Der Weg des Peter Stöger war ein Hin und ein Her: Er flog gestern von Köln nach Wien, um abends mit seiner Mutter zu essen. Dann kam ein Anruf aus Dortmund, Hans-Joachim Watzke war dran. Das Abendessen dauerte dann nur eine halbe Stunde, seine Mutter habe sich aber trotzdem gefreut. Dann schaute er sich noch in der Nacht das 1:2 des BVB gegen Bremen an, was ihn aber in seiner Entscheidung nicht erschütterte. Er schlief ein bisschen, dann stieg er wieder in den Flieger, und nun saß er um Punkt 12 Uhr da. Vor einer gelben Wand und sollte nun etwas dazu sagen, warum gerade er nun bis zum Saisonende Trainer von Borussia Dortmund ist.
Wenn ein neuer Trainer kommt, dann ist der alte gegangen. Und das Kapitel beendete Hans-Joachim Watzke. "Wir haben am Samstagabend in einem Gespräch mit Peter Bosz entschieden, ihn freizustellen. Es war sehr emotional, gleichzeitig aber sehr stilvoll. Peter Bosz hat das mit sehr viel Stil aufgenommen", sagte der Geschäftsführer. Er bedankte sich nochmal beim Niederländer. Mehr gab es dann aber nicht zu sagen.
Und damit zu Peter Stöger. Gerade mal sieben Tage ist es her, dass sich Köln und Stöger trennten. Nach vier erfolgreichen Jahren aber einer aktuell beispiellos schlechten Hinrunde mit drei Punkten aus 14 Spielen. "Für Sie und für mich ist das eine überraschende Situation", sagte Stöger wahrheitsgemäß in die Runde. Und: "Ich freue mich riesig darauf, Trainer bei dieser Mannschaft und diesen Spielern sein zu dürfen. Ich gehe diese Geschichte mit sehr viel Freude und vielen Emotionen an. Sie haben mich bestimmt nicht geholt, weil ich mit Köln in dieser Saison nur drei Punkte geholt habe."
"Irgendwas ist mit der Mannschaft passiert", sagt Michael Zorc
Sein kurzfristiger Plan: Um 15 Uhr leitet er das Training, aber hauptsächlich will er mit den Spielern sprechen, Problemzonen identifizieren. Dann geht es schon in Richtung Mainz. Dort spielt der BVB am Dienstag. "Es wird niemand erwarten, dass man eine Handschrift sehen kann. Es geht darum, Empathie in die Mannschaft zu bringen", sagte Stöger. Dass Stöger erstmal als Psychologe gefordert sein wird, das bestätigte Sportdirektor Michael Zorc. "Irgendwas ist mit der Mannschaft passiert", sagt Michael Zorc zum bisherigen Saisonverlauf. "Sie können das nicht erklären, wir auch nicht." Er sprach von Rissen und Ungereimtheiten und davon, dass die empathische Art von Peter Stöger helfen werde.
Vordergründig geht es beim BVB darum, in Mainz nach acht erfolglosen Versuchen mal wieder ein Bundesligaspiel zu gewinnen. Stöger soll diese Saison irgendwie zu Ende bringen und - auch wenn Watzke es vermied, neue Saisonziele zu benennen - die direkte Qualifikation zur Champions League schaffen. Und dann? Stöger bekommt einen Vertrag bis Ende Juni, früher nannte man solche Trainer Feuerwehrmann. Es brennt, der Trainer kommt, er soll löschen und wieder wegfahren. Das Haus wieder aufbauen - das soll dann ein anderer tun. In diesem Zusammenhang fiel der Name Julian Nagelsmann ziemlich oft.
Watzke und Stöger umschifften das Thema in der Pressekonferenz. "Wir haben ja lange keine Erfahrung mehr damit, mitten in einer Saison einen Trainer zu wechseln. In Stein gemeißelt ist aber gar nichts. Für beide Seiten war wichtig, sich zunächst bis zum 30. Juni zueinander zu bekennen", sagte Watzke. Und auch Stöger sagte: "Ich brauche keinen Rentenvertrag. Ich möchte bis Sommer etwas aufbauen. Als Trainer wird man in ziemlich kurzen Abständen bewertet, das ist für mich überhaupt kein Problem. Ich hätte auch 14 Tage trainiert." Nebenbei bestätigte Watzke, dass es nach dem Aus von Thomas Tuchel ein "Kontaktgespräch" mit Stöger gab. Aber damals, so Watzke, habe der Wiener "zu tief in der Köln-Geschichte" gesteckt.
Einen gewissen Widerspruch gab es dennoch. Watzke lobte die Qualitäten von Peter Stöger. Er habe bewiesen, dass er in Köln über Jahre etwas aufgebaut habe. In Dortmund soll er diese Zeit aber per Vertragspapier ausdrücklich nicht bekommen. Wenn man weiß, dass der BVB schon bei Ottmar Hitzfeld und Matthias Sammer als möglichen Plan B angefragt hatte (und sich Absagen holte), dann könnten die Entwickler-Qualitäten von Peter Stöger bei der Entscheidungsfindung vielleicht doch keine so große Rolle gespielt haben - sondern hauptsächlich die Tatsache, dass er verfügbar war und bereit, diese Mission zu übernehmen.
Naheliegender war da schon eher die Begründung von Sportdirektor Michael Zorc: "Seine Mannschaft hat große Stabilität ausgezeichnet. Das fehlt uns im Moment." Das zumindest ist völlig unstrittig.