Die Überschrift in der Bild hatte den Ton einer Verheißung, als ob Einsicht und Vernunft einen ersehnten Fortschritt ermöglicht hätten: "Erster Bundesliga-Trainer erlaubt Rauchen in der Kabine" lautete die Schlagzeile, nach der man sich logischerweise fragte, ob jetzt der zweite und dritte Bundesliga-Trainer ebenfalls gleich Aschenbecher in der Umkleide aufstellen.
In Wahrheit hat es schon (lange) vor Steffen Baumgart Trainer gegeben, die ihren Spielern den Tabak nicht verboten haben. Felix Magath etwa vertrat - wenn auch lieber in eingeweihten Kreisen als auf öffentlichen Gesundheitsforen - die Überzeugung, dass er das Rauchen sogar eigentlich empfehlen müsste, weil es im nervenzehrenden Leistungssport zur Entspannung beitrage. Er brauchte dafür keine Studien der Universität Oxford heranzuziehen, ihm genügte die eigene Erfahrung als Fußballer.
Baumgart jedoch hat keinen therapeutischen Ansatz vertreten, als er seinen Standpunkt schilderte. Lediglich das Verbot lehnt er ab, schließlich habe er es mit erwachsenen Menschen zu tun: "Wer rauchen will, soll rauchen", sagt er, wenngleich er dabei um ein Mindestmaß an Diskretion bittet: "Es wäre gut, wenn sie es nicht vor dem Bus machen würden."
Der Trainer des 1. FC Köln ist nicht nur ein liberaler, sondern auch ein ziemlich offenherziger Mensch. Im besagten Zeitungsgespräch erzählte er zudem, allem Anschein nach freiwillig, dass er sehr gern singt (meistens falsch), zur Entspannung Malt-Whiskey trinkt und seine seit 24 Jahren angetraute Frau Katja vor jedem Spiel aus der Kabine anzurufen pflegt. Dann sagt er: "Alles klar, mein Engel, ich lieb´ Dich."
All dies ist vielleicht ein bisschen mehr Privates, als ein Fußballtrainer mit dem Publikum teilen muss, aber auch das ist reine Privatsache. Die Leute beim FC, die Baumgart inzwischen etwas besser kennengelernt haben, versichern jedenfalls, dass der aus Rostock stammende, 49 Jahre alte Fußball-Lehrer grundsätzlich nah an seinen Überzeugungen bleibe, dass er der erwartet geradlinige Typ und, wie er ja oft kategorisiert wird, tatsächlich "authentisch" sei. Von seiner gelegentlich dröhnenden Lautstärke dürfe man sich nicht beeindrucken lassen, heißt es, und dass Baumgart - nicht unwichtig im limitierten Corona-Krisenbetrieb - "empfänglich für Argumente" sei.
Nach dem Verkauf von Bornauw und Jakobs droht der Abschied von Skhiri
Die Medien sieht der Trainer nicht als Problem, sondern als Teil des Berufes, zu dem auch eine gewisse Selbstdarstellung gehört. Anders etwa als Peter Stöger, einer seiner beliebtesten Vorgänger, verzichtet Baumgart jedoch auf folkloristische Annäherung ans rheinische Volk. Vom Kölner Karneval etwa, auf den sich Stöger quasi mit Dienstbeginn ganzjährig einrichtete, will er zurzeit ausdrücklich nichts wissen. Nicht aus norddeutscher Abwehrhaltung, sondern weil es August ist.
Beim Kölner Publikum kommt sein kraftvolles, lebendiges Auftreten gut an. Die Lage des FC, die zuletzt nicht nur wegen des Tabellenplatzes vorwiegend kritisch gesehen wurde, erscheint vielen Fans neuerdings in günstigerem Licht. Man glaubt, der neue Trainer werde die Mannschaft besser machen. Es soll sogar langjährige Führungsspieler geben, die aus der praktischen Kenntnis von Baumgarts Vorgängern das gleiche meinen.
Die Frage ist nur, ob eine Verstärkung auf der Trainerbank die Verluste auf dem Feld kompensiert. Aus finanziellen Gründen musste Köln seinen besten Abwehrspieler (Sebastiaan Bornauw) und einen U21-Europameister (Ismail Jakobs) verkaufen, weiterhin droht der Abschied von Mittelfeldspieler Ellyes Skhiri, der für die Balance des Teams womöglich noch wichtiger ist als Kapitän Jonas Hector, 31, und der ist bekanntlich bereits unersetzlich. Baumgart darf jedoch noch hoffen, dass ihm der Franko-Tunesier erhalten bleibt. Skhiri, 26, soll keinesfalls unter Wert abgegeben werden, 15 Millionen Euro erwartet der FC. Der Spieler verfolgt den Prozess um seinen Verbleib angeblich mit professioneller Gelassenheit.
Ein weiteres Transfergeschäft würde dem schwer belasteten Klubkonto guttun, Baumgart bekäme für seinen Kader davon nicht viel ab. Mit einer namhaften Verstärkung seiner bedenklich dünn besetzten Offensive rechnet er ohnehin nicht mehr, umso mehr strahlt er Zuversicht aus. Sein Aufbauprogramm für den ehemaligen Torjäger Anthony Modeste, 33, gleicht dem Versuch, ein Denkmal in Bewegung zu setzen. Beim knieverletzten Angreifer Sebastian Andersson, dem vermeintlichen Königstransfer der Vorsaison und Retter in der Relegation gegen Kiel, setzt Baumgart auf bescheidene Fortschritte ("Der Junge steht viel mehr auf dem Platz als letztes Jahr").
Während mancher Klubangehörige den Trainer zum bedeutendsten Hoffnungsträger erhebt, sieht dies der aus Paderborn gekommene Baumgart aus anderer Perspektive. Er betrachtet den Wechsel als Aufstieg, nicht nur, weil er jetzt wieder in der ersten Liga arbeitet. Der FC ist die Sorte Traditionsverein, der sich ein leidenschaftlicher Fußballer wie Baumgart verbunden fühlt. Vielleicht liegt es daran, dass er die Lage optimistischer einschätzt als sie im Klub gesehen wird: "Die Mannschaft hat eine ganze Menge an Waffen - Waffen, die wir vielleicht noch gar nicht so richtig entdeckt haben."