Basketball:Ein Klub macht sich hübsch

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Motor des Aufschwungs: TJ Shorts (am Ball) hat mit seiner Mannschaft Großes vor. (Foto: Memmler/Eibner/Imago)

Spitze in der Liga und in Europa: Für die Baskets Bonn ist der Traum vom ersten Titel neu erblüht - zugleich weiß der Traditionsverein um das fragile Fundament seines Erfolgs. Ein Blick in den deutschen Teamsport-Mittelstand.

Von Ulrich Hartmann, Bonn

Man hätte bereits hellhörig werden können, als der Basketballer Timothy Neocartes Shorts, genannt TJ, im Sommer zu den Telekom Baskets Bonn wechselte und diesen Schritt mit einer "Chance auf einen Titel" begründete.

Shorts war in der vergangenen Saison in Crailsheim der beste Offensivspieler der Bundesliga (BBL) gewesen. Bonn hingegen ist einer dieser Traditionsstandorte im Basketball, der noch nie einen Titel gewonnen hat. Fünf Mal verlor man die Finalserie um die deutsche Meisterschaft, drei Mal das Pokalendspiel.

Der Hauptsponsor steigt im Sommer 2024 aus - jeder Erfolg hilft, einen Nachfolger zu finden

Dass der Traum vom ersten Titel nun gerade neu erblüht, liegt auch am US-Amerikaner Shorts, 25, der die Baskets an die Spitze der BBL geführt hat sowie als vorzeitigen Gruppensieger in die Top-16-Runde der Champions League. Wenn alles so ansehnlich weitergeht, könnte auch die derzeit größte Herausforderung der Baskets gelingen: binnen eineinhalb Jahren einen gleichwertigen Nachfolger für den Haupt- und Titelsponsor Telekom zu finden, der im Sommer 2024 aussteigt.

Wenn die Bonner an diesem Mittwoch zum finalen Vorrunden-Gruppenspiel der Champions League in Reggio Emilia in Italien gastieren, dann ist ihr erster Gruppenplatz nicht mehr in Gefahr. Überdies führt Shorts die Spielerstatistik des gesamten Wettbewerbs mit 27 Punkten pro Spiel an - und ruft auf dem Kontinent eine Aufmerksamkeit hervor, die Bonn einerseits ins Rampenlicht zieht, die dortigen Verantwortlichen andererseits schon erahnen lässt, dass es im Sommer schwierig werden könnte, ihren Besten zu halten.

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Dieses schmerzliche Phänomen kennen sie schon aus der vergangenen Saison, als sie der zum wertvollsten BBL-Spieler gewählte Parker Jackson-Cartwright bis ins Halbfinale führte und anschließend zum Euroleague-Klub Lyon-Villeurbanne weiterzog. Für diesen Schlüsselspieler einen adäquaten Ersatz aufzutreiben, erwies sich als ein weiterer Schachzug des Bonner Trainers Tuomas Iisalo, der schon im Sommer 2021 aus Crailsheim zu den Baskets wechselte und die Bonner wieder in jene Sphären geführt hat, aus denen sie in den vorangegangenen Jahren verschwunden waren.

Der Finne Iisalo, 40, passt menschlich wie sportlich zu den Baskets, und wie man hört, gefällt es auch den anderen vier Mitgliedern seiner Familie in Bonn recht gut. Daraus schöpfen sie im Klub die Hoffnung, dass eine Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrags nicht ausschließlich davon abhängen wird, ob man für die ausscheidende Telekom einen vergleichbar solventen Hauptsponsor findet. Im Klub geht man ohnehin davon aus, diese relevanten Zuwendungen künftig auf mehrere Schultern verteilen zu müssen.

Hübsch machen sich die Baskets für neue Sponsoring-Partner nun schon die zweite Saison nacheinander in der obersten Etage der Bundesliga - und diesmal eben auch in der Champions League. Bloß im nationalen Pokal sind sie bereits ausgeschieden, gegen Alba Berlin. Will Baskets-Präsident und -Geschäftsführer Wolfgang Wiedlich seinem Hauptdarsteller Shorts den Traum vom Titel auch keineswegs ausreden, so stupst ihn sein Realismus doch unweigerlich darauf, dass man in der Bundesliga in Alba Berlin und Bayern München genauso übermächtige Kontrahenten hat wie in der Champions League mit einigen der besten europäischen Klubs.

Viele von diesen besitzen bessere finanzielle und damit personelle Möglichkeiten. Bonns Kader lässt wenig Raum für größere und kleinere Ausfälle. Bislang sind aber alle gesund geblieben. "Wenn wir vom Verletzungspech verschont bleiben", sagt Wiedlich, "dann ist vieles möglich." Wenn.

Ein Titel ist dem Präsidenten wichtig. Noch wichtiger ist ihm ein wirtschaftlich gesunder Standort

Der Präsident betrachtet den Höhenflug jedenfalls lieber als "Momentaufnahme". Er erkennt im fröhlichen Rheinland die Gefahr, "dass alle abheben", freut sich fürs treue Publikum zugleich darüber, dass nach sportlich mauen Jahren und den Corona-Restriktionen gerade eine neue Euphorie entsteht, die wie eine Entschädigung für die leidgeprüften Fans wirkt - und für ihn selbst. Wiedlich ist 66 Jahre alt, er beabsichtigt, sein sportliches Lebenswerk früher oder später in andere Hände zu geben. Zuvor doch noch einen Titel zu gewinnen, empfände er als "runde Sache". Noch wichtiger ist ihm allerdings, sauber geführte Haushaltsbücher zu übergeben.

2009 waren die Bonner schon einmal verdammt nahe dran am Meistertitel. Sie verloren im ultimativen fünften Spiel in Oldenburg mit einem Punkt, nachdem sie über weite Strecken hoch geführt hatten. Es war Bonns fünfte verlorene Finalserie, es war wie verhext.

In den folgenden Jahren mussten sie am Kader sparen, weil sie den Kredit für ihre Spiel- und Trainingsstätte abstotterten. Seit ein Großteil abbezahlt ist, investiert der Klub wieder mehr ins Personal, allerdings wächst gerade die Ungewissheit nach dem angekündigten Ausstieg des Hauptsponsors. Erst hatte es geheißen, Bonn müsse bereits in dieser Saison unter neuer Flagge spielen, dann verlängerte die Telekom doch noch einmal, was auch am Erfolg der Baskets in der vergangenen Saison gelegen haben könnte. Da verloren sie erst im fünften Spiel der Halbfinalserie gegen Bayern München.

Seither sinnt Bonn auf Revanche. Vielleicht schon im kommenden Frühjahr. TJ Shorts nimmt die Sache mit dem Titel jedenfalls absolut ernst.

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