Das Fußballschicksal hatte es vergangene Woche nicht gut gemeint mit Werder Bremen. Erst verletzte sich gegen Hannover Dribbelflitzer Marko Marin, dann kassierte Claudio Pizarro, der Klassenbeste des Klubs, nach seinem Handwischer gegen Emanuel Pogatetz eine Sperre und schließlich erlitten am Freitag im Training in Torhüter Tim Wiese und Philipp Bargfrede zwei weitere Führungskräfte Blessuren - wobei Wiese sogar einen schmerzhaften Augenhöhlenbruch zu beklagen hatte.
Übrig blieb eine Aufstellung, die mit der schönen Fußballervokabel "Rumpfteam" noch wohlwollend umschrieben ist - oder woran konnte man bei Namen wie Trybull, Hartherz oder Mielitz sonst denken? Wie sollten die Hanseaten ausgerechnet mit der jüngsten Elf ihrer Bundesliga-Geschichte den überlegenen Tabellenführer aus Dortmund ärgern? Auswärts! Jenes Künstlerkollektiv, das in dieser Saison so famos Fußball zelebriert, dass sein Schaffen beinahe schon barcelonesk anmutet?
Die Antwort: Gar nicht. Zu viele Bremer Ausfälle und zu viel Spielkunst auf Seiten der Borussia vor der Pause resultierten an diesem 26. Spieltag in einem 1:0-Erfolg des Meisters. Es war eine relativ klare Angelegenheit, bei der die Dortmunder durch ein Tor von Shinji Kagawa (8. Minute) ihren Weg in Richtung Titelverteidigung fortsetzten. Gleichzeitig erreichte der BVB mit dem Sieg eine klubeigene Bestmarke: Noch nie zuvor war der Verein 20 Mal in Serie ungeschlagen geblieben.
"Wir haben zu mutlos begonnen und nicht richtig an uns geglaubt. Aber in der zweiten Halbzeit war mehr drin. Die hundertprozentige Überzeugung hat uns gefehlt," sagte Bremens Clemens Fritz. "Wir hatten sehr viele gute Möglichkeiten - Bremen hat wenig gemacht. Deshalb haben wir verdient gewonnen," erklärte BVB-Kapitän Sebastian Kehl, der klar die Titelambitionen der Dortmunder durchblitzen ließ: "Wenn ich jetzt sage, dass wir kein Kandidat sind, mache ich mich ja lächerlich."
Dass der Ruhpottklub in der Tat erster Anwärter auf die Meisterschaft ist, deutete sich bereits in der Frühphase der Partie an. Gerade einmal acht Minuten brauchten die Dortmunder, um in der vollen Arena erstmals für Hitzewallungen zu sorgen: Über links trieb Kuba den Ball nach vorne, er legte nach außen ab, von wo Kevin Großkreutz unbedrängt in die Mitte flanken durfte - Abnehmer war der ebenfalls ungedeckte Ilkay Gündogan. Und weil ein Dortmunder Angriff selten ohne einen Tick Genialität auskommt, leitete der die Kugel direkt weiter zu Kagawa, der zum 1:0 vollendete. Per Kopf! Der kleine Japaner! Das mussten die Bremer erst einmal verdauen.
Es entwickelte sich ein Spiel ganz nach dem Geschmack des BVB: Jürgen Klopps Team drückte den Gast mit aggressiver "Vorwärtsverteidigung" zumeist weit in dessen Hälfte hinein, wo auf engem Raum kombiniert wurde. Dort hießen die Stationen in schöner Regelmäßigkeit Gündogan-Kagawa-Kuba-Kehl und sogar Hummels, denn der filigrane Verteidiger nutzte seine Freiheiten nach vorne immer wieder zu luftigen Ausflügen.
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Angenehmen Freiraum (lag es an seinem 23. Geburtstag?) genossen aber auch Kagawa, der das Leder nach einer blitzschnellen Pass-Stafette kurz darauf ansatzlos an den Bremer Pfosten drosch (24.), sowie Robert Lewandowski, dessen Direktabnahme im Strafraum knapp übers Gehäuse flog (26.). Dass es nicht schon 2:0 stand, lag schließlich daran, dass Sebastian Kehls wuchtiger Kopfball nach einer Schmelzer-Flanke nur an der Unterkante der Latte landete (35.).
Und Bremen? War beeindruckt, agierte zu passiv und war nicht in der Lage, eigene Angriffe auch nur anzudenken. An der nächsten Dortmunder Macht-Demonstration bestand kein Zweifel, weil Werder gegen das gelb-schwarze Barcelona gar nicht erst mitspielen durfte.
An dem Eindruck, dass hier eine ausgebuffte Männermeute gegen ein Teenieteam locker den Ball kreisen ließ, änderte sich auch nach der Pause wenig. Und immer wieder war es Kagawa, der Werder vor Probleme stellte: Erst verhinderte nur ein Bremer Abwehrbein einen Treffer des Japaners aus spitzem Winkel (46.), dann verzog er nach einer fast identischen Kombination wie der zum 1:0 knapp (54.) - zumindest lag Bremen hier noch nicht höher zurück.
Und irgendwie schien die Gäste diese Tatsache ein wenig zu locken. Ihre Aktionen gewannen an Biss, Pässe erreichten nun mitunter sogar den Mitspieler und der BVB musste seinen Expressfußball ein wenig verlangsamen. Sollten die Bremer tatsächlich bemerkt haben, dass sie mit nur einem Tor diese Begegnung auf den Kopf stellen konnten? Vielleicht.
Doch Chancen besaß nach wie vor nur der Meister: Der dauerstürmende Verteidiger Lukasz Piszczek zog plötzlich energisch nach innen und verfehlte mit einem Flachschuss nur um ein Haar (64.), anschließend ließen die Bremer Gündogan frei schießen (70.) - Werder-Ersatzkeeper Sebastian Mielitz konnte gerade noch klären. Trotzdem schien die Partie jetzt offener, was auch mit nachlassender Konzentration beim Tabellenführer zu tun hatte.
In der Schlussphase hätte Bremen durchaus mehr wagen können, denn die Dortmunder Männerclique hatte zunehmend die Lust am Bälle kreiseln verloren. Das große Drama des Ausgleichs fand jedoch nicht mehr statt - schließlich hatte das Fußballschicksal sich mit den Bremern ja bereits ausführlich beschäftigt.