Bayern gegen Leipzig:Leipzig ist vorerst nur auf Schulterhöhe

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Gefällt: Emil Forsberg gegen Philipp Lahm. Der Schwede sah danach die rote Karte. (Foto: Werner Eifried/GES)
  • Der bisher famos aufspielende Aufsteiger ist chancenlos beim FC Bayern.
  • Die Leipziger stellen sich nun die Frage: Welches Saisonziel ist angemessen, wenn die Münchner zu stark sind?
  • Der mögliche Kauf des Zentralstadions zeigt aber nur einen Tag nach dem 0:3, wo die Reise beim Fußballprojekt hingehen soll.

Von Sebastian Fischer, München

Wenn Profifußballer von Sorgen reden, sollten Zuhörer skeptisch sein. Marcel Halstenberg zum Beispiel kann traurig schauen, wenn er nach Niederlagen über seinen Beruf sprechen muss. Aber wenn der Verteidiger von RB Leipzig wie in München dabei ein ledernes Luxus-Handtäschchen unter den Arm klemmt und nebenbei erwähnt, welches entlegene Feriendomizil er demnächst anfliegen wird, dann verfestigt sich der Eindruck: Marcel Halstenberg, 25, wird schon ganz gut klarkommen im Leben. Und doch ging es um Sorgen, als sich RB Leipzig nun in den Weihnachtsurlaub verabschiedete.

Was kann Leipzig nach elf Siegen in 16 Spielen in den verbleibenden 18 Spielen erreichen? Oder muss der Aufsteiger jetzt etwas erreichen? Das waren die Fragen des Mittwochabends, der Leipziger Sportdirektor Ralf Rangnick fand mindestens die zweite nach dem 0:3 beim FC Bayern anmaßend. "Wir wollen eine sorgenfreie Saison spielen", sagte er, nach eigenen Angaben zum siebten Mal. Rangnick schaute böse, was eine weitere Frage aufwarf: Leipziger Sorgen, was ist das eigentlich genau?

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Vor dem Spiel in München hatte die Schweizer Zeitung Blick Rangnicks Chef zitiert, den Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz. Angeblich habe der gesagt: "Wir wissen ja, dass vier die Champions League und zwei die Europa League erreichen - das ist das Minimalziel."

Und dann kam dieses Nulldrei, das den zuvor bisher nur einmal von Ingolstadt geschlagenen Leipzigern erstmals so richtig ihre Grenzen aufzeigte.

Trainer Hasenhüttl nennt das Spiel "eine Lehrstunde"

Anscheinend hatte Trainer Ralph Hasenhüttl im Teamkreis nach dem Abpfiff die Lesart der Niederlage vorgegeben: Heute chancenlos gewesen, egal, alles gut. Denn so wiederholten es alle Spieler, ihre Beobachtungen unterschieden sich nur in Nuancen. Halstenberg lobte "sehr viel Erfahrung und sehr viel Ruhe" im Spiel der Bayern; Eigenschaften, die den jungen Leipzigern noch fehlen.

Und Stürmer Yussuf Poulsen spekulierte, dass zu wenig Kraft ein Problem gewesen sein könnte, warum die Leipziger immer zu spät kamen, wenn sie die ballführenden Münchner angriffen, und warum sie das Spiel schon nach 25 Minuten, nach dem 0:2, hatten aufgeben müssen. Es sei die Lehre der Hinrunde, sagte er, "dass wir gegen alle Mannschaften auf Augenhöhe sind, außer gegen die Bayern, aber das müssen wir auch nicht".

Was den Leipzigern noch zu Mannschaften wie dem FC Bayern fehlt, das war im 16. Saisonspiel anhand des stärksten Leipzigers der 15 vorangegangenen Spiele zu sehen. Der Schwede Emil Forsberg, bester Tor-Vorbereiter der Liga, feiner Passgeber und Ballstreichler, fand, auch weil sein Hintermann und Räumeschaffer Naby Keita nicht bei bester Gesundheit war, nicht ein einziges Mal Gelegenheit zum Ballstreicheln.

Nach einer halben Stunde grätschte er Philipp Lahm stattdessen derart plump von hinten in die Beine, dass ihm zwar niemand Bösartigkeit unterstellen konnte, aber dafür reichlich Naivität. Schiedsrichter Felix Zwayer zeigte ihm die rote Karte. Trainer Hasenhüttl nannte das Spiel "eine Lehrstunde", doch mit dem Rekordmeister nur auf Schulterhöhe zu sein, das wollten sich die Leipziger nicht vorwerfen lassen.

Man konnte es höchstens den einen oder anderen am Rande raunen, aber nicht in Mikrofone sprechen hören, dass das Spiel im Grunde schon vor dem Anpfiff verloren gegangen war. Vielleicht war es ein wenig zu viel des Hypes gewesen. Vielleicht hatten die forschen Ansagen aus dem eigenen Lager so sehr den Münchner Ehrgeiz angestachelt, dass dies den Meister zur besten Saisonleistung trieb.

Wie der FC Bayern aufgetreten war, dazu hatte Ralf Rangnick eine interessante Idee: "In der ersten Halbzeit haben die Bayern mit unseren Waffen geglänzt" - was vor allem für das Tor zum 2:0 galt, als die Bayern das Leipziger Aufbauspiel im Keim erstickten und dann in Überzahl die RB-Abwehr auskonterten. Leipzig will auch in Zukunft selbst so spielen: "Ich kann versprechen, dass wir mit einer ähnlichen Herangehensweise versuchen werden, genauso viele Punkte zu holen", sagte Hasenhüttl über die Rückrunde. Sie sind eben schon sehr von sich überzeugt bei RB, auch das steckte ja in Rangnicks Interpretation.

Denn das Copyright auf die Siegerwaffen zu beanspruchen, wie es der RB-Sportchef tat, war eben kein Eingeständnis, dass es die bayerische Stärke gewesen war, die das Topspiel entschieden hatte. Rangnick ist in diesen Tagen ja auch oft auf das Jahr 2008 angesprochen worden, was ihn übrigens auch genervt hat. Damals überraschte er als Trainer mit Hoffenheim die Liga, verlor im Dezember in München - und danach immer häufiger. Vielleicht ist es am Ende einzig ihre Sorglosigkeit, die den Leipzigern zum Verhängnis werden kann. Aber wirkliche Sorgen? Hat Leipzig nicht.

RB hat in der ersten Bundesliga-Hinrunde in der Geschichte des Leipziger Fußballprojekts oft herausragenden Rasenballsport gezeigt, hat junges, wildes Pressing gespielt, wie es schlaue Marketingexperten gemalt hätten, wenn sie auch schlaue Fußballexperten wären.

Am Donnerstag folgte die nächste Meldung, die Leipzigs Ambitionen unterstrich: RB hat die Verhandlungen mit dem Vorbesitzer über den Kauf des Zentralstadions gewonnen, dort sollen Heimspiele bald vor 57 000 statt 42 599 Zuschauern stattfinden. Denn wenn Leipzig auf Bayerns Augenhöhe angekommen ist, sollen mehr Leute zusehen.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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