Basketball-EM:Bronze nach dem langen Warten

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Volle Hallen, tolle Mannschaft und der größte Erfolg seit 2005: Trotz der Bronzemedaille bei der Heim-EM haben es die deutschen Basketballer nicht ins öffentlich-rechtliche Fernsehen geschafft. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft gewinnt trotz mäßiger Leistung gegen Polen 82:69 und belohnt sich für eine starke Turnierleistung mit Bronze. Der überragende Dennis Schröder zeigt eine bemerkenswerte Geste.

Von Ralf Tögel, Berlin

Da standen die deutschen Spieler erschöpft auf dem Parkett und bestaunten ihre Bronzeplaketten. 17 Jahre hatte die medaillenlose Durststrecke des Deutschen Basketball Bunds (DBB) angehalten, große Enttäuschungen inklusive, wie beim schmachvollen Vorrunden-Aus bei der Heim-EM 2015. In diesem Moment war alles vergessen: Die Nationalmannschaft hat am Sonntag das Spiel um Platz drei gegen Polen mit 82:69 Punkten gewonnen. Und sich damit, trotz einer mäßigen Leistung im letzten Auftritt, für eine hervorragende Turnierleistung belohnt. Kapitän Dennis Schröder, mit 26 Zählern einmal mehr bester deutscher Spieler, brachte es auf den Punkt: "Ich glaube, wir haben den deutschen Basketball wieder ein Stück sexyer gemacht."

Es galt ja zunächst, die knappe 91:96-Niederlage aus dem Halbfinale gegen die abgezockten Spanier wegzustecken, die das Team in arger Enttäuschung zurückgelassen hatte. Am Freitagabend hatte es Anfang des Schlussviertels noch zweistellig geführt, ehe Spaniens italienischer Trainer Sergio Scariolo die Partie mit einem taktischen Kniff drehte. Indem er den bis dahin überragenden Schröder mit einer Art Manndeckung aus dem Spiel nahm, stotterten fortan die deutschen Angriffe - und das Team von Gordon Herbert fand keine passende Antwort. Der überrumpelte Kollege hatte immerhin die Größe, seinen Mitschuld zuzugeben, er habe einzelne Akteure zu lange auf dem Parkett belassen: "Ich bin enttäuscht von mir."

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Die Polen hingegen hatten nach ihrem Halbfinale gegen Frankreich keinerlei Grund sich über irgendwelche Versäumnisse zu grämen. Der Außenseiter wurde beim 54:95 vom Olympia-Zweiten derart vorgeführt, dass es für das Team lediglich galt, die Pleite als kollektiven Aussetzer zu vergessen. Zudem durfte die polnische Auswahl darauf hoffen, nach diesem Auftritt unterschätzt zu werden.

Auch nach der Pause fällt es den Gastgebern schwer, an die Leistungen der vergangenen Tage anzuknüpfen

Das werde nicht passieren, hatte der deutsche Aufbauspieler Andreas Obst noch versprochen, man werde auch diesem zuletzt indisponierten Gegner mit der notwendigen Seriosität begegnen, was nur in den ersten Minuten klappte. Die Dreier von Johannes Voigt und Obst bedeuteten die schnelle 6:2-Führung, doch danach schaltete das deutsche Team in den Sparmodus. Was mit den bisherigen Anstrengungen zu erklären, aber nicht schön anzusehen war. Zudem blockte der polnische 2,15-Meter-Center Alexander Balcerowski reihenweise gegnerische Würfe, was die Unsicherheit im deutschen Spiel steigerte, wie Johannes Thiemann zugab: "Wir waren nervös und es war wirklich schwer, die nötige Energie aufzubringen, das war hart."

Gleichwohl war es auch gar nicht nötig gegen diesen Gegner, es genügten sparsam eingesetzte Proben des eigenen Könnens, um das erste Viertel mit 19:15 zu gewinnen. Als Schröder sich nach pomadigem Beginn dann doch zu ein paar seiner pfeilschnellen Dribblings aufraffte, waren die Polen alsbald überfordert und lagen zur Pause zweistellig (23:36) zurück.

Aber auch nach der Pause fiel es den Gastgebern schwer, an die bravourösen Leistungen der vergangenen Tage anzuknüpfen. Zwar deuteten die Deutschen immer wieder ihr großes Potential an, mehr nicht. Was ein große Gefahr barg: Denn bis zu diesem Zeitpunkt waren die Polen trotz der überschaubaren Leistung ihrer Gegner weitaus schlechter. Als aber die unterirdischen Wurfquoten des Außenseiters etwas besser wurden und vor allem Michal Skolowski, mit 18 Punkten Topscorer seines Teams, ein paar Dreier traf, wurde es sofort gefährlich eng.

Brachte Energie in die Defensive und traf wichtige Distanzwürfe: Johannes Voigtmann. (Foto: Tilo Wiedensohler/camera4+/Imago)

Vor dem letzten Viertel war die Führung auf fünf Punkte geschrumpft (54:49), kurz darauf waren die Polen mit dem Ausgleich endgültig wieder im Spiel. Das Gute daran: Plötzlich war die Partie spannend, plötzlich war sie einer EM würdig. Und die deutsche Mannschaft blieb am Drücker - auch weil Johannes Voigtmann übernahm: Der Co-Kapitän (14 Punkte) brachte Energie in die Defensive und traf wichtige Distanzwürfe. Sofort sprang der Funke auf die 12 913 Zuschauer in der Arena über - die übrigens nicht ganz ausverkauft war, was bei Ticketpreisen jenseits der 100-Euro-Marke nicht verwunderte.

Die letzten fünf Minuten waren wieder ein Abbild jener Vorstellungen, die diese Auswahl so bravourös durch das Turnier getragen hatten. Die Abwehr packte zu, Franz Wagner und Nick Weiler-Babb erkämpften Bälle, und vorne fielen die Würfe. Auch die mäßige Vorstellung im letzten Spiel vermochte den hervorragenden Eindruck dieser deutschen Mannschaft, die sich verdientermaßen mit Bronze belohnte, nicht zu trüben.

Na, was haben wir denn da?: Dennis Schröder (links) begutachtet seine Bronze-Medaille. (Foto: Tilo Wiedensohler/camera4+/Imago)

Selbst der knorrige Bundestrainer Gordon Herbert wirkte nach dem Triumph angefasst: "Das ist einer der speziellsten Momente in meinem Leben. Die Geburt der Kinder ist Nummer eins, aber das ist extrem speziell." Und Dennis Schröder zeigte noch eine große Geste: Robin Benzing, der bis vor der EM jahrelang Spielführer war, ehe er vor der EM aus dem Kader gestrichen wurde und aus seiner grenzenlosen Enttäuschung keinen Hehl gemacht hatte, war in der Halle. "Er ist der wahre Kapitän", sagte Schröder, "wenn es für ihn keine Medaille gibt, bekommt er meine."

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