FC Bayern gegen Ajax:Bayern lullt sich selbst ein

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Hat den Ball: Ajax-Torhüter Andre Onana vor Franck Ribéry. (Foto: REUTERS)
  • Der FC Bayern muss sich gegen Ajax im zweiten Gruppenspiel der Champions League mit einem 1:1 begnügen.
  • Mats Hummels gelingt die Führung, doch die Holländer können sofort ausgleichen.

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Ein letztes Mal schaute Thomas Müller dem Ball hinterher, einmal, zumindest einmal musste er doch in dieses verfluchte Tor fliegen, spätestens jetzt, da nur noch vier Minuten zu spielen waren. Müller sah, dass der Ball hoch flog, er sah, dass es knapp werden könnte. Dann sah er, dass der Ball über die Latte hinweg flog. Müller landete unsanft auf Knien und Handflächen, nur langsam richtete er sich wieder auf. Schwerfällig trabte er los. Dann reckte er den rechten Daumen nach oben.

Es war ein einsamer Daumen in der Münchner Nacht. Gesten der Zufriedenheit waren ansonsten zu dieser Stunde nicht zu erkennen, zumindest nicht von den Spielern des FC Bayern.

1:1 (1:1) spielte die Mannschaft am Dienstagabend in der Champions League gegen Ajax Amsterdam. Es war ein Abend, an dem nicht viel funktionierte beim FC Bayern, an dem es an Tempo fehlte, an Spielwitz, teilweise sogar an Geschicklichkeit. Die Mannschaft war als Favorit in diese Partie gegangen, sie hatte auch zahlreiche Möglichkeiten. Und doch konnte sie am Ende glücklich sein, dass es wenigstens bei diesem Unentschieden geblieben war.

Zwei Spiele hatte der FC Bayern in der vergangenen Woche nicht gewonnen, erstmals seit einem knappen Jahr wieder; durch das 1:1 gegen Augsburg sowie das 0:2 in Berlin hatte die Mannschaft die Tabellenführung an Borussia Dortmund abgegeben. Dennoch mahnte Trainer Niko Kovac demonstrativ zur Gelassenheit, die zwei sieglosen Partien reduzierte er im Wesentlichen auf einen Analysepunkt: dass seine Spieler zu viele Torchancen ungenutzt lassen, dass sie zu selten den direkten Abschluss suchen. Es war eine Analyse, die auch nach diesem Dienstagabend in der Champions League gegen Ajax Amsterdam weiterhin ihre Gültigkeit behält. Und die doch zu kurz greift.

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Schon nach drei Minuten hatte der FC Bayern zwei ordentliche Torgelegenheiten gehabt, beide blieben ungenutzt. Nach einer feinen Kombination traf Franck Ribéry das Außennetz (2.), einen Distanzschuss von Arjen Robben wehrte Ajax-Torwart Andre Onana zur Ecke ab (3.). Der Eckball brachte auch nichts ein, aber wenige Sekunden später schlug Robben eine Flanke in den Strafraum hinein, auf den Kopf des vereinsamten Mats Hummels, die Führung (4.). Drei Chancen, ein Tor, eine annehmbare Chancenverwertung.

Eine knappe Viertelstunde lang sah es nun so aus, als ob es ein gemütlicher Abend für den FC Bayern werden würde. Ajax war in der Mitte offen, die Angreifer der Gäste standen riskant weit vorne, zwischen Offensive und Defensive klaffte eine riesige Lücke. Und in diese stieß der FC Bayern immer wieder hinein. Die Chancenverwertung blieb annehmbar, was vor allem daran lag, dass keine Chancen da waren, die jemand hätte verwerten können. In der 19. Minute versuchte es Thomas Müller mit einem laschen Schuss, direkt auf Onana. Und irgendwie stand dieses Schüsschen für die allgemeine Auffassung des FC Bayern über diesen Abend. Die Mannschaft spielte tatsächlich wie eine, die sich auf einen gemütlichen Abend einstellt. Sie täuschte sich gewaltig.

Die Ajax-Offensivspieler, die so riskant weit vorne standen, provozierten die FCB-Verteidiger ab Mitte der ersten Halbzeit immer häufiger zu Fehlern. Überall waren die Ajax-Angreifer. Und die Münchner Verteidiger zwischendurch nirgendwo. In der 20. Minute konnte Torwart Manuel Neuer noch einen Distanzschuss von Hakim Ziyech zur Ecke abwehren. Zwei Minuten später war er dennoch geschlagen.

In einem Tempo, das eher dem eines gemütlichen Feiertagsspaziergangs glich, trabte die gesamte FCB-Defensive ihren Gegenspielern und dem Ball hinterher. Nicolás Mazraoui war schneller als Javier Martínez, Jérôme Boateng drehte sich aus der Flugbahn des von Dusan Tadic geschlagenen Balles heraus, und dann rannte Mazraoui David Alaba davon. Ein platzierter Schuss, Neuer war chancenlos.

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Es begannen nun die schlechtesten Minuten des FC Bayern in den ersten Wochen unter Niko Kovac. Das Team wirkte wie geschockt durch diesen Ausgleich. Gerade die Innenverteidiger Boateng und Hummels leisteten sich zahlreiche Ungenauigkeiten. Alaba rannte noch das eine oder andere weitere Mal dem Ball hinterher. Und die riesige Lücke, die klaffte nun mitunter im Spiel des FC Bayern. Das Ironische war, dass dennoch Kovac' Theorie weiterhin Bestand hatte.

Denn Ajax hatte nur eine wirklich gute Möglichkeit, als Neuer einen Distanzschuss von Ziyech parierte (44.). Auf der anderen Seite dagegen klärte Onana mit dem Fuß vor Robert Lewandowski (29.). Martínez verfehlte mit einem Schuss das Tor knapp (32.) und mit einem Kopfball nicht mehr ganz so knapp (37.). Sechs Minuten später kam noch einmal Hummels zum Kopfball, doch dieses Mal flog der Ball weit vorbei.

Die zweite Halbzeit fing damit an, dass alles noch konfuser wurde. In der 47. Minute flankte David Neres, und kurz vor Neuer war Tadic selbst überrascht, dass der Ball zu ihm gekommen war. Der Ball hüpfte ihm vom Fuß weg. Zwei Minuten später passte Tadic gezielt zu Nicolás Tagliafico - Neuer parierte im Nachfassen. Ajax war weiterhin ein ungemütlicher Gegner, in jeder Offensivaktion steckte für den FC Bayern die Gefahr, nun flink überrannt zu werden.

Einmal musste Neuer weit aus seinem Strafraum rennen (56.), einmal klärte Thiago mit einer Grätsche kurz vor dem Fünfmeterraum (59.). In der 72. Minute stand Donny van de Beek alleine vor Neuer, er rutschte in den Ball hinein, und dieser rauschte knapp am Tor vorbei. In der Nachspielzeit traf Lasse Schöne mit einem Freistoß sogar noch die Latte. Defensiv wirkte der Gastgeber alles andere als sicher.

So gefährlich Ajax am gegnerischen Strafraum war, so anfällig waren die Gäste jedoch am eigenen Sechzehner. Weiterhin ließen sie dort großzügige Lücken, in die der FC Bayern sich auch häufig hinein kombinierte. Allerdings fehlte jedoch weiterhin: eine bessere Quote in der Chancenverwertung. Müller schoss in Rückenlage über das Tor (53.). Eine flache Hereingabe von Alaba rutschte zwischen allen Beinen unberührt hindurch (54.). Thiago schoss knapp am Pfosten vorbei (67.). Der starke, aber erst spät eingewechselte James scheiterte am glänzend reagierenden Onana (72.). Der Kopfball von Müller flog über die Latte (86.).

Doch all diese vergebenen Chancen waren an diesem Abend nicht der Grund für den nächsten Punktverlust. Sie waren das Ergebnis vieler kleiner und nicht ganz so kleiner Unstimmigkeiten im Spiel des FC Bayern.

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