Dahlmeier bei der Biathlon-WM:"Scheiß da nix, dann feid da nix"

Biathlon Weltmeisterschaft Hochfilzen

Ihre Stärke ist beeindruckend: Laura Dahlmeier.

(Foto: dpa)
  • Laura Dahlmeier hat bei der Biathlon-WM in Hochfilzen in vier Rennen vier Medaillen gewonnen, darunter drei goldene.
  • Mit 23 Jahren liefert sie schon die komplette Saison über konstante Leistungen ab.
  • Ihre Dominanz im Biathlon hat mehrere Gründe. Eine große Rolle spielt ihr Hobby: Das Klettern.

Von Saskia Aleythe, Hochfilzen

Der Platz der Siegerin blieb leer. In der Mitte das Schild mit ihrem Namen darauf, links davon saß Gabriela Koukalova aus Tschechien, rechts davon die Italienerin Alexa Runggaldier. Laura Dahlmeier brauchte ein bisschen nach ihrer vierten WM-Medaille im vierten Rennen in Hochfilzen: Der Blutdruck machte Probleme, die Deutsche kippte um, kam aber mit Hilfe des Mannschaftsarztes gleich wieder auf die Beine. Alles halb so wild, erklärte sie später, in der Zwischenzeit hatte ihre ärgste Konkurrentin Koukalova gesprochen. Die beiden verstehen sich gut, Koukalova sagte: "Laura ist unglaublich. Stärker, schneller, konzentrierter" und schloss mit dem Fazit: "There is no chance."

Genau das ist der Eindruck, den Laura Dahlmeier bei dieser WM vermittelt: Es ist fast zwecklos, gegen sie auf die Loipe zu gehen, am Ende reißt immer die 23-Jährige aus Garmisch-Partenkirchen die Arme nach oben. Gold in der Mixed-Staffel, Gold in der Verfolgung und im Einzel, nur beim Sprint hatte ihr Koukalova mit vier Sekunden Vorsprung den Titel weggeschnappt. Dass es so gut läuft bei Dahlmeier, hat triftige Gründe.

Erster Grund: Ihre Routine am Schießstand

Was sich viele lange erarbeiten müssen, konnte Dahlmeier früh: Schon in der Jugend gehörte sie zu den treffsichersten Schützinnen. Wer einmal in die Statistiken guckt, findet dort Erstaunliches: Schon vor drei Jahren lag ihre Trefferquote bei 90 Prozent, im Folgejahr bei 92, danach bei 91, nun bei 89. Absolute Spitzenwerte, die ihr Rennen für Rennen das nötige Selbstvertrauen geben. Zittern am Schießstand kennt Dahlmeier nicht, auf dem Schaft ihrer Waffe steht: "Scheiß da nix, dann feid da nix."

Und überhaupt: Was soll Dahlmeier denn fürchten? Sie ist zwar erst 23, hatte aber schon vor den Festspielen von Hochfilzen sieben WM-Medaillen in ihrer Sammlung. WM kann sie. Ihre gesamte Saison ist eine beeindruckende Demonstration konstanter Stärke. Ihr schlechtestes Ergebnis: Ein siebter Platz beim Massenstart in Nove Mesto, bis auf drei vierte Plätze stand sie nach jedem Rennen, in das sie gestartet war, auf dem Podest. Eine solche Serie ist keiner anderen Athletin in der Weltspitze in dieser Saison gelungen, selbst die herausragende Koukalova musste sich auch mal mit einem 24. oder 26. Platz begnügen.

Zweiter Grund: Ihre Coolness

"Wenn ich beim Klettern einen Fehler mache, dann passiert mir ein bisschen mehr, als wenn ich eine Scheibe nicht treffe", hat Dahlmeier bei der WM in Hochfilzen gesagt und das ist freilich ein bisschen untertrieben. Im Yosemite-Nationalpark in den USA hat sie einst eine 1000 Meter hohe Felswand erklommen, sie übernachtete auf einem Felsvorsprung, 800 Meter über dem Boden: "Du wusstest, wenn du dich jetzt auf die falsche Seite drehst, hängst du im Seil. Diese Ausgesetztheit mit der Natur finde ich super schön." Für sie geht beim Klettern eine Welt auf, die Auseinandersetzung mit tiefen Abgründen relativiert auch den Erfolg und Misserfolg im Biathlon - und nimmt ihr die Angst, im Sport zu versagen.

Die Gründe drei bis fünf

Dritter Grund: Dahlmeier weiß, wann sie eine Pause braucht

Enttäuschung lag in der Luft, vor vier Wochen in Oberhof: Da hatten die Organisatoren Laura Dahlmeier aufs Veranstaltungsheft gedruckt, doch dann kam sie nicht zu den ersten beiden Rennen. "Ich weiß aus den vergangenen Jahren, dass mir so eine Pause guttut und ich mit meinen Kräften haushalten muss, wenn ich gesund durch die Saison kommen will", sagte sie und reiste erst zum Massenstart an - den sie prompt auf Platz zwei beendete. Auf ihren Körper zu hören, ist tatsächlich eine Errungenschaft, die mit ihrem Erfolg zusammenhängt. Kaum ein Biathlet kommt ohne Erkältung durch die Saison, auch Dahlmeier hatten in der Vergangenheit immer mal Infekte geplagt. Außer in diesem Winter - ein gutes Timing.

Gefühl für die richtigen Pausen beweist sie auch am Schießstand: Wo andere den Kopf verlieren, die berühmte Nähmaschine den Körper durchschüttelt wie ein Cocktailglas, setzt Dahlmeier das Gewehr auch schon mal ab, wenn es sein muss, schnauft noch mal durch und feuert dann erst den letzten Schuss ab. Gedankenloses Ballern gibt es bei ihr nicht.

Vierter Grund: Dahlmeier kann sich richtig quälen

Im Sommer vor drei Jahren verletzte sich Dahlmeier beim Klettern, sie stürzte ein paar Meter in die Tiefe und zog sich einen Bänderriss im Fuß zu - ihre zweite Leidenschaft birgt auch gewisse Risiken. Doch Verbieten ist zwecklos und Bundestrainer Gerald Hönig ist sich ohnehin sicher: "Ihr Hobby kommt dem Biathlon entgegen. Koordinativ, physisch und bei der Schnellkraft." Wer sie so manchen Anstieg auf Skiern hinaufhüpfen sieht, hat daran keinen Zweifel. Konditionell profitiert sie enorm, aber auch in Sachen Kampfgeist: Die Schlussrunde ist ihre große Stärke, etliche Sekunden hat sie da schon gutmachen und Rennen noch für sich entscheiden können. "Da kann sie rennen wie ein Pferd", sagte Koukalova nach dem Sprint in Hochfilzen. Dahlmeier nahm das Kompliment dankend an.

Fünfter Grund: Sie kann ihre Erfolge genießen

Wer Dahlmeier bei dieser WM beobachtet, der bekommt nicht den Eindruck einer getriebenen Athletin. 19 Minuten dauerte der Sprint in Hochfilzen, mehr als doppelt so lange das Prozedere danach: von Kamera zu Kamera sausen, Siegerehrung, Pressekonferenz, Interviews. So lief das bisher nach jedem Rennen und Dahlmeier zeigte ehrliche Freude. "Ich versuche einfach, alles zu genießen", sagt sie und strahlt das auch aus. Als sie nach dem gewonnenen Einzelwettkampf wieder zu Kräften gekommen war, machte sie auch kein Geheimnis daraus, wo sie gerade am liebsten wäre: "Im Bett, ich bin so k. o." Dahlmeier bleibt sich selber treu, was sie auch schon zu Beginn der WM klargemacht hatte: Bilder von daheim auf der Couch wird es von ihr nie geben. Privatsphäre ist Privatsphäre und Sport ist Sport. Um eine gesunde Einstellung muss man sich bei ihr keine Sorgen machen.

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