Niko Kovac:Manche Dinge lassen sich nicht weglächeln

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Lächelt und lächelt und lächelt und wirkt doch gequält dabei: Bayern-Trainer Niko Kovac (Foto: AP)
  • Nach der 1:3-Niederlage des FC Bayern gegen Leverkusen hört der Münchner Trainer gar nicht mehr auf zu lächeln.
  • Es wirkt, als wolle er den Rest der Welt mit seiner freundlichen Fassade auf Distanz halten - doch das gelingt nur bedingt.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Wer am späten Samstagnachmittag nebenbei und ohne Ton herausfinden wollte, wie der FC Bayern in Leverkusen abgeschnitten hatte, der dürfte seine Schwierigkeiten gehabt haben, das am Gesicht von Niko Kovac abzulesen. Der Trainer des Serienmeisters lächelte so ausgiebig, dass man kaum glauben mochte, dass die Münchner soeben durch eine komplett unnötige 1:3 (1:0)-Niederlage - nach zuletzt sieben Liga-Siegen in Serie - einen empfindlichen Rückschlag im Meisterschaftskampf erlitten hatten.

Kovac lächelte, als er laut über den Spielverlauf nachdachte: "Das Ergebnis sagt nicht das aus, was auf dem Platz war. Wir hätten das Spiel nicht verlieren dürfen. Dieses Spiel hätte heute eher unentschieden ausgehen müssen." Er wusste aber selbst auch: "Du kannst es dir nicht erlauben, drei Gegentreffer zu kassieren und dann noch den Anspruch zu haben, in Leverkusen zu gewinnen. Nach vorne hat die Mannschaft sehr große Qualitäten, aber wir müssen nach hinten den Laden zumachen. Jeder weiß, dass die Meisterschaft hinten entschieden wird. Vorne werden nur die Spiele gewonnen."

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Kovac lächelte, als er über die beiden äußerst knappen Abseitsentscheidungen sprach, in denen jeweils Millimeter darüber entschieden, dass das vermeintliche 2:0 der Münchner durch Lewandowski Sekunden vor der Pause annulliert wurde, während das späte 3:1 für den Werksklub gewertet wurde. "Wie legt man das Lot?", fragte Kovac in die Runde. "Von der Seite ist das schon schwierig. Das war für mich eine entscheidende Szene. Wahrscheinlich ist ein Zentimetermaß rausgeholt worden. Das war jetzt Abseits. Wenn das Tor zählt, steht es 2:0 und dann passiert überhaupt nichts mehr, weil Leverkusen in der ersten Halbzeit überhaupt nicht stattgefunden hat. Jetzt legt man das Lot an die Schulter an. Das ist schon hart."

Kovac lächelte, als er einem Reporter auf die Frage antwortete, ob der Bayern-Trainer nicht einen zu kleinen Kader habe: "Sie sind nicht aus München. Deshalb kann ich Ihnen sagen: Je mehr Spieler ich habe, desto schwieriger wird's. Dann ist der unzufrieden, und dann ist der unzufrieden. Und so hat die Presselandschaft viele Ansprechpartner, die unzufrieden sind - und dann gibt's noch mehr Geschichten. Von daher ist's ganz gut so, wie wir im Moment aufgestellt sind."

Und Kovac lächelte selbst, als er erklären sollte, warum der an der Hand verletzte Manuel Neuer fehlte. "Wir hätten Manuel im Tor gehabt, wenn er gekonnt hätte, aber er hatte Schmerzen, und wenn er Schmerzen hat, gehen wir kein Risiko ein."

Die Bayern wirken erstaunt, dass der Gegner nicht die weiße Fahne hisst

Es hatte etwas Maskenhaftes, wie Kovac durch sein Lächeln versuchte, die Welt auf Distanz zu halten, während er freundlich und analytisch erklärte, was da schief gelaufen war. Das Problem ist: Niko Kovac ist in München nicht als luzider Analytiker angestellt, sondern als Trainer, der sein Team vorher auf Fallen vorbereiten soll, die der Gegner stellen könnte.

Zum dritten Mal im dritten Rückrundenspiel gerieten die Bayern nun vom rechten Weg ab. Beim 4:1 gegen Stuttgart nutzen die Münchner nach der frühen 1:0-Führung flugzeugträgergroße Freiflächen in der VfB-Hälfte nicht, und nach dem durch Schlampereien begünstigten 1:1 war tatsächlich der lange verschollene Bayern-Dusel notwendig, um die Partie in Richtung der Münchner zu kippen. In den beiden anspruchsvollen Auswärtsspielen gegen Hoffenheim (3:1) und Leverkusen folgten auf unwiderstehliche Darbietungen vor der Pause wacklige danach - als hätten die Münchner die drei Punkte schon abgehakt und wären erstaunt, dass der Gegner nicht die weiße Fahne hisst.

In Leverkusen kam eine verblüffend einfache taktische Komponente hinzu. Als Bayer-Lenker Kai Havertz kurz nach dem 0:1 kurz vor der Halbzeit wegen einer Hüftverletzung ausgewechselt wurde, wählte der neue Werksklub-Trainer Peter Bosz mit der Einwechslung von Julian Baumgartlinger eine defensivere Variante, mit zwei Sechsern statt zwei Achtern. Das tat er zwar nicht freiwillig und entsprach auch nicht dem Credo des niederländischen Offensivgeistes ("Wir hatten keinen weiteren Achter auf der Bank"), aber es war der Eingriff, der das Spiel drehte.

Leverkusen hatte nun die Absicherung für seinen Sturm und Drang und bekam endlich den Zugriff, um die Dominanz der Gäste zu brechen. "Wir mussten dementsprechend reagieren", erklärte Kovac, der als Trainer gerade zum vierten Mal im vierten Versuch in Leverkusen verloren hatte, "wir mussten versuchen, durchzudecken. Aber es besteht auch die Gefahr, wenn du zu spät durchdeckst oder wenn du zu viel durchdeckst, dann entstehen die Räume, die Leverkusen gerade in den Zwischenräumen zwischen den Ketten sehr gut ausnutzen kann. Es ist ein schmaler Grat: Rückst du raus, rückst du nicht raus ..."

Kovac legte nach: "Beim zweiten Tor hat man klipp und klar gesehen, was falsch gelaufen ist - nicht nur in dieser Aktion, sondern in einigen Szenen danach. Es gibt eine klare Zuordnung, und jeder muss mit seinem Gegenspieler mitlaufen. Man kann das nicht nur auf die Abwehr abwälzen... Wenn Mitchell Weiser vor dem 2:1 abgeht, dann müssen wir natürlich auch mitgehen. Wir dürfen dann nicht nach vorne verteidigen, wenn der Gegner mit Tempo kommt, dann müssen wir uns absetzen, das Zentrum verdichten. Das ist das, was uns in der zweiten Halbzeit nicht gelungen ist. Wir waren dann zu fahrlässig. Wenn wir so kompakt gespielt hätten wie in der ersten Halbzeit, hätte Leverkusen sicherlich nicht das Spiel spielen können, das sie spielen wollen. Wir haben ihnen in die Karten gespielt."

Sein relativ einfaches Fazit: "Ich glaube schon, dass uns das besser gefallen hätte, wenn der Baumgartlinger nicht gekommen wäre." Auch bei diesen Worten lächelte Niko Kovac. Er wirkte gequält.

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