Basketball:Wrestling im Schlamm

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Erfolgreich in Berlin: Bayerns Deshaun Thomas (unten) und Albas Oscar Da Silva ringen unter dem Korb um den Ball. (Foto: Tilo Wiedensohler/imago images/camera4+)

Fünf Siege in Serie: Die Basketballer des FC Bayern gewinnen ihre Euroleague-Partie in Berlin und finden langsam ihren spielerischen Kompass. Unwägbarkeiten gibt es trotzdem noch viele, von der Krankenliste bis hin zu fehlenden Zuschauern.

Von Sebastian Winter

Andrea Trinchieri ist für seine blumige, bildhafte Sprache bekannt. Auch am Donnerstag, kurz nach dem 82:69 (37:36)-Auswärtssieg in der Basketball-Euroleague über den deutschen Meister Alba Berlin fand der Trainer des FC Bayern München eine schöne Metapher für das Spiel: "Es ist wie Wrestling im Schlamm. Du fühlst dich schwer und bist langsam. Aber wir haben einen Weg gefunden, in die Transition zu kommen und unsere Leute zu finden."

Wrestling also. Und die Transition. Die Bayern haben sich am Donnerstagabend in Berlin vor rund 4600 Zuschauern am Schluss leichter getan als Alba mit diesem Übergang von der Defensive in die Offensive, der möglichst flüssig sein soll. Sie hatten in Othello Hunter (13 Punkte, 8 Rebounds), Topscorer Darrun Hilliard (25 Punkte, 6 Rebounds) und Corey Walden (9 Punkte) "Schlüsselspieler, die uns einen Schub in der Offensive gegeben haben", wie Trinchieri fand, der dabei Nick Weiler-Babb (16 Punkte) ganz vergaß. Dessen Treffer und jene Waldens hatten die Bayern im letzten Viertel erst davonziehen lassen. Was Trinchieri an diesem Abend aber noch wichtiger war und ohnehin immer wichtiger ist: "Das war ein Teamerfolg, ein Sieg der Defensive."

Am Endergebnis lässt sich gar nicht so leicht ablesen, dass das Spiel lange Zeit auf Messers Schneide stand. 19:18 führten die Bayern nach dem ersten Viertel, 37:36 nach dem zweiten, 57:55 nach dem dritten. Nur 45 Stunden nach dem Sieg gegen Mailand errangen sie nun ihren dritten Euroleague-Erfolg in Serie - und den fünften Pflichtspielsieg am Stück. Das Spiel in Berlin zeigte zugleich, welch großes Potenzial in diesem Kader steckt. Gerade weil sich Führungsspieler wie Kapitän Nihad Djedovic (kein Punkt), Vladimir Lucic (3) oder der neue Dreipunktespezialist Andreas Obst (3) sehr zurückhielten - auch weil sie längst noch nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte sind. "Ich bin noch weit entfernt davon, fit zu sein, habe immer noch Probleme nach der Covid-Sache", sagte Lucic tags darauf.

Sehr zerbrechlich wirkte alles in den vergangenen ein, zwei Monaten im Bayern-Basketball-Kosmos - nicht nur wegen der Corona-Infektionen, die nun auch den Spielmacher Zan Mark Sisko betreffen, der bereits vor der Partie in Berlin vom restlichen Team isoliert wurde. Einige Spieler waren außerdem verletzt, die Vorbereitungsphase glich eher einem Seminar im Medizinstudium - mit fast täglichen, ärztlichen Bulletins des angespannt wirkenden Trinchieri. Als die Saison begann, fehlten die Fans in der Halle, wie woanders auch im Spitzensport. Das Vertrauen der Zuschauer, sich in Corona-Zeiten wieder in Arenen zu trauen, müssen sich auch die Bayern-Basketballer erst wieder erkämpfen - bislang war die Halle in dieser Saison bei Spielen nicht viel mehr als halbvoll.

Die Bayern sind als Elfter wieder im Rennen um die acht Playoff-Plätze in der Euroleague

Dass die Eröffnung der neuen Spielstätte SAP Garden im Olympiapark wegen vorherrschender Lieferengpässe, Rohstoffknappheit und Fachkräftemangels kürzlich um ein ganzes Jahr auf Ende 2023 verschoben wurde, hat die Stimmung beim deutschen Pokalsieger auch nicht gerade gehoben. Eigentlich wollte er bald die 30-Millionen-Euro-Umsatzmarke knacken, um auch international mit den Besten mithalten zu können, doch das dürfte nun noch dauern. Dazu - und zur ganzen Vorbereitung samt dem verkorksten Saisonstart - passt ein Satz von Trainer Trinchieri, den er Ende Juni bei der letzten Pressekonferenz vor der Sommerpause sagte: "Ich habe einen Plan, aber wie Mike Tyson sagt: ,Jeder hat einen Plan, bis dir einer in die Fresse haut'". Trinchieri sagte noch etwas: "Es gibt eine Zeit vor und nach der SAP-Arena. Und unsere Aufgabe ist es, diesen Klub durch diesen großen Wandel zu navigieren."

Die Bayern-Basketballer sind durch schwere See gefahren in den vergangenen Wochen, nun aber haben sie offenbar den Kompass gefunden. Statt 0:4 sind es nun 3:4 Siege in der Euroleague, sie sind als Elfter wieder im Rennen um die acht Playoff-Plätze. Und die 68:85-Blamage des FC Barcelona - das zuvor einzige ungeschlagene Euroleague-Team - in Tel Aviv zeigt, dass in diesem Wettbewerb selbst die Größten Federn lassen.

Das Heimspiel gegen Real Madrid wird am Freitag in einer Woche die nächste Herausforderung, die Spanier gelten als eines der besten Euroleague-Teams. Zunächst reisen die Bayern in der Bundesliga aber nach Bayreuth (Sonntag) und Würzburg (Dienstag). Trinchieri sieht seine Mannschaft bereit für die nächste vollgestopfte Woche: "Wir waren etwas fragil, weil wir unser Rückgrat nicht hatten, es war wie in der Achterbahn. Aber wenn du gegen Mailand gewinnst, in Kaunas und in Berlin, kannst du sagen: Wir sind ein Team, das Spiele holen kann."

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