Start der NBA-Playoffs:Klingt verrückt - und das ist es auch

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Kyrie Irving und seine Brookyln Nets spielten keine überzeugende Hauptrunde - und doch könnten sie NBA-Champion werden. (Foto: Sarah Stier/AFP)

Die Brooklyn Nets haben sich gerade so über Umwege für die Playoffs qualifiziert und gehören dennoch zu den großen Favoriten im US-Basketball. Was sagt das über die Liga aus?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Von all den wunderbaren Weisheiten, die der große Poet und Philosoph Kyrie Andrew Irving in den vergangenen Jahren so von sich gegeben hat, ist diese wahrscheinlich die tollste: "Weißt du ganz sicher, dass die Erde rund ist?" Seine These: Jahrhundertelang hatten die Leute geglaubt, die Erde sei flach, nun sei der Konsens, sie sei rund; aber wer wisse denn wirklich, was tatsächlich los sei in diesem Universum? Jeder müsse eigene Erfahrungen machen, es müsse erlaubt sein, andere Gedanken und Meinungen zu haben - so entstehe ein fruchtbarer Dialog.

Also dann, ein anderes Experiment: Wie wäre es, wenn die Mannschaft, die in der regulären Saison der US-Basketballliga NBA bei 30 Vereinen die nur vierzehntbeste Bilanz schaffte und erst über ein "Play-In"-Spiel die Playoffs erreichte, am Ende den Titel gewinnt?

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Klingt verrückt, und das ist es auch; es hat vor allem sehr viel mit Irving zu tun, der nicht nur die Form dieses Planeten anzweifelt, sondern auch die Covid-Impfung verweigerte und deshalb aufgrund der Regeln in New York City einen Großteil der Partien verpasst hatte. Es kam die Verletzung des zweiten Nets-Anführers hinzu, Kevin Durant, und die Tatsache, dass nach dem Tauschgeschäft mit den Philadelphia 76ers (James Harden wurde abgegeben) der Zugang Ben Simmons mit Bandscheibenvorfall nach Brooklyn kam.

Die Nets treffen in den Playoffs zunächst auf Daniel Theis und die Boston Celtics

Nur: Durant ist fit. Simmons befindet sich kurz davor, in den Kader aufgenommen zu werden, und Irving darf wieder überall mitspielen. Beim K.o.-Spiel gegen Cleveland (ohne Simmons) war bereits zu sehen, wozu Brooklyn in der Lage ist, wenn alle an Board sind: Irving schaffte 34 Punkte und zwölf Assists, Durant 25 Zähler und elf Zuspiele, Bruce Brown (neun Rebounds), Andre Drummond (acht) und Nic Claxton (neun) gaben die Korbbeschützer.

In der ersten Playoff-Runde von Sonntag an gegen die Boston Celtics (mit dem deutschen Center Daniel Theis) sind die Nets Favorit, und das dürften sie bei einem Weiterkommen auch bis zur Finalserie sein - die Phoenix Suns aus der Western Conference sind am Ende möglicherweise der große Widersacher in den Finals.

Was würde es also über die Liga aussagen, wenn diese Nets wirklich Meister würden?

Die Liga brummt finanziell, keine Frage, beim nächsten TV-Deal in den USA dürfte die NBA acht Milliarden Dollar pro Jahr verlangen - mehr als dreimal so viel wie derzeit. Sie ist ein popkulturelles Phänomen, Basketball ist cool. Nur: Sportlich verliert die Liga gerade ihren Nordstern.

Die reguläre Saison ist, man kann es nicht anders sagen, eine zweifelhafte Veranstaltung. Vereine ohne Chance auf die Playoffs kümmert es wenig, wenn sie verlieren - sie bauen in Ruhe ein junges Team auf und haben durch die schlechte Platzierung eine größere Chance auf früheres Wahlrecht bei der jährlichen Talentbörse. Die wirklich guten Teams interessiert diese reguläre Saison in etwa so wie ein Kaugummi unter dem Sitz in der obersten Reihe des Stadions - wichtig ist nur, dass zu Beginn der Playoffs die Berühmtheiten gesund, eingespielt und gewillt sind; also setzen die Besten regelmäßig aus, wenn sie auch nur ein Zipperlein in der linken kleinen Zehe verspüren.

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Liga-Chef Adam Silver hat angekündigt, etwas gegen die künstlerischen Pausen zu unternehmen; das hat er aber auch schon vor fünf, vier und zwei Jahren gesagt. Geändert hat sich: nichts. Der Titel für die Nets wäre der endgültige Beweis, dass da was nicht stimmt in der NBA - oder wie es der große Poet und Philosoph Kyrie Andrew Irving formulieren würde: Es wäre eine Erfahrung, die dazu führen sollte, auch mal andere Gedanken zuzulassen als die mit der Sehnsucht nach größtmöglichem Profit.

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