Nein, der 1. FC Köln hat sich nicht für die Champions League qualifiziert, auch wenn die überschäumende Freude im Müngersdorfer Stadion das glauben ließ. Und Union Berlin hat nicht in den falschen Schrank gegriffen und den Spielern für die zweite Halbzeit Valium verabreicht - auch wenn es nach dem unwirklichen Kölner 3:2 (1:2)-Sieg zum Teil so aussah. Erneut, wie schon Anfang April beim 2:1 gegen Bochum, drehte der Klub vom Rhein, der so oft für seine mangelnde Offensivkraft kritisiert worden ist, spät einen Rückstand. "Hatten Sie Zweifel nach dem 0:2?", wurde Timo Hübers bei Sky gefragt - worauf der Kölner Verteidiger schnell und ehrlich antwortete: "Ja, unbedingt". Ganz im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten, dem Sportgeschäftsführer Christian Keller, der tatsächlich sagte: "Nein, ich habe immer daran geglaubt, weil wir immer zusammen stehen."
Die Kölner haben sich die Chance zum Klassenhalt hart erarbeitet. Berlin, das nun bereits seit sieben Spielen auf einen Sieg wartet, ist dagegen wieder mittendrin im Abstiegskampf. "Das ist schwierig. Es ist das eingetreten, was wir nicht haben wollten. Wir hatten das Spiel im Griff", sagte Kapitän Christopher Trimmel: "Wir müssen nach vorne schauen und haben die Möglichkeit, in der Liga zu bleiben."
"Dass wir das gedreht haben, ist enorm", sagte Florian Kainz, der seinen Klub mit einem Foulelfmeter zum 1:2-Anschlusstreffer in der 45. Minute zurückmeldete. Nach einem Catcher-Griff von Rani Khedira gegen Hübers gab es Strafstoß. Aber man merkte dem FC auch danach immer noch diese Verkrampfung an, die den Klub seit Monaten im Abstiegskampf quält. "Es war nicht so schön anzuschauen", sagte Kainz später, "aber letztlich ist das egal." Was zähle, sei, dass das Team "ein weiteres Endspiel um den Klassenerhalt erreicht" habe.
Die Rechnung mit der Rettung geht allerdings nur dann auf, wenn der 17. aus Köln (27 Punkte, Torverhältnis -29) seine Partie in Heidenheim gewinnt (im eigenen Interesse am besten mit zwei Toren Vorsprung) - und Berlin (30 Punkte, Torverhältnis -26) zur gleichen Zeit daheim gegen den SC Freiburg verliert. Am besten, aus Kölner Sicht, auch mit mindestens zwei Toren Unterschied. "Das kann einer der kuriosesten Klassenerhalte werden, die es seit langer Zeit gegeben hat", sagte Kölns Trainer Timo Schultz.
Kaum etwas hatte auf diesen Last-Minute-Erfolg schließen lassen
Schultz konnte sich freuen, weil fast alle eingewechselten Spieler ihren Teil an den beiden Kölner Toren gehabt hatten: Als Mark Uth schoss (88.), steckte Steffen Tigges seinen Kopf rein, und als Flügelspieler Linton Maina zum ersten Mal einen gescheiten Flankenlauf schaffte, war Damion Downs in der Nachspielzeit (90.+3) zur Stelle, um per Kopf die unwahrscheinlich anmutende Pointe zu setzen. "Vor fünf Minuten waren wir abgestiegen, jetzt sind wir wieder mittendrin", sagte Hübers unmittelbar nach dem Spiel. Aber: "Wir sind körperlich und mental am Ende." Benno Schmitz und Denis Huseinbasic sahen ihre fünfte gelbe Karte und sind gesperrt, Luca Waldschmidt und Max Finkgräfe trugen Blessuren davon.
Aber das ist immer noch eine Ausgangsposition, auf die lange Zeit nichts schließen ließ. Die FC-Hymne vor dem Spielbeginn war für die FC-Fans noch schön anzuhören, aber dann pfiff Schiedsrichter Deniz Aytekin die Partie an. Schon nach 17 Minuten stand es 0:2, weil die Gäste konzentrierter und mutiger agierten, angefangen beim Torschützen zum 0:1 (15.): Robin Knoche kam total frei zum Kopfball. Der Verteidiger hatte bei dem vor wenigen Tagen entlassenen Coach Nenad Bjelica zuletzt keine Rolle mehr gespielt, kam aber unter Interimstrainer Marco Grote gleich zum Zug.
Als der Kölner Alidou keine zwei Minuten später nach dem nächsten Union-Standard die Arme zu hoch hatte und einen Handelfmeter verursachte, den Referee Aytekin mit einer Geste des Bedauerns pfiff, stand es schon 0:2, Kevin Volland schoss frech in die Mitte des Kölner Tores. Kurz darauf musste FC-Stürmer Luca Waldschmidt verletzt ausgewechselt werden (20.).
Es folgten Minuten der Trance auf Kölner Seite, zumal die Berliner die Partie total im Griff hatten. Selbst nach dem Foulelfmeter, für den Khedira übrigens ebenfalls seine fünfte Gelbe sah und kommende Woche gesperrt fehlt, und nach Faride Alidous mangelhaftem Abschluss in der 50. Minute (ohne Gegenspieler schoss er aus vier Metern über das Tor) hatten sie keinerlei Probleme, die Kölner Bemühungen abzuwürgen. Gosens traf per Kopf an die Latte (67.). Es folgte der irre Schlussakt. Und am Ende dieses Samstagabends saßen Sieger und Besiegte in einem Boot mit Schlagseite: Mainz schob sich durch das 3:0 gegen Dortmund auf Platz 15 und braucht am nächsten Samstag nur noch einen Punkt in Wolfsburg für die nächste erstaunliche Rettung.