Basketballer aus Bonn:Rotgeweinte Augen bei den Baskets

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Güldener Moment: Die Spieler der Telekom Baskets Bonn feiern den Titelgewinn in der Champions League. Es ist der erste Titelgewinn in der Bonner Vereinsgeschichte. (Foto: Gregorio Marrero/AP)

Angeführt von T. J. Shorts gewinnen Bonns Basketballer als erstes deutsches Team die Champions League. Spätestens mit diesem lange ersehnten Triumph gelten sie auch als Anwärter auf die deutsche Meisterschaft.

Von Ulrich Hartmann und Ralf Tögel

Im Augenblick des größten Glücks flossen die Tränen. Spieler, Trainer, Fans - alle, die für die Telekom Baskets Bonn im Einsatz waren, weinten am Sonntagabend. Als feststand, dass das Endspiel der Champions League 77:70 gegen Hapoel Jerusalem gewonnen war, sah man droben im Block viele der Bonner Fans dem wehmütigen Zusammenbruch nah. Drunten auf dem Feld umarmten sich der Trainer Tuomas Iisalo und sein Matchwinner T. J. Shorts sehr lange, und als sie voneinander abließen, erkannte man ihre rotgeweinten Augen.

Am Sonntagabend haben die Telekom Baskets Bonn in der Martin-Carpena-Arena von Malaga im spanischen Süden ihren allerersten Titel gewonnen - und als erstes deutsches Team überhaupt die Champions League. Kein Spieler, nicht der Trainer und nicht die etwa 500 mitgereisten Fans hatten ein derartiges Gefühl schon einmal erlebt; schlimmer noch, sie hatten befürchten müssen, dass sie es nie erleben würden.

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Als Jugendlicher galt T.J. Shorts mit 1,75 Metern als zu klein für Basketball, weshalb ihm die NBA verwehrt blieb. Jetzt aber hat er mit den Telekom Baskets Bonn alles gewonnen, was es zu gewinnen gab - und seine Geschichte ist noch nicht zu Ende.

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Bonn hat 1997, 1999, 2001, 2008 und 2009 die Finalserie um die deutsche Meisterschaft verloren sowie 2005, 2009 und 2012 das Endspiel um den deutschen Pokal. Die Telekom Baskets, gegründet 1995 und in die Bundesliga aufgestiegen 1996, haben binnen 28 Jahren und trotz achtmaliger Finalteilnahme nie auch nur einen Titel feiern dürfen. Das ging bereits Richtung Trauma - bis zum Sonntagabend, bis diese Bonner Mannschaft Hapoel Jerusalem besiegte und ihre Fans realisierten, dass der große Moment nun gekommen war. Und dann war kein Halten mehr.

Nie hat Bonn einen Titel gewonnen, 2009 vergaben sie die Meisterschaft in den letzten Sekunden

Wie nah Triumph und Trauer beieinander liegen im Sekundensport Basketball, hatten die Bonner am schlimmsten 2009 erfahren müssen, als sie im fünften Finalspiel um die Meisterschaft in Oldenburg 23 Sekunden vor Schluss mit drei Punkten führten und zwei Freiwürfe hatten. Der Titel war zum Greifen nahe - dann gingen beide Freiwürfe daneben und Oldenburg drehte das Spiel. Jener Tag vor 14 Jahren ist der dunkelste in der Historie des Bonner Basketballs. Der Sonntag in Malaga ist jetzt der hellste. Das Spiel gegen Jerusalem mag nervenaufreibend gewesen, aber so richtig dramatisch war es nicht einmal. Bonn führte vom Anfang bis zum Ende. Diese Mannschaft bestach wieder einmal durch ihre mentale Stärke - als hätte sie in den entscheidenden letzten Minuten, der Crunchtime, so richtig Spaß am Spiel.

Einmal mehr war der Kleinste nicht zu stoppen: T.J. Shorts wurde zum wertvollsten Spieler der Champions League gewählt. (Foto: Gregorio Marrero/dpa)

Der 40 Jahre alte Finne Iisalo, vor zwei Jahren aus Crailsheim gekommen, hat Bonn in die Pole Position für die Bundesliga-Playoffs geführt und nun auf den Thron der Champions League. Schon in der vergangenen Saison wurde er in der Basketball-Bundesliga (BBL) zum Trainer des Jahres gewählt - und er hat dieses Prädikat von den Mannschaftsführern, Sportdirektoren, Trainerkollegen sowie ausgewählten Medienvertretern erneut angehängt bekommen.

Man darf Iisalo also als Glücksgriff für die Baskets bezeichnen, auch, weil er zu Beginn der Saison den US-Amerikaner T. J. Shorts aus Crailsheim nach Bonn lockte. Der 25-Jährige wurde in der BBL-Hauptrunde zum wertvollsten Spieler gewählt - und nun auch in der Champions League. Etwa eine Million Euro an Prämien bringt der Champions-League-Triumph den Bonnern - und vielleicht etwas noch Wertvolleres: 2024 hat die Telekom angekündigt, als Haupt- und Titelsponsor auszusteigen. Jetzt hoffen die Baskets, dass der in Bonn beheimatete Konzern sich das noch einmal überlegt.

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Natürlich muss man berücksichtigen, dass im Basketball die Champions League im Gegensatz zum Fußball nicht der bedeutendste Wettbewerb ist. Diese ist hinter der Euroleague und dem Eurocup einzuordnen, beides wird von der Klub-Vereinigung Euroleague Basketball im Stile eines privatwirtschaftlichen Unternehmens organisiert. Die vom europäischen Ableger des Weltverbandes Fiba organisierte Königsklasse hat in den vergangenen Jahren aber sportlich und auch vom Renommee her aufgeholt, der Bonner Sieg ist also hoch einzuhängen.

Bonn ist mehr als nur Geheimfavorit auf die deutsche Meisterschaft - auch weil Berlin und München Probleme haben

Gleichwohl steht das Erfolgsduo Iisalo und Shorts nun noch prominenter im Schaufenster, es gibt neben noch größeren Titeln anderswo auch mehr Geld zu verdienen. Für Iisalo bleibt Bonn indes auf ewig besonders, es war auch sein erster Titel: "Titel haben mich gemieden wie die Plage - dass ich jetzt zum ersten Mal etwas gewonnen habe, bedeutet mir wahnsinnig viel. Von so einem Erfolg hatte ich nicht mal zu träumen gewagt."

Der Bonner Traum könnte indes noch weitergehen: Kommenden Mittwoch starten die Baskets im Viertelfinale gegen die Niners Chemnitz in die K.-o.-Runde um die deutsche Meisterschaft. Es werden Best-of-five-Serien gespielt, als Hauptrundenerster hat Bonn bis ins Finale den Heimvorteil. Ein schöner Bonus, zumal die Baskets in eigener Halle in der BBL ungeschlagen sind. Bislang galten sie hinter den Großklubs Alba Berlin und FC Bayern lediglich als Geheimfavorit, das hat sich nun geändert.

Berlin musste zum Playoff-Start eine unerwartete 64:88-Heimpleite gegen Ulm einstecken, die Münchner müssen verletzungsbedingt auf wichtiges Personal verzichten. Bleibt abzuwarten, wie beide Teams dies wegstecken. Auch der kraftraubende Auftritt der Bonner in Malaga könnte sich ins Gegenteil verkehren, mehr Motivation und Selbstvertrauen kann man an einem Wochenende kaum sammeln. Zudem haben die beiden Euroleague-Vertreter Berlin und München eine komplette zusätzliche Saison von 34 Spielen in den Beinen, Bonn hat in der Champions League inklusive Finale 17 Spiele absolviert.

"Man sollte sie auf der Rechnung haben", sagt auch der Münchner EM-Bronzegewinner Andreas Obst, "die sind heiß, Berlin und uns zu ärgern." Der Titel im Übrigen, könnte eine Wildcard für die Euroleague bringen. Dann wären Trainer Iisalo und T. J. Shorts in der kommenden Saison dort, wo sie erwartet werden: in der europäischen Königsklasse - mit Bonn.

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