Lowell Bailey bei der Biathlon-WM:WM-Gold statt Bisonfarm

Biathlon Weltmeisterschaft Hochfilzen

Kann es nicht fassen: Lowell Bailey gewinnt Gold.

(Foto: dpa)
  • Als letzter Starter holt der Amerikaner Lowell Bailey bei der Biathlon-WM Gold über 20 Kilometer im Einzel.
  • Er ist der erste Amerikaner überhaupt, der einen Biathlon-WM-Titel gewinnt.
  • Dabei hatte er eigentlich schon vor einem Jahr geplant, seine Karriere zu beenden.

Von Saskia Aleythe, Hochfilzen

Als Lowell Bailey über die Ziellinie glitt, hatte sich Martin Fourcade schon umgezogen und Nachrichten in die Heimat geschickt. Anton Schipulin war schon beim Regenerieren und vertrat sich in der Sonne die Beine. Lowell Bailey, Startnummer 100, rutschte also hinein in den Zielbereich, ein paar wenige Meter, dann schaute er zur Anzeige, die ihm das große Glück offenbarte.

Bailey, 35, blieb der Mund offen stehen, er ging jubelnd zu Boden, ein Betreuer mit ihm. Erster im Einzel der Biathlon-WM, Gold, Weltmeister. Das war - ganz ohne Übertreibung - eine Sensation.

Ein sechster und ein vierter Platz hier in Hochfilzen hatten schon darauf schließen lassen, dass Bailey ganz gut in Form ist, aber die Geschichte der Biathlon-WM ist nun schon 59 Jahre alt und einen Weltmeister aus den USA hatte es bis dahin genau wie oft gegeben? Kein einziges Mal. "Ich warte noch, dass mich jemand aufweckt", sagte Bailey bei der Pressekonferenz, kopfschüttelnd hatte er sich durch die Siegereherung gestrahlt, Frau und Töchterchen Ophelia mit aufs Podium genommen. "Ich kann gar nicht sagen, wie glücklich ich bin", sagte der Amerikaner, "weil sich heute all die Arbeit auszahlt, die ich und mein Umfeld in diesen Sport gesteckt haben." Vor einem Jahr wollte er seine Karriere schon beenden und eine Bison-Farm aufbauen. Es kam dann doch anders.

Bailey hatte Angst, nicht genügend Zeit für die Familie zu haben

Hochfilzen ist für Bailey ein besonderer Ort. Vor 17 Jahren war er zum ersten Mal in das Stadion in Tirol gekommen, damals zu den Junioren-Weltmeisterschaften. "Ich kenne die Strecke sehr gut", sagte Bailey und im Grunde habe er schon seit Mai 2016 gewusst, dass dieser 16. Februar 2017 sein Tag werden könnte. Damals fiel die Entscheidung, doch noch weiter zu machen mit dem Sport, trotz Familiengründung. "Meine Frau hat mich voll dabei unterschützt", sagt der Weltmeister, "ich hatte eher die größeren Bedenken, nicht genügend Zeit für die Familie aufbringen zu können". Er sollte ja Vater werden und wollte sich in die Erziehung voll einbringen: "Heute merke ich, wie toll es ist, meine Frau und meine Tochter in meinem Sport dabei zu haben."

Vier Mal hatte er alle Scheiben getroffen bei diesem Einzel über 20 Kilometer in Hochfilzen und sich dadurch überhaupt erst die Medaille ermöglicht. Er, der noch nie zuvor ein Weltcup-Rennen gewonnen hatte. Mit einem Vorsprung von 3,3 Sekunden auf den ebenfalls fehlerfreien Ondřej Moravec aus Tschechien ging er wieder auf die Strecke, doch das Polster schmolz. 1,1 Kilometer vor dem Ziel hatte er nur noch 0,1 Sekunden Vorsprung. "Die letzte Runde kam mir vor wie 40 Kilometer, nicht wie vier", sagte der Weltmeister später. Doch er rannte und siegte: "Ich dachte mir: Lass dir die Medaille nicht wegnehmen."

"Lowell hat es absolut verdient", sagt Fourcade

Martin Fourcade, der Unschlagbare, wurde am Donnerstag besiegt, auch weil er sich zwei Fehler leistete, am Ende reichte es trotzdem noch zu Bronze. Doch Fourcade war alles andere als enttäuscht. "Ich hätte mir heute keinen anderen Sieger wünschen können", sagte Fourcade, "Lowell hat es absolut verdient." Er und der Amerikaner kennen sich gut, sie sind beide jahrelang im Geschäft. Seine Leidenschaft für die Musik haben die Athleten der anderen Nationen längst mitbekommen, er musiziert manchmal ja auch auf den Weltcups. Er spielt Gitarre, viele Jahre auch Mandoline, sogar Alben hat er veröffentlicht, das letzte im Jahr 2003. "Musik ist mir sehr wichtig und eine guter Ausgleich zum Sport, es entspannt mich, Gitarre zu spielen", sagt Bailey, er schreibt seine eigenen Lieder. Seit einigen Wochen ist Bailey aber in andere Mission im Weltcup unterwegs gewesen: Als gewählter Athletensprecher, im Anti-Doping-Kampf. Genau wie Fourcade hat der Amerikaner zuletzt viel Energie darin investiert. "Ich verstehe das als meine Pflicht", sagte Bailey.

Amerika ist alles andere als eine Biathlon-Nation, hat in den vergangenen Jahren aber an Bedeutung gewonnen. "Ich hoffe natürlich, dass einige Nachwuchssportler sich von mir inspirieren lassen", meinte Bailey noch. Auf die Frage, ob Präsident Donald Trump die Gold-Medaille für Fake News halten könnte, antwortete er: "Ich denke, er hat gerade anderes zu tun. Aber ehrlich gesagt: Das ist mir egal." Konnte es ihm auch sein: Er hatte an diesem Tag Geschichte geschrieben.

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