1. FC Köln:Votum für den Brandstifter

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Wird Trainer beim 1. FC Köln - ganz egal, ob der Klub in die 2. Liga absteigt oder erstklassig wird: Steffen Baumgart. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Der vielumworbene Steffen Baumgart wird in der kommenden Saison neuer Trainer beim 1. FC Köln - egal, in welcher Liga. Er geht damit auch ein Risiko ein.

Von Philipp Selldorf, Köln

Glückwünsche für die Verpflichtung des neuen Trainers nimmt Horst Heldt gern entgegen, er wertet sie als Balsam in schweren Zeiten. Nicht zu Unrecht hält der Sportchef des 1. FC Köln die Zusage von Steffen Baumgart für einen Coup. Baumgart hatte verschiedene Anfragen von namhaften Bewerbern, und er hätte es keineswegs nötig gehabt, bereits jetzt einem Verein sein Ja-Wort zu geben, der nicht weiß, ob er in der nächsten Saison in der ersten oder zweiten Liga spielt. Das sei "schon ein starkes Bekenntnis", findet Heldt, der in Köln in der Kritik steht und merklich erleichtert ist, dass ihm diese Personalie geglückt ist.

Mit dem 1. FC Köln, bei dem er nun einen Vertrag bis 2023 unterzeichnete, hatte Baumgart bisher nicht allzu viele Berührungspunkte. Geboren in Rostock, spielte er außer für den Heimatverein FC Hansa unter anderem für den VfL Wolfsburg, Union Berlin und Energie Cottbus. Als Trainer machte er sich in den vergangenen vier Jahren beim SC Paderborn einen Namen. Durch sein ungezwungenes und gelegentlich angenehm stures Auftreten und durch seine Vorliebe für Offensivfußball wurde er zu einer populären Erscheinung im deutschen Fußball.

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Der begehrte Paderborner Coach tritt ab Sommer die Nachfolge von Friedhelm Funkel an - egal, in welcher Liga die abstiegsbedrohten Kölner dann spielen.

Das änderte sich auch nach dem (vorhersehbaren) Abstieg im vorigen Sommer nicht, auch nach der Rückversetzung in die zweite Liga blieb er seinem Stil treu. Am vorigen Wochenende bescherte ihm seine Elf schon mal ein Abschiedsgeschenk, das dem Trainer gefallen haben dürfte: Nach 0:2-Rückstand gewann sie 8:3 beim FC Erzgebirge Aue. Fußball nach Baumgarts Geschmack.

Ungewöhnliche Situation in Köln: Es gab ein einstimmiges Votum zu Gunsten von Baumgart.

Baumgart sei mit seinem speziellen Charisma in der Lage, "Leute zu vereinnahmen und den ganzen Klub anzuzünden", sagt Heldt: "Auch inhaltlich sind seine Vorstellungen superinteressant." Die Wahl traf dennoch auf Skepsis in den verschiedenen Gremien, die im Geißbockheim bei den wesentlichen Personalien mitreden. Würde im turbulenten Köln funktionieren, was im unscheinbaren Paderborn gelungen war? Vor dem "Gemeinsamen Ausschuss" - der finalen Beschlusskommission im Klub - konnte Baumgart die Zweifel zerstreuen. Es gab ein einstimmiges Votum zu seinen Gunsten. "Er konnte alle packen", berichtet der Sportchef.

Die Kölner hatten schon vor Wochen angefangen, auf den 49 Jahre alten Trainer einzuwirken. "Einfach war es nicht", sagt Heldt. Hannover 96 und der Hamburger SV hatten ebenfalls ein Engagement in Aussicht gestellt, auch Schalke 04 nahm Kontakt auf. Vertreten wird Baumgart nicht von einer großen Berater-Agentur, sondern von einem kleinen Familien-Unternehmen mit Vergangenheit im DDR-Fußball. Diese Geschäftsbeziehung passt zu dem Mann, der seine eigenen Ideen von Karriere hat. Baumgart hätte sich nicht dem Risiko aussetzen müssen, in der nächsten Saison in der zweiten Liga zu arbeiten. Er hätte auch bis zum Herbst in Urlaub gehen können, spätestens dann hätte ihn garantiert die Anfrage eines notleidenden Erstligisten erreicht. In Köln riskiert er nicht nur, seine Laufbahn vorerst in der zweiten Klasse fortzusetzen, er bringt sich womöglich auch um eine Menge Geld. Zwar unterschrieb er den Vertrag unabhängig von der Ligazugehörigkeit, aber sein Gehalt wird den Verhältnissen angepasst: In der zweiten Liga fällt das Honorar geringer aus als in der ersten.

Gespräche hatten die Kölner auch mit ihrem ehemaligen Coach Peter Stöger geführt, der offensiv sein Interesse an der Rückkehr geäußert hatte. Das Gespräch mit Stöger sei "sehr angenehm" gewesen, sagt Heldt, dennoch blieb es für beide Seiten unverbindlich. Baumgart sei der Favorit gewesen, sagt Heldt, der FC habe "nicht nachgelassen und trotzdem nicht genervt", berichtet er. Auf Baumgart könnten anspruchsvolle Aufgaben zukommen: Im Sommer wird der FC wohl einige der namhaften Spieler veräußern müssen, die finanzielle Lage ist extrem angespannt. Der Trainer soll dann auch aus dem Nachwuchs schöpfen, der sich in den vergangenen Jahren hoffnungsvoll entwickelt und schon im bestehenden Kader Bedeutung hat. Baumgart wisse, was ihn erwartet, sagt Heldt: "Wir haben ihm alle Szenarien aufgezeigt: vom besten bis zum schlechtesten."

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