Beschallungs-Skandal in Hoffenheim:Mit Ohrenschützern ins Stadion

Die Lautsprecher-Attacke in der Hoffenheimer Arena war mehr als ein satirereifes Bubenstück: Sie steht für die Kluft zwischen Traditions- und Retortenklubs. In der Diskussion um "Financial Fair Play" geht es auch um die künftige Verteilung von TV-Geldern. Traditionsklubs könnten profitieren - Hoffenheim eher nicht.

Freddie Röckenhaus

Über die selbstgebastelte Schall-Kanone von Hoffenheim amüsiert sich die Fußball-Nation. Mit Ausnahme einiger Dortmunder Fans, denen die Ohren noch pfeifen vom zweiten Bundesliga-Spieltag, von dieser Sound-Attacke im Kraichgau. Nach Hoffenheimer Darstellung war die Beschallung des Gästeblocks mit einem offenbar schmerzhaften, bis zu 130 Dezibel lauten Sirenenton, nur die "Einzelaktion" eines übermotivierten Hilfs-Hausmeisters.

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Die Dortmunder Fans schreiben ihre Antipathie nicht nur auf Schilder, sondern haben auch einen Brief an Dietmar Hopp verfasst.

(Foto: dpa)

Dieser wollte mit einer selbstgebastelten Apparatur die schon rituellen Schmähchöre der Dortmunder Fans gegen Hoffenheims Groß-Mäzen Dietmar Hopp abstrafen und unterbinden. Doch was im flüchtigen Blick als satirereifes Bubenstück erscheint, ist eher beispielhaft für das tiefe Rumoren unter den Fans von Traditionsklubs und sogenannten Retorten-Klubs.

Elf Strafanzeigen wegen Körperverletzung sind von Dortmunder Stadionbesuchern bei der Polizei in Heidelberg in der vergangenen Woche eingegangen. Die TSG Hoffenheim weist jede Schuld von sich, Mäzen Hopp, derzeit im Urlaub in Südfrankreich, bedauert den Vorfall pflichtgemäß, lässt aber klammheimliche Freude an der Aktion durchblicken; gegen jene Fans aus der Bundesliga, die ihn seit Hoffenheims Aufstieg vor drei Jahren wütend als "Hurensohn" beleidigen.

Im Kontrast dazu fordert Dortmunds Trainer Jürgen Klopp demonstrativ Sanktionen gegen die TSG: "Da habe ich schon für weit unbedeutendere Vergehen saftige Geldstrafen bekommen."

Nicht nur Dortmunds Fans sehen Hopp, den Milliardär und Mitbegründer des Software-Konzerns SAP, als Sinnbild für Klubs, die sich nicht aus vermeintlich eigener Kraft finanzieren. Denen zudem die große emotionale Verankerung in der Bevölkerung fehlt, die aber über Sugar-Daddys verfügen, die für die Stadionmiete und/oder die Stargehälter aufkommen.

Bei einer per Indiskretion bekannt gewordenen Auswertung der tatsächlichen Zuschauerzahlen beim Pay-TV-Kanal Sky hatte sich erwiesen, dass der FC Bayern, Dortmund oder Schalke die eindeutigen Zuschauer-Magneten waren, mäßig erfolgreiche Vereine wie Kaiserslautern, St. Pauli oder Mönchengladbach aber dramatisch mehr Zuschauer hatten als die drei Schlusslichter der Zugkraft: Die Werksklubs Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg (Volkswagen) sowie Dietmar Hopps Hoffenheim.

Dortmunds Vorstandschef Hans-Joachim Watzke, der den Interessenkonflikt mit Hopp und den Werksklubs aus Wolfsburg und Leverkusen vor zwei Jahren auf einer BVB-Mitgliederversammlung eröffnet hatte, hat der Deutschen Fußball Liga (DFL) gerade ein neues Verteilungsmodell für die Fernseh-Einnahmen der vorgelegt. "Das Modell orientiert sich an der holländischen Zentralvermarktung", sagt Watzke, "es verteilt die Fernsehgelder nicht mehr nur nach einem Erfolgsschlüssel, sondern - zu fünfzig Prozent - auch nach einem Markenschlüssel."

Klubs, deren "Markenwert", also deren Attraktivität bei den Fans hoch ist, sollen mehr Fernsehgelder erhalten als Klubs, die wenig Erdung im Volk haben. In den Niederlanden gibt es für die Messung der Attraktivität eine Matrix mit etwa 20 Komponenten. Ein Marktforschungsinstitut berechnet dort nach wissenschaftlichen Methoden, welche Marke mehr Attraktivität hat: Ajax Amsterdam oder Vitesse Arnheim?

"Auch bei uns könnte das ein anerkanntes Institut ermitteln", so Watzke, "zum Beispiel die GfK, die auch die Fernsehquoten bereitstellt. Man kann für jede Marke, egal ob Waschpulver oder Schokoriegel, eine Markenstärke ermitteln." Zuschauer- sowie Merchandising-Zahlen und natürlich die Fernseh-Einschaltquoten sollen dazu herangezogen werden.

De facto würden dabei Werksklubs, die wenig Ausstrahlung, aber einen spendablen Finanzier haben, etwas weniger bekommen. Dortmund würde bei beiden Modellen etwa gleich viel von der DFL erhalten. "Alle Klubs", sagt Watzke, "die sportlich erfolgreich sind und eine riesige Fanbasis haben, wie zum Beispiel der FC Bayern, haben bei diesem Modell keine Nachteile. Vorteile haben namhafte, beliebte Klubs, die aber keine guten Tabellenplätze erreichen."

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