Basketball-WM:Biest aus Braunschweig

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Nicht zu stoppen: Dennis Schröder setzt sich am Korb gegen Australiens Nick Kay durch. (Foto: Tilo Wiedensohler/Camera4+/Imago)

Kapitän Dennis Schröder führt Deutschland mit einer grandiosen Leistung zum Sieg gegen starke Australier. Dabei wird deutlich, wie gut das Kollektiv bei dieser WM bereits funktioniert.

Von Ralf Tögel, Okinawa

Dennis Schröder war sauer. Er hatte doch vor diesem Kerl explizit gewarnt, trotzdem punktete Patty Mills scheinbar nach Belieben. Die ersten 13 Punkte erzielte der australische Regisseur für sein Team und hielt dieses im Alleingang im Spiel, obwohl die deutsche Mannschaft einen Traumstart erwischte. 8:0 führte Deutschland, doch Mills lief zusehends heiß, also erklärte der deutsche Kapitän die Angelegenheit kurzerhand zur Chefsache und bearbeitete den australischen Routinier fortan höchstselbst. Es schien fast, als betrachte Schröder die starke Leistung seines Gegenübers als Majestätsbeleidigung, die es umgehend zurechtzurücken galt.

In der Zwischenrunde geht es wohl gegen Georgien und Slowenien - samt NBA-Star Doncic

Letztlich bedurfte es zwar einer weiteren starken Teamleistung, um den mit neun NBA-Spielern gespickten Gegner mit 85:82 Punkten in die Knie zu zwingen, doch Schröder war mit 30 Punkten und acht Vorlagen der Garant für diesen Erfolg. Und weil im Spiel drauf die Finnen überraschend gegen Japan 88:98 unterlagen, steht Deutschland vor dem letzten Gruppenspiel gegen Finnland am Dienstag (9.30 Uhr deutscher Zeit, kostenfrei auf Magentasport) als Sieger der Gruppe E bereits fest. Bedeutungslos ist der Vergleich aber nicht: Die beiden Erstplatzierten, die in die Hauptrunde einziehen, nehmen alle Vorrundenpunkte mit, und dort warten voraussichtlich mit Georgien und vor allem Slowenien um Ausnahmespieler Luca Doncic zwei schwere Gegner - ein bisschen Punktepolster kann folglich nicht schaden.

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Mit einem Dennis Schröder in dieser Form muss dem deutschen Team ohnehin nicht bange sein. Der Kapitän ackerte nicht nur wirkungsvoll in der Abwehr, er war auch in der Offensive Dreh- und Angelpunkt seiner Mannschaft, glänzte als Vorbereiter, Vollstrecker und Motivator, sammelte 30 Punkte, gab acht Vorlagen, strukturierte das Spiel und bestimmte das Tempo. Ein bisschen platt sei er schon gewesen, erzählte der 29-Jährige am Tag danach, um den Blick sofort wieder nach vorne zu richten. Über Ziele, etwa die von Trainer Gordon Herbert angepeilte Medaille, will er nicht reden, "ich schaue nur auf das nächste Spiel", und das sind nun mal die Finnen.

Besonders bemerkenswert war die Leistung des Point Guards aber, weil in Franz Wagner der Schlüsselspieler neben Schröder mit einem dicken Stützstiefel am Fuß auf der Bank saß, der 22-Jährige war in der Partie gegen Japan umgeknickt. Es war also klar, dass sich noch mehr Verantwortung auf den Schultern des deutschen Anführers türmte, und Schröder hielt dem bravourös Stand. "Der Typ wird jedes Jahr besser, er ist ein absolutes Biest. Er spielt das ganze Spiel, wird vom besten Verteidiger verteidigt, gedoppelt, getrippelt und gewinnt uns trotzdem das Spiel." Moritz Wagner sagte das nach dem Spiel, der 26-Jährige spielt wie Bruder Franz für die Orlando Magic in der NBA, war im ersten Spiel gegen Japan mit 25 Punkten bester deutscher Werfer, einer also, der solche Leistungen einzuschätzen weiß. Er sei sogar der Meinung, dass die Leistungen seines Kapitäns "in Basketball-Deutschland nicht genug gewürdigt werden".

Früher hatte Basketball-Deutschland auch Probleme mit Schröder, jetzt steigt seine Image mit jedem Galaauftritt

Das dürfte sich mit jedem weiteren Galaauftritt des gebürtigen Braunschweigers ändern. Basketball-Deutschland hatte durchaus seine Probleme mit dem schillernden NBA-Profi, aber bei der Heim-EM im vergangenen Jahr hat sich Schröder sozusagen neu erfunden. Bei den Turnieren zuvor, als der Point Guard als großes Versprechen des deutschen Basketballs galt, war sein Image nicht immer das beste. Schröder kritisierte Mitspieler und Trainer, er polarisierte, die Misserfolge taten ein Übriges.

Im vergangenen Herbst nun präsentierte sich der Familienvater gereift, betonte glaubhaft, wie wichtig es ihm sei, für Deutschland auf dem Parkett zu stehen. Seine Leistungen waren herausragend und die Mitspieler, auch gestandene Euroleague-Routiniers wie Johannes Voigtmann oder Maodo Lo, die in ihren Vereinen selbst Leader sind, versammelten sich hinter Schröder. Und es kam der Erfolg, EM-Bronze gab Selbstvertrauen, bewies, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist: "Wie Dennis sich die vergangenen Jahre entwickelt hat, ist unglaublich. Er spielt auf einem so hohen Niveau und das über so viele Minuten. Er ist unser klarer Leader", sagte Johannes Thiemann, der 29-Jährige ist seit Jahren Führungsspieler beim deutschen Branchenriesen Alba Berlin. Lo, 30, der mit 20 Punkten gegen das Team vom fünften Kontinent sein Erweckungsspiel bei dieser WM hatte, bezeichnete seinen Teamkollegen hernach als "Killer": "Wenn man einen wie Dennis im Team hat, dem es egal ist, wer vor ihm steht, ob der Gegner groß ist, schnell oder athletisch, dann macht es alles einfacher. Es ist sehr beeindruckend, was er auf dem Spielfeld alles kann."

Einen großen Anteil an der famosen Verfassung dieser Mannschaft hat der Trainer. Gordon Herbert hat zusammen mit den Spielern einen Dreijahresplan entworfen, Höhepunkt sollen die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Paris werden, darauf bereitet der Kanadier sein Team fokussiert und exakt vor, jeder Akteur hat eine klar definierte Rolle, das gibt dem Kollektiv Struktur und Hierarchie. Und der Kanadier hat Schröder zum Kapitän gemacht, als klaren Anführer auserkoren. Als Schröder vor der WM den NBA-Kollegen Maxi Kleber unangemessen kritisierte, forderte Herbert zwar eine Entschuldigung, dem Schröder auch nachkam. Aber der 64-Jährige stellte sich klar auf die Seite seines Kapitäns, Kleber verzichtete auf eine Teilnahme, die Angelegenheit war erledigt, die Harmonie bewahrt.

Und Schröder zahlt das Vertrauen zurück, mit erstklassigen Leistungen wie gegen Australien, er reibt sich auf für die Nationalmannschaft, die Kollegen, in jedem Spiel, jedem Training. Das Biest ist noch lange nicht satt.

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