Basketball-EM:Zoff um den vergessenen Freiwurf

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Dennis Schröder im Gespräch mit einem der Schiedsrichter im Spiel gegen Litauen - die drei Unparteiischen ließen einen Freiwurf der Balten nicht ausführen. (Foto: Thilo Schmuelgen/Reuters)

Durch teils skurrile Fehlentscheidungen geraten die Leistungen der Schiedsrichter zunehmend in den Fokus. Noch halten sich die Spieler mit Kritik zurück - klar ist aber, dass gar nicht die besten Referees Europas bei der EM pfeifen.

Von Ralf Tögel, Köln

Daniel Theis biss sich auf seine strahlend weißen Zähne. Der Power Forward hatte gerade in der Schlussphase der Partie gegen Litauen sein fünftes Foul kassiert, die beiden folgenden Verlängerungen musste er von der Bank aus verfolgen. Ausgerechnet Theis, einer derjenigen im deutschen Team, die unter den Körben viel Präsenz mitbringen. Schon beim Sieg gegen die Bosnier hatte er wichtige Abwehrarbeit gegen Center Jusuf Nurkic geleistet, jenen 2,13 Meter und 132 Kilogramm schweren Brocken, der in der NBA für die Portland Train Blazers spielt.

Nun bekam er es in Domantas Sabonis (Sacramento Kings) und Jonas Valanciunas (New Orleans Pelicans) gleich mit zwei Hünen dieser Qualität zu tun, die nicht umsonst die litauischen "Twin Towers" genannt werden. Gegen Kontrahenten von diesen Ausmaßen darf man nicht zimperlich agieren. Und Theis, bald für die Indiana Pacers im Einsatz, kennt diese Duelle aus der NBA, deshalb ist er so wichtig für das deutsche Team.

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Er kassierte also nach einem fragwürdigen Pfiff sein fünftes Foul - und verkniff sich einen Kommentar in Richtung der Referees: "Da muss ich jetzt aufpassen, was ich sage. Daran sieht man vielleicht, dass die Schiedsrichter zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, um eine eigene Linie zu finden, und dann so etwas vergessen wird." Mit so etwas meinte der 30-jährigen Abräumer eine weitaus umstrittenere Entscheidung der Unparteiischen als seinen Ausschluss - wovon der allerdings sein Team profitierte.

Bundestrainer Gordon Herbert, kein Trainer, der durch übermäßiges Lamentieren an der Seitenlinie auffällig ist, hatte sich über einen Pfiff so echauffiert, dass er ein technisches Foul kassierte. Den fälligen Freiwurf aber hatten die Unparteiischen schlichtweg vergessen, weder die Offiziellen am Kampfrichtertisch noch die Litauer intervenierten zunächst. Und als das Malheur auffiel, waren bereits ein paar Angriffe gespielt - es war schlichtweg zu spät. Angesichts des 89:89 nach der regulären Spielzeit hätte der Wurf die Partie entscheiden können (wenn Valanciunas getroffen hätte).

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Beim EM-Spiel der Türkei gegen Georgien laufen auf mysteriöse Weise 22 Sekunden Spielzeit von der Uhr. Am Ende gibt es eine Prügelei - die Türken protestieren und drohen.

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Es war nicht die einzige Fehlentscheidung, die Unverständnis und Kritik nach sich zog. In Tiflis, beim Skandalspiel der gastgebenden Georgier gegen die Türken, war die Spieluhr ganze 22 Sekunden weitergelaufen, obwohl das Geschehen wegen eines Gerangels zweier Spieler unterbrochen war. Auch diese Partie ging zweimal in die Verlängerung, im Basketball sind 22 Sekunden durchaus ein Zeitraum, dem richtungsweisende Bedeutung zukommen kann. Der Protest der türkischen Delegation gegen die Wertung ist bereits abgelehnt, weil nach Ansicht des Weltverbands Fiba die Türken nicht nachweisen konnten, dass es ohne die Panne bei der Zeitnahme sicher ein anderes Ergebnis gegeben hätte.

Beim Spiel Georgien gegen Türkei läuft die Uhr in Tiflis trotz Unterbrechung 22 Sekunden weiter

Ungeachtet dessen musste man den Eindruck gewinnen, dass die Referees in der hitzigen Atmosphäre überfordert waren. Erst flogen Gegenstände von den Zuschauerrängen auf das Spielfeld, dann hat sich das Chaos nach Darstellung der Türken auch nach dem Spiel fortgesetzt. In den Katakomben sei es zu einem Handgemenge gekommen, an der georgische Sicherheitskräfte beteiligt gewesen sein sollen. Die Georgier sprechen von Provokationen seitens der Türken. Die fordern nun die Aufnahmen von den Überwachungskameras an und drohen bei Verweigerung derselben mit rechtlichen Schritten (auch von einem Rückzug aus dem Turnier war kurzzeitig die Rede). Die Fiba hat Untersuchungen aufgenommen, deren Ausgang offen ist. Aus der Türkei ist zu vernehmen, dass man sogar bis vor den internationalen Sportgerichtshof Cas ziehen will.

In der Bundesliga für Berlin, bei der EM für Kroatien: Jaleen Smith wundert sich über die laxe Spielführung im Turnier. (Foto: Claudio Grassi/Imago)

Natürlich ist es immer der einfachste Reflex, in Unparteiischen die Ursache für eine Niederlage zu suchen. Aber die kritischen Anmerkungen aus Reihen der Spieler mehren sich: "Ich denke, ihr seht es selbst. Der Fall mit der Zeit beim Türkei-Spiel, das technische Foul hier mit Litauen. Das ist etwas, worum sich die Fiba kümmert, deshalb habe ich dazu nichts zu sagen", befand etwa Luka Doncic, einer der prominentesten Akteure des Turniers. Alba Berlins Jaleen Smith, dank Einbürgerung für Kroatien bei der EM, bemängelte die laxe Spielführung der Unparteiischen, in der Euroleague, in der Smith mit seinem Klub zu Werke geht, werde strenger gepfiffen.

Die Euroleague-Referees fehlen - wegen Querelen mit der Fiba

Die anerkannt guten Referees aus der Euroleague aber sind bei der Europameisterschaft nicht dabei, weil sich die Beziehung zwischen der Fiba und der kommerziell geführten Euroleague, nicht gerade partnerschaftlich gestaltet. Dieser Dissens hat schon eine gewisse Tradition, die Euroleague nimmt mit ihrem üppigen Spielplan keinerlei Rücksicht auf die Zeitfenster für EM- oder WM-Qualifikationsspiele. Was die Folge hat, dass in diesen Spielen nicht nur die NBA-Spieler fehlen, sondern mittlerweile auch größtenteils die Euroleague-Spieler.

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Die Fiba wiederum hat in der Champions League einen Konkurrenzwettbewerb zu Euroleague und Eurocup ins Leben gerufen und vermeidet jede Zusammenarbeit mit der Euroleague - was unter anderem die Schiedsrichter betrifft. Folglich stehen Referees auf dem Parkett, die wenig Erfahrung auf diesem Niveau besitzen, nun treffen sie auf erstklassige Akteure aus NBA und Euroleague, deren physisches und schnelles Spiel sie an Grenzen zu bringen scheint.

Freilich ist auch festzuhalten, dass das Gros der Schiedsrichter unauffällige Leistungen zeigt, was im Falle einer Spielleitung den optimalen Fall darstellt. Und im Zentrum allen Interesses stehen ohnehin die Spieler, und besonders bei der deutschen Auswahl gibt es bislang wenig zu kritisieren.

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