Biathlon-WM:Dahlmeier ignoriert ihre Grenzen

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"Oh, ich bin ganz schön platt": Laura Dahlmeier im Ziel nach dem Staffelrennen. (Foto: AFP)
  • Nach dem Staffelrennen bricht Laura Dahlmeier schon wieder zusammen - der Kreislauf. Sie musste am Ende des Rennens einen knappen Vorsprung verteidigen.
  • Die deutschen Frauen-Mannschaft gewinnt vor der Ukraine und Frankreich.
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Von Saskia Aleythe, Hochfilzen

Sie hatte schon Platz genommen auf dem Podium, die Beine ausgestreckt und auf die Stühle gelegt, doch Laura Dahlmeier hatte nicht das Strahlen einer Siegerin im Gesicht. Benommener Blick, totale Erschöpfung, dann kam auch Vanessa Hinz dazu und legte ihr besorgt den Arm auf die Schulter. Gerade hatten sie zusammen die Gold-Medaille in der Staffel gewonnen, zusammen noch die Blumensträuße auf dem Podium abgeholt.

Doch Dahlmeier ging es schlechter, "komm, das macht doch keinen Sinn", sagte Hinz zu ihr, dann war auch schon Mannschaftsarzt Klaus-Jürgen Marquardt zur Stelle und nahm Dahlmeier wieder mit. An diesem Freitagnachmittag, nach der fünften Medaille im fünften WM-Rennen ging bei der 23-Jährigen erstmal nichts mehr.

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Erst vor zwei Tagen, nach dem Einzel-Wettkampf über 15 Kilometer war Dahlmeier im Umzieh-Häuschen neben der Strecke zusammengebrochen, nun holte sie das gleiche Problem wieder ein. Die Sieger-Pressekonferenz fand folglich ohne sie statt, Hinz, Maren Hammerschmidt und Franziska Hildebrandt mussten alleine ihre Gold-Medaille analysieren, während Dahlmeier im Nebenraum lag und versuchte, zu Kräften zu kommen. Fast eine Stunde nach Überqueren der Ziellinie trat dann Mannschaftsarzt Marquardt aus dem Zimmer und ließ einen O-Ton der Biathletin zur Entwarnung ausrichten: "Wie mein Opa schon gesagt hat: Ich bin ein zähes Luder."

In der Schlussrunde nach dem letzten Schießen war es nochmal eng geworden mit dem Staffelgold, mit einem Vorsprung von gerademal 5,4 Sekunden hatte sie den Schießstand verlassen. Das kostete viel Energie, Dahlmeier flitzte und es reichte zu Gold, "gigantisch" fand sie das und freute sich "vor allem, dass wir heute als Mannschaft stark waren". Doch schon beim Zieleinlauf sah die Deutsche erschöpfter aus als bei manch anderem Rennen. "Als ich über die Ziellinie gekommen bin, habe ich gemerkt: Oh, ich bin ganz schön platt", sagte Dahlmeier später, die Arme bekam sie nur zaghaft nach oben, ließ sich dann in den Schnee fallen.

Die Euphorie über die vierte Gold-Medaille hielt sie noch ein paar Minuten auf den Beinen, "dann sind mir die Kräfte ausgegangen, nach der Mixed Zone beim Umziehen habe ich gemerkt, dass es vom Blutdruck her schlecht ausschaut". Und, auch das sagte Dahlmeier: "Es ist ein bisschen viel gewesen in letzter Zeit."

Arzt Marquardt hatte sie schon nach dem K.-o. am Mittwoch betreut, erklärte die Zusammenbrüche nun auch mit ihrem Naturell als Kämpfernatur. "Sie gehört zu den Persönlichkeiten, die auch mehr geben, als sie körperlich dazu in der Lage sind in dem Moment", sagte er, "sie gibt die berühmten 150 Prozent." Wenn die Spannung im Ziel abfalle und die körperliche Belastung vorbei ist, brauche der Kreislauf einfach eine Pause. "Dann wird ihr schlecht, schwindelig, der Blutdruck geht in den Keller. Aber Spitzensportler erholen sich schnell."

"Es ist gesundheitlich nicht gefährlich, wenn sie im Massenstart antritt"

Einen Tag Pause hat Dahlmeier nun, dann steht für sie das letzte Rennen bei dieser, bei ihrer WM an. Einen Start dort sieht der Mannschaftsarzt trotz Zusammenbruch nicht in Gefahr. "Ich kenne sie über viele Jahre hinweg und würde momentan sagen: Es ist gesundheitlich nicht gefährlich, wenn sie im Massenstart antritt." Auch Dahlmeier selber klang recht optimistisch: "Ich bin mir sicher, dass ich mich wieder richtig regeneriere, das hat bis jetzt noch immer geklappt."

Dieser Freitag war der neunte bei der Biathlon-WM in Hochfilzen, fünf Rennen hat sie nun absolviert, dazwischen lagen zwei Ruhetage ganz ohne Wettkampf und Training. "Natürlich geht nicht alles spurlos an mir vorbei", sagte Dahlmeier, "ich bin gefordert, nicht nur im Wettkampf, sondern auch drumherum."

Franziska Hildebrand, die sich bei diesem Staffelrennen endlich mit der WM versöhnte und als Einzige fehlerfrei am Schießstand blieb, bekam das freilich auch mit: "Sie verausgabt sich in jedem Rennen, hat danach immer noch Siegerehrung, Pressekonferenz, Interviews hier und dort. Das schlaucht mit der Zeit und da ist es gut, wenn sie sich jetzt nochmal Ruhe gönnt." Ruhe, die braucht auch ein zähes Luder mal.

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