Halbfinale der Basketball-WM:Dieses deutsche Team, auweia!

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Keine Angst vor großen Namen: Das deutsche Team um Kapitän Dennis Schröder ist das einzig ungeschlagene bei der Weltmeisterschaft. (Foto: Tilo Wiedensohler/Camera4+/Imago)

"Die wahrscheinlich beste Mannschaft im Turnier": Vor dem großen Spiel an diesem Nachmittag gegen Deutschland gibt sich Topfavorit USA ungewohnt respektvoll. Das Duell lenkt auch den Blick auf einen Amerikaner, der bei der WM fast für den DBB gespielt hätte.

Von Ralf Tögel

Kann er das ernst meinen? Oder ist es nur das übliche Trainer-Geklapper vor einem wichtigen Spiel, der durchsichtige Versuch, die Favoritenrolle und damit Druck vom Team zu nehmen? Schon nach dem Sieg im Vorbereitungsspiel zur Basketball-Weltmeisterschaft in Asien hatte Steve Kerr diverse Lobeshymnen auf die deutsche Mannschaft gesungen. Klar, Spanien, Titelverteidiger, hat Respekt verdient. Aber dieses deutsche Team, auweia, so einen starken Gegner hatten seine Jungs noch nicht.

Und natürlich legte der Trainer der US-Amerikaner vor dem Halbfinale am Freitag (14.40 Uhr deutscher Zeit/kostenlos bei Magentasport) gegen ebenjene Superdeutschen nach: "Das ist die wahrscheinlich beste Mannschaft im Turnier." Immerhin hat Kerr das Wörtchen "wahrscheinlich" nicht vergessen, denn was der 57-Jährige da von sich gibt, passt so gar nicht zum amerikanischen Basketballselbstverständnis. Diese Ansammlung von NBA-Profis ist und bleibt der haushohe Goldfavorit in diesem Turnier, da kann Kerr sagen, was er will.

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Indem Bundestrainer Gordon Herbert die Rollen im Nationalteam klar definiert hat, hat er eine Hierarchie geschaffen, die Spieler und Coach zusammenschweißt - das macht ihn glaubhaft.

Kommentar von Ralf Tögel

Bei seinen Spielern im Übrigen klang das etwas anders: "Natürlich müssen wir Gold gewinnen", gab Cameron Johnson zu, und Kollege Brandon Ingram pflichtete ihm bei: "Alles andere wäre eine Enttäuschung." Das gaben die beiden eben in jener Vorbereitungsphase dem amerikanischen Sportsender ESPN zu Protokoll. Nun haben Ingram und Johnson nur bedingt Dreamteam-Potenzial, denn die großen Namen fehlen dem US-Team allesamt: Kein LeBron James, kein Kevin Durant, kein Stephen Curry. Doch individuell ist diese Auswahl auch ohne ihre Promis der Konkurrenz weit voraus; Akteure wie Anthony Edwards von den Minnesota Timberwolves (USA) und Mikal Bridges von den Brooklyn Nets können Spiele im Alleingang entscheiden.

Drittbester Punktesammler nach den Vorhergenannten ist Distanzschütze Austin Reaves, und den 25-Jährigen begleitet eine ganz besondere Geschichte bei dieser WM. Beinahe wäre der Guard der Los Angeles Lakers für Deutschland aufgelaufen, Reaves hat eine deutsche Großmutter und sollte vor der WM eingebürgert werden. Sein zwei Jahre älterer Bruder Spencer besitzt den deutschen Pass, spielte vergangene Saison für Bamberg und verließ den ehemaligen deutschen Serienmeister überraschend in Richtung Bundesliga-Aufsteiger Vechta. Austin Reaves entschied sich indes für sein Geburtsland, auch weil ihm Trainer Kerr dem Vernehmen nach einen Platz im Olympiateam versprach.

USA-Trainer Kerr warnt vor Franz Wagner: "Wir wissen, wie vielseitig Franz ist, meine Spieler auch."

Der DBB hatte Dennis Schröder auf Reaves angesetzt, in der vergangenen Saison noch Teamkollege bei den Lakers. "Dennis hat mich das ganze Jahr über gefragt. Für mich war das eine Option, ich war offen, in Zukunft für Deutschland zu spielen", sagte Reaves nun vor dem Duell in Manila. Das Angebot, für die USA zu spielen, sei aber eines gewesen, das man nicht ablehnen könne.

Aber auch ohne einen Distanzschützen wie Reaves geht die deutsche Auswahl nicht chancenlos in dieses WM-Halbfinale gegen die USA - was natürlich auch der gegnerische Coach unterschreibt. Deutschland sei schließlich das einzig ungeschlagene Team bei der WM, so Kerr, auch das holprige 81:79 gegen Lettland solle man bitte nicht überbewerten. Wie seine Jungs im Viertelfinale mit 100:63 Punkten über Italien hinweggerauscht sind? Das war schon gut, das müsse man aber gegen die Deutschen mindestens bestätigen.

Außerdem sei da ja noch die Niederlage gegen Litauen. In der Tat hat das Team USA nicht erst seit dem schmachvollen siebten Rang bei der WM 2019 in China den Nimbus der Unbesiegbarkeit eingebüßt. Der europäische Basketball hat enorm aufgeholt, Akteure wie der Slowene Luka Doncic, Griechenlands Giannis Antetokounmpo und der Serbe Nikola Jokic (die beiden Letztgenannten fehlen bei der WM angeschlagen) zählen zu den Besten in der NBA.

Fast wäre Austin Reaves (re.) für Deutschland aufgelaufen, dann bekam er ein Angebot, das er nicht ausschlagen konnte. (Foto: Jam Sta Rosa/AFP)

Und dann hat die deutsche Auswahl ja auch ein paar Namen zu bieten, die man in der NBA bestens kennt. Allen voran Dennis Schröder, der zwar gegen Lettland den Beweis seiner Klasse schuldig blieb, das deutsche Team aber durch die vorherigen Runden getragen hat. Trainer Gordon Herbert macht sich um seinen Anführer keine Sorgen: "Er hatte einen harten Abend, er wird zurückschlagen."

US-Kollege Kerr warnt indes besonders vor den Wagner-Brüdern, die für die Orlando Magic spielen und dort zu den Führungsspielern zählen. Man habe viel Videomaterial gesichtet, so Kerr, "wir wissen, wie vielseitig Franz ist, und unsere Spieler wissen das auch". Kerr ist sicher auch geläufig, dass das deutsche Team weitaus mehr ist als seine NBA-Profis, zu denen noch Daniel Theis von den Indiana Pacers zählt. Andi Obst ist ein Distanzschütze, der sich vor Reaves nicht zu verstecken braucht, Isaac Bonga, Johannes Voigtmann, Johannes Thiemann und Maodo Lo agieren seit Turnierbeginn auf hohem Niveau.

Besonders überzeugt hat das deutsche Team durch seinen Teamspirit: Einer kämpft für den anderen, jeder kennt seine Rolle und weiß diese zu erfüllen; gerade die Defensivarbeit, mit der man selten glänzen kann, ist das Prunkstück dieser Mannschaft. In der NBA hingegen zählt in erster Linie das offensive Spektakel, die individuelle Qualität der Protagonisten - das ist auch die besondere Qualität des Teams USA, was zuletzt die Italiener zu spüren bekamen. Gerade das kann aber die Chance für die Deutschen sein, dem Kontrahenten mit physischer Abwehrplackerei den Spaß zu verderben.

Egal wie das Spiel endet, Deutschland hat mit der Olympia-Qualifikation bereits einen großen Erfolg erreicht. "Wir haben bereits Geschichte geschrieben", erinnerte Kapitän Schröder vorsichtshalber, was nicht so ganz stimmt: 2002 in Indianapolis zog die DBB-Auswahl schon mal ins WM-Halbfinale ein, unterlag dort Argentinien und holte Bronze. Die USA wurden damals übrigens Sechster.

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