Borussia Dortmund:Ein bisschen Krawall darf sein

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Demonstration von Ehrgeiz? Erling Haaland (Nummer neun) im Tête-à-Tête mit Martin Hinteregger (rechts). (Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Der BVB demonstriert beim 3:2 in Frankfurt eine Mentalität, die Trainer Marco Rose zur Dauerhaltung machen möchte - doch der Auftritt zeigt auch, dass 2022 eine Gratwanderung wird.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Marco Rose sah ein bisschen so aus, als habe er gerade eine wilde Schneeballschlacht mit seinen Jungs im verschneiten Frankfurter Stadtwald gewonnen. Zu seinem verschmitzten Grinsen trug er eine olivgrüne Pudelmütze, die der Trainer von Borussia Dortmund selbst bei der digitalen Pressekonferenz nach der spektakulären Aufholjagd bei Eintracht Frankfurt (3:2) nicht absetzte. Dabei hatte der Hausmeister gar nicht die Heizung im Presseraum der Arena abgeschaltet. Der gesamte Bereich unter der Haupttribüne war wohltemperiert, auch weil 250 Logengäste im Stadion waren, die den ersten Dortmunder Auswärtserfolg in Frankfurt seit dem 1. September 2013 erleben konnten. Rose hätte sich allerdings eine deutlich stattlichere Kulisse gewünscht, denn: "Ohne Fans fehlt in diesem Sport eigentlich alles!"

Tatsächlich wäre das Topspiel am Samstagabend wie gemacht gewesen, in der Pandemie entfremdetes Publikum mal wieder zu begeistern. Eintracht-Coach Oliver Glasner sprach gleich mehrmals von einem "absoluten Spitzenspiel" - es war keine Übertreibung: In der ersten Halbzeit hätte die stark aufspielende Eintracht sogar höher führen können als 2:0 durch Rafael Borré (15. und 24.), doch am Ende jubelte der zur zweiten Hälfte erwachte BVB nach Toren des eingewechselten Thorgan Hazard (71.), Jude Bellingham (86.) und Mahmoud Dahoud (89.). Der Rückstand auf den Spitzenreiter FC Bayern ist auf sechs Punkte verkürzt. Zu Kampfansagen wollte sich Rose aber nicht hinreißen lassen. "Wir würden gerne die Bundesliga spannend machen, wissen aber auch, was die Bayern zu leisten im Stande sind", sagte er nur.

Dortmunder 3:2 in Frankfurt
:Hat hier jemand Mentalität gesagt?

Nach einer zunächst grauseligen Vorstellung kommt der BVB mit Wucht zurück und macht aus einem 0:2 einen 3:2-Sieg bei der Eintracht. Trainer Rose fühlt sich in seiner Forderung nach Haltung bestätigt.

Von Frank Hellmann
Duell aus der Schwergewichtsklasse: Dortmunds Erling Haaland (links) und Frankfurts Martin Hinteregger lieferten sich krachende Zweikämpfe - und kurz vor Ende ein Gerangel, für das beide Gelb sahen. BVB-Coach Marco Rose gefiel Haalands Haltung: "Das war ein Beispiel dafür, wie es aussehen kann und soll." (Foto: Arne Dedert/dpa)

Es kann Dortmund indes nur helfen, zumindest für einen Spieltag die Abhängigkeit von Tormaschine Erling Haaland widerlegt zu haben. Der für seine Verhältnisse blasse Norweger hatte sich mit einer Vorlage begnügt und ansonsten nur unpräzise Abschlüsse zu bieten, ehe er sich ein heftiges Gerangel und Wortgefecht mit dem Frankfurter Martin Hinteregger um den Ball lieferte, den Haaland nach dem 2:2 flugs zum Anstoßkreis hatte tragen wollen. Dass sich der BVB-Stürmer wegen seines Scharmützels eine gelbe Karte einhandelte (87.) und später auch noch bedrohlich vor Doppeltorschütze Borré aufbaute, wertete sein Trainer als Beleg für den Ehrgeiz aller. Nach den Rückschlägen gegen Bayern und Hertha BSC (jeweils 2:3) zum Ende der Hinrunde war genau eine solche Trotzreaktion vonnöten, um die lästigen Mentalitätsdebatten nicht gleich in der Rückrunde fortzusetzen.

Für Dortmund stehen in den kommenden Wochen einige Charaktertests an

Dortmunds Wortführer Mats Hummels sprach von "einem geilen und emotionalen Sieg", wobei der nach eigenem Bekunden wieder vollständig fitte Abwehrchef das "ganz große Thema" nicht vergaß: "Die Stabilität müssen wir uns ganz oben auf die Fahne schreiben, wenn wir etwas erreichen wollen. Und wenn wir was gewinnen wollen diese Saison, brauchen wir das Energielevel der zweiten Hälfte über 90 Minuten." Fußballlehrer Rose konnte seinem Klassensprecher nur beipflichten. Gegentore nach Standards (wie beim 0:1) oder Ballverlusten (erst Thomas Meunier, dann Marco Reus vor dem 0:2) gehörten endlich abgestellt.

Der BVB lag gegen Frankfurt bereits am Boden, hier Verteidiger Mats Hummels, stand aber wieder auf. (Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Rose vertiefte ansonsten sein Grundsatzreferat über Nachhaltigkeit, bei dem es nicht um ökologische Aspekte ging, sondern genau um solche Trotzreaktionen, wenn es mal nicht so läuft: "Das war ein Beispiel dafür, wie es aussehen kann und soll." Bloß nicht resignieren, predigt der 45-Jährige fürs neue Jahr. Trotz der vielen einfachen Ballverluste: Keiner habe abgewunken, jeder den anderen unterstützt. "Dass wir das Spiel gedreht haben, sollte den Jungs zeigen, dass sich das Thema Haltung sehr lohnt. Bei diesem Thema fordere ich auch Nachhaltigkeit", sagte Rose. "Ein Einstellungsthema haben wir sowieso nie: Wir sind wieder 123 Kilometer gelaufen, haben über 260 Sprints gemacht. Daher sollte uns das Spiel was geben." Nun sei er mal selbst gespannt.

Die nächsten drei Bundesligaspiele stehen gegen die unmittelbaren Verfolger SC Freiburg (Freitag), TSG Hoffenheim (22. Januar) und Bayer Leverkusen (6. Februar) an. Besteht die junge BVB-Truppe diese Charaktertests, dann geht vielleicht auch noch was in Sachen Meisterschaftskampf. Denn den am Freitag patzenden FC Bayern plagen derzeit weitaus größte Corona-Sorgen als seinen wohl einzig ernstzunehmenden Verfolger. Gleichwohl wären die Westfalen gut beraten, den geglückten Start ins neue Fußballjahr nicht zu hoch zu bewerten. Dafür lieferte ihr Auftritt letztlich zu viele sachdienliche Hinweise, dass auch 2022 eine schwarz-gelbe Gratwanderung wird.

Der gefeierte Kraftakt gelang ja nur, weil die Eintracht am Ende ohne Struktur, Kraft und Mumm spielte. Man sei platt gewesen, habe ständig den Ball zu Torhüter Kevin Trapp zurückgespielt, monierte Frankfurts Trainer Glasner: "Wir haben uns wie das Kaninchen vor der Schlange verhalten - und dann hat die Schlange zugebissen." Der Österreicher hatte sich bei einem bösen Sturz mit dem E-Roller am Neujahrstag das Jochbein gebrochen: Sein noch blau schimmerndes Auge vermittelte irgendwie den Eindruck, dass den Hessen das verlorene Wild-West-Duell im winterlichen Ambiente richtig wehgetan hatte.

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