen Coach nach dem Spiel in Mönchengladbach heftig beschimpft haben. Van Gaal beschimpfen? Sollte man nicht tun.

Den Nürnbergern gelang es erst nach der Pause, van Gaal ansatzweise schlechte Laune zu bereiten. In der Halbzeit war dem Club offenbar wieder eingefallen, dass er zuletzt drei Siege nacheinander geschafft hatten. Vor allem der athletische Stürmer Schieber beschäftigte die Bayern-Deckung, der erstmals seit seiner Rückkehr aus Nürnberg auch wieder Breno angehörte; er kam zur Pause für Demichelis. Lange hielten die Nürnberger ihren Schlechte-Laune-Plan nicht durch. Die Bayern befreiten sich wieder, auch dank des Zweite-Reihe-Flitzers Pranjic, der Gomez den Ball so mundgerecht auflegte, dass Keeper Schäfer elfmeterreif dazwischenfunkte.

Schweinsteiger? Durfte nicht schießen nach seinem Fehlversuch gegen Gladbach, stattdessen verwandelte Lahm mit der Souveränität eines WM-Helden (57.). Es war die perfekte Situation, um Ribéry einzuwechseln: Der Franzose wurde dankbar begrüßt, zauberte gleich mit dem ebenfalls eingewechselten Müller. Die erste Reihe fühlt sich von der zweiten herausgefordert, mehr kann van Gaal nicht wollen. Wenig später zirkelte Ribéry eine Ecke so schön zur Mitte, dass Gomez per Kopf das 3:0 erzielte. Die Chance zum 4:0 verschmähte er aber. Er drosch einen weiteren Elfmeter stramm übers Tor.

Und jetzt? Jetzt trennen die Bayern noch zwölf Punkte und 20 Tore von Dortmund. Als nächstes reisen die Bayern nach Leverkusen, zu einem Gegner, der gerade so gut gelaunt ist, dass man dort am besten eine starke erste und eine starke zweite Reihe präsentieren sollte. "Wir sollten bis zur Winterpause 30 Punkte haben", meinte van Gaal nachher kämpferisch, dann sei noch alles möglich. Und Dortmund? Eine gute Mannschaft hätten die, meinte van Gaal, "aber die haben zurzeit auch Glück". Hört, hört: Die Bayern fangen wieder an, wie die Bayern zu denken.

Text: Christof Kneer

Bundesliga, 12. Spieltag
:Nur ein Demba trifft

Freiburg siegt dank Papiss Demba Cissé in Hoffenheim, Mainz verliert gegen Hannover und Torhüter Wetklo die Nerven. Kaiserslautern holt gegen Stuttgart einen Drei-Tore-Rückstand auf. Der Spieltag in Bildern.

Noch zehn Minuten zu spielen, jetzt musste es doch fallen, das Tor: Hoffenheims Vedad Ibisevic schoss aus sieben Metern Entfernung. Der Winkel war spitz, aber egal, solche Tore hat er einst zu Dutzenden erzielt, doch Freiburgs Torwart Oliver Bauman parierte. Oder jetzt, drei Minuten später, Freiburgs Cedrick Makiadi schoss aus vier (!) Metern Entfernung, und der Ball flog über die Latte in die Nacht.

Es war ein unterhaltsames, ein spannendes Spiel zwischen der TSG Hoffenheim, aber würde es torlos bleiben? Natürlich nicht, denn für Freiburg stand Papiss Demba Cissé auf dem Platz. In buchstäblich letzter Sekunde erzielte er den Siegtreffer zum 1:0 (0:0), die reguläre Spielzeit war abgelaufen. "Es war sicherlich etwas ungücklich für Hoffenheim", sagte Freiburgs Trainer Robin Dutt, und dieser Satz ist natürlich eine Untertreibung.

Damit der Satz nicht so allein in der Gegend stand, fügte Dutt noch einige weitere an: "Wir haben zum Schluss richtig zulegen können, deshalb war der Sieg am Ende verdient. Wir sind immer gefährlich gewesen, auch in der ersten Halbzeit hatten wir schon ein, zwei Situationen. In der zweiten Hälfte haben wir noch mal richtig was draufgelegt."

Dennoch war es überraschend, dass nur eine Mannschaft getroffen hatte, denn Statistiker hatten vor der Partie ermittelt, dass auf jeden Fall auf beiden Seiten Tore fallen müssten. Zumindest gemäß dem Gesetz der Serie, denn sowohl die TSG Hoffenheim wie auch der SCFreiburg hatten zuvor in 15 Bundesligaspielen in Serie mindestens einen Treffer erzielt. Bei den Hoffenheimern überrascht das weniger als bei den Freiburgern, die in der Vergangenheit nicht direkt als Torfabrik aufgefallen waren. Doch mittlerweile haben sie ja den famosen Cissé, einen Stürmer, der aus jeder Lage den Abschluss sucht. Gegen die TSG zeigte er diese Qualität allein in der ersten Halbzeit dreimal.

Hoffenheim gegen Freiburg, das war auch wieder so ein Spiel der modernen Trainer. Robin Dutt hat aus dem SCFreiburg eine erstaunliche Einheit geformt, die in der vergangene Woche das bejubelte Mainz demontiert hatte. Ralf Rangnicks Hoffenheim ist nominell besser besetzt, hatte aber, wie Mainz vor Wochenfrist, Probleme mit dem aggressiven, gut organisierten Spiel der Freiburger.

Rangnick trat mit drei neuen Spielern in der Startelf an, er brachte Boris Vukcevic, Gylti Thor Sigurdsson und Andreas Ibertsberger. Besonders Vukcevic sorgte immer wieder für Gefahr. Zweimal setzte er Sigurdsson in der Anfangsphase in Szene. In der 16. Minute passte er zum Isländer, dessen Schuss aus 18 Metern Torwart Baumann parierte. Fünf Minuten später hatte Vukcevic erneut das Auge für Sigurdsson, diesmal schoss dieser aus 15 Metern aufs Tor, doch der Ball prallte von der Unterkante der Latte zurück ins Spielfeld. Also probierte es Vukcevic einfach mal selbst: Nach einer abgefälschten Freistoßflanke kam er in acht Metern Torentfernung zum Schuss und fand in Freiburgs Torwart Baumann seinen Meister (31. Minute).

In der zweiten Halbzeit versuchte er es mit einem Distanzschuss - den Baumann selbstverständlich abwehrte (65.). Die Freiburger sorgten ihrerseits selten für Gefahr, gelegentliche Schussversuche von Cissé waren die Ausnahme. Es entwickelte sich in den zweiten 45 Minuten ein zähes, intensives Ringen.

Rangnick tat alles dafür, die Serie von 15 Spielen mit mindestens einem Treffer auszubauen, er wechselte den einst so treffsicheren Ibisevic und den vormals so genauen Schützen Salihovic ein, doch ein Tor wollte nicht fallen. Zumindest nicht für die Hoffenheimer. Als die Partie so gut wie vorüber war, als alles nach einem 0:0 aussah, spitzelte der eingewechselte Reisinger den Ball zu Cissé, der aus zwölf Metern seelenruhig traf. Ralf Rangnick sagte: "Da denkt man, man ist im falschen Film." In Freiburg hingegen genießen sie jede Szene.

© SZ vom 15.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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