Béla Réthy vor dem U-21-Finale:"Wie bei den Bundesjugendspielen"

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ZDF-Kommentator Béla Réthy über die Faszination der U-21-Fußball-EM aus Sicht des Fernsehens und Unterschiede zu den Turnieren der "Großen".

Merlin Scholz

Béla Réthy war als Kommentator für das ZDF bei acht großen Fußballturnieren dabei. Seine Stimme ist untrennbar verbunden mit Oliver Bierhoffs legendärem Golden Goal im EM-Finale 1996. Bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr sorgte der 52-Jährige für Aufsehen, als er während eines Bildausfalls im Halbfinale zwischen Deutschland und der Türkei kurzerhand in die Rolle eines Radio-Reporters schlüpfte. In diesem Jahr sitzt er das erste Mal in seiner Laufbahn bei einem U-21-Turnier am Mikrofon und kommentiert heute Abend von 20:45 Uhr an das Endspiel zwischen England und Deutschland.

"Manuel Neuer ist ein Kandidat für die Nummer Eins der A-Nationalmannschaft." Béla Réthy glaubt, dass einige der U-21-Spieler den Sprung zur WM 2010 in Südafrika schaffen. (Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Herr Réthy, nach 13 Jahren könnten Sie heute Abend wieder den EM-Gewinn einer deutschen Fußballnationalmannschaft kommentieren. Kribbelt es bei Ihnen ähnlich wie damals in Wembley, als Oliver Bierhoff das Golden Goal schoss?

Béla Rethy ( lacht): Na ja, genau wie bei Herrn Bierhoff, der mittlerweile Funktionär und Manager ist, hat sich auch bei mir als Kommentator in den letzten 13 Jahren einiges getan. Das war ja damals mein zweites Turnier und mein erstes Endspiel überhaupt. Heute Abend gehe ich natürlich gelassener in das Spiel. Dennoch bin ich gespannt auf die U 21, denn so ein Juniorenturnier habe ich vorher auch noch nie gemacht.

sueddeutsche.de: Gibt es Unterschiede in ihrer persönlichen Vorbereitung? Nehmen Sie das Spiel genau so ernst wie eines der A-Nationalmannschaft?

Réthy: Die Vorbereitung ist identisch, wenn nicht sogar ein bisschen intensiver, weil ich es hier mit Fußballern zu tun bekomme, die ich teilweise gar nicht kannte. Da muss ich mir dann vor den obligatorischen Hintergrundinfos erst einmal die Namen als solche einprägen. Einem Spieler vom Format eines Cristiano Ronaldo oder Wayne Rooney begegnen Sie hier natürlich nicht.

sueddeutsche.de: Auch wenn die Spieler noch keine Weltstars sind, verbucht das ZDF mit der U-21-EM bisher eine Millionenquote. Weshalb sind die Junioren bei den Zuschauern so beliebt?

Réthy: Anscheinend treffen die Junioren genau den Nerv der Zuschauer, die sich auch in der Sommerpause über jungen, erfrischenden Fußball freuen.

"Jérôme Boateng würde ich Jogi Löw fast bedenkenlos empfehlen"

sueddeutsche.de: Mit Verlaub: Jung und erfrischend war das Spiel der deutschen Mannschaft bisher nicht. Das sah über weite Strecken eher nach abgeklärtem Ergebnisfußball aus.

Réthy: Das mag sein, aber die Zuschauer schauen auch deshalb zu, weil auf dem Platz viele Jungs stehen, die man aus der Bundesliga schon kennt. Mit Özil, Neuer oder Dejagah spielen seit längerem mal wieder welche in der Juniorennationalmannschaft, die den Sprung in ihren Vereinen schon geschafft haben. Darin liegt natürlich auch der Reiz für mich als Reporter der A-Nationalmannschaft.

sueddeutsche.de: Inwiefern?

Réthy: Ein Jahr vor der Weltmeisterschaft ist es sehr interessant, den europäischen Nachwuchs näher unter die Lupe zu nehmen. In Schweden sind jetzt einige Spieler dabei, die wir ganz sicher auch in Südafrika wiedersehen werden.

sueddeutsche.de: Mit welchen Spielern rechnen Sie konkret aus deutscher Sicht?

Réthy: Jérôme Boateng würde ich Jogi Löw fast schon bedenkenlos als Partner von Per Mertesacker für die Innenverteidigung empfehlen. Und natürlich Manuel Neuer. Ich hätte nie gedacht, dass er noch so intensiv in den Wettstreit um die Nummer Eins eingreifen würde, weil sich Löw und Andy Köpke ja schon auf Robert Enke, René Adler und Tim Wiese festgelegt hatten. Nach Neuers beeindruckenden Leistungen hier bei der U-21-EM müssen die Karten eigentlich komplett neu gemischt werden. Auch Höwedes und Khedira muss man im nächsten Jahr auf dem Zettel haben.

sueddeutsche.de: Aber mal ehrlich: Haben Sie trotz des prominenten deutschen Kaders damit gerechnet, dass sie mehrere Millionen Zuschauer haben würden?

Réthy: Es gab unter den ZDF-Kollegen natürlich auch Skeptiker, die bezweifelt haben, dass die U-21 die große Zugnummer ist, aber ich war da von Anfang an recht zuversichtlich - nicht nur wegen der Mannschaft, sondern auch weil die Spiele an Tagen stattfinden, an dem im Fernsehprogramm kein so großer Konkurrenzkampf herrscht. Ein Endspieltermin am Montagabend ist natürlich eine willkommene Sache für uns.

sueddeutsche.de: Während die Einschaltquoten schon fast an die der A-Nationalmannschaft herankommen, sind die Zuschauerzahlen in den schwedischen Stadien nicht mit den großen Turnieren vergleichbar. Das Halbfinale zwischen Deutschland und Italien sahen nur 8000 Fans vor Ort. Fällt es Ihnen als Kommentator da nicht schwer, richtig Atmosphäre in die Wohnzimmer zu transportieren?

Réthy: Das ist schon sehr kurios, wenn ich von der Tribüne aus plötzlich die Zurufe der Trainer von der Bank und auch der Spieler untereinander auf dem Platz verstehen kann. Das Flair ist manchmal wie bei den Bundesjugendspielen. Heute Abend beim Finale rechnen wir aber mit 22.000 Zuschauern, so dass auch auf den Rängen Endspielatmosphäre herrschen sollte.

"Die U 21 hat das Potential, eine eigene Marke zu werden"

sueddeutsche.de: Welche Zahlen erhoffen Sie sich bei der Einschaltquote heute Abend?

Réthy: Ich rechne mit knapp sieben Millionen Zuschauern vor den Bildschirmen. Das wäre eine sensationelle Zahl für die U 21.

sueddeutsche.de: Wie ist denn das Verhältnis zwischen den jungen Spielern und den Medienvertretern? Die "Großen" sind ja oft von einer ganzen Entourage an PR-Beratern umgeben.

Réthy: Ob Berater in Schweden dabei sind, weiß ich nicht. Aber die tägliche Medienarbeit wird hier vom DFB sehr professionell organisiert, vergleichbar mit der A-Nationalmannschaft. Auch bei der U-21 geht kein Journalist zu einem Spieler und sagt "Junge, lass uns doch mal schnell ein Interview machen." Das ist alles schon sehr strukturiert und abgebrüht hier.

sueddeutsche.de: Werden sich die Öffentlich-Rechtlichen nach diesem Erfolg jetzt verstärkt dem Jugendfußball widmen? In der Vergangenheit lief die U 21 ja zumeist bei den Privaten.

Réthy: Die U 21 ganz sicher, die hat das Potential dazu, eine eigene Marke zu werden. Dass man auch jüngere Jahrgänge wie die U 17 oder U 19 in unserer Programmstruktur unterbekommen würde, glaube ich aber nicht.

sueddeutsche.de: Letzte Frage: Ihr Tipp für heute Abend? Ein Golden Goal wie 1996 sieht das Regelwerk mittlerweile ja nicht mehr vor.

Réthy: Es wird auf jeden Fall eine ähnliche Zitterpartie wie im Halbfinale gegen die Italiener. Aber am Ende gewinnen die Deutschen im Elfmeterschießen - wie immer gegen die Engländer.

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