Leverkusens Sieg gegen Bayern:"Ich habe Sven da ausgetrickst"

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Trifft mit allen Tricks: Leon Bailey. (Foto: dpa)
  • Leverkusen besiegt die Bayern auf höchster Effizienz-Stufe: Für drei Treffer braucht das Team gerade mal vier Schüsse aufs Tor.
  • Grund für den ungewöhnlichen Verlauf des Spiels war auch ein taktischer Eingriff von Peter Bosz - der jedoch nicht ganz freiwillig geschah.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Manchmal muss man zu seinem Glück gezwungen werden, aber selten geschieht das so wie bei Peter Bosz am Samstag. Es lief die Nachspielzeit der ersten Halbzeit, soeben war sein neuer Klub in Rückstand geraten, und nun signalisierte Leverkusens medizinische Abteilung auch noch, dass Kai Havertz wegen einer Verletzung an der Hüfte ausgewechselt werden müsse. Havertz mag erst 19 Jahre alt sein, gilt als Denker und Lenker seines Vereins aber schon jetzt als unersetzbar. Sein Trainer wäre gerne anders vorgegangen, aber das Personal ließ ihm keine andere Chance, als sein geliebtes 4-3-3- System zu modifizieren, "weil wir keinen weiteren Achter auf der Bank haben". Es war der taktische Eingriff, der das Spiel zugunsten von Bayer 04 veränderte.

Nach dem Wechsel spielte die Werkself mit zwei Sechsern (Aránguiz, Baumgartlinger), fortan hatte sie die Absicherung für ihren Sturm und Drang und bekam endlich den Zugriff, um die Dominanz der Gäste zu brechen. "Baumi hat das super gemacht, er war wichtig für die Balance", sagte Bosz.

Niko Kovac
:Manche Dinge lassen sich nicht weglächeln

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Von Milan Pavlovic

Bayern-Coach Niko Kovac, der als Trainer gerade zum vierten Mal im vierten Versuch in Leverkusen verloren hatte, analysierte: "Wir mussten versuchen durchzudecken - aber es besteht auch die Gefahr, wenn du zu spät durchdeckst bzw. wenn du zu viel durchdeckst, dass dann Räume entstehen, die Leverkusen gerade in den Zwischenräumen zwischen den Ketten sehr gut ausnützen kann. Es ist ein schmaler Grat: Rückst du raus, rückst du nicht raus ..." Das Fazit dieser Fachsimpelei war einfach: "Ich glaube schon, dass uns das besser gefallen hätte", gab Kovac lächelnd zu verstehen, "wenn der Baumgartlinger nicht gekommen wäre."

Was Peter Bosz in der Halbzeit sagte

In der ersten Halbzeit hatte Leverkusen nicht eine wirklich gefährliche Torszene gehabt - nachdem der Werksklub in den beiden vorangegangenen Rückrundenpartien jeweils mehr als ein Dutzend herausgespielt hatte. Wäre dem Münchner Ersatztorwart Sven Ulreich in dieser Phase nicht ein Abschlag misslungen, hätte vor der Pause kaum jemand bemerkt, dass Manuel Neuer im Tor fehlte. Die Überlegenheit der Gäste hatte zwar vor allem mit ihrer eigenen Leistung zu tun, aber die Leverkusener fanden auch einfach keine Mittel, den Elan und die Ballgier ihrer jungen Wilden sinnvoll einzusetzen. Die Münchner schauten sich das Treiben eine Viertelstunde lang an, dann machten sie die Lücken aus und ließen Leverkusen ins Leere pressen.

Das änderte sich erst mit Wiederbeginn, und das hatte auch mit Peter Bosz zu tun. Der Trainer hatte in der Kabine verstärkt darauf hingewiesen, dass es bloß 0:1 stand, weil ein zweites Münchner Tor annulliert wurde, da Robert Lewandowskis Kniescheibe im Abseits war. Bosz beharrte: Es sei nun enorm wichtig, den Kopf oben zu tragen und an sich zu glauben. "Ich habe gesagt: ,Geht raus und versucht es!'", verriet der Trainer. Ob solche einfachen Worte angekommen wären, wenn der kurz vor Weihnachten geschasste Vorgänger Heiko Herrlich sie gesprochen hätte? In den "Flitterwochen", in denen sich der Niederländer Bosz derzeit wähnt, genügen solche Ansprachen manchmal schon.

Dennoch bedurfte es eines Anschiebers, um die Bayer-Lawine ins Rollen zu bringen. Und da passt es vortrefflich zur Ironie eines Trainerwechsels, dass plötzlich wieder klappt, was monatelang schief gegangen war: Leon Bailey traf nach 1016 Minuten ohne Treffer mit einem Freistoß aus satten 27 Metern, den der zuletzt so glücklose Jamaikaner zwar nicht mit höchstem Tempo, aber sehr verzinkt auf den Weg ins Torwarteck geschickt hatte. Ulreich machte einen Schritt in die falsche Ecke, der Schütze hielt sich das zugute: "Ich habe Sven da ausgetrickst", zitierte ihn die Bild am Sonntag: "Einmal habe ich gegen ihn schon in die andere Ecke getroffen (im April 2018, Anm.), also habe ich dieses Mal bewusst die andere Ecke gewählt."

Danach wurde das Spiel immer wilder, was Bayer genauso zu schätzen scheint wie Bosz, der lobte: "Meine Spieler haben sehr mutig gespielt." Auch, weil man sie gewähren ließ, wie die Münchner fanden: "Wenn wir so kompakt gespielt hätten wie in der ersten Halbzeit", analysierte Kovac, "hätte Leverkusen sicherlich nicht das Spiel spielen können, das sie spielen wollen. Wir haben ihnen in die Karten gespielt."

Dieses neu gemischte Blatt war plötzlich voller Trümpfe: "Wenn du vorne penetrant versuchst, Tore zu schießen, erzwingst du auch irgendwann mal Tore", erklärte Leverkusens Julian Brandt, 22. Und fügte hinzu: "Wenn du siehst, dass das, was wir jetzt die letzten vier Wochen gemacht haben, alles Früchte trägt, dann ist das natürlich ein extrem gutes Gefühl und bestätigt dich darin, so weiter zu machen."

Diesmal mit höchster Effizienz: Für drei Treffer brauchte Leverkusen gerade mal vier Schüsse aufs Tor. Zwei blitzsaubere Konter besiegelten das Ergebnis - wie es sich für die Ironie der Flitterwochen gehört, waren sie mit drei Fußnoten versehen: Mitchell Weiser, der in der Defensive oft nur die Hacken oder Haken von Kingsley Coman sah, gelang beim Bilderbuch-Angriff, der zum 2:1 führte, ein Bilderbuchpass. Der zuletzt verschmähte Stürmer Lucas Alario schloss den Konter zum 3:1 ab. Dieses Tor wiederum zählte nur, weil Vorlagengeber Julian Brandt zuvor seine Kniescheibe aus dem Abseits herausgehalten hatte.

© SZ vom 04.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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