Basketball:Suche nach der nächsten Welle

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Immer noch in WM-Form: Isaac Bonga (re.) schwebt derzeit über den Gegnern, in diesem Fall dem Berliner Louis Olinde. (Foto: Tilo Wiedensohler/Camera4+/Imago)

Die Euphorie des WM-Siegs ist noch nicht abgeebbt, das Derby zum Start in die Euroleague zeigt aber, dass auf die Teams aus München und Berlin viel Arbeit wartet. Seinen Sieg verdankt der FC Bayern seiner individuellen Qualität - und der Steigerung nach der Pause.

Von Ralf Tögel

Da war das Ding. Gülden glänzend stand der Weltmeister-Pokal im Foyer des Münchner BMW Parks, vom Präsidenten des Deutschen Basketball Bunds Ingo Weiss höchstselbst heranchauffiert. Eine lange Schlange von Menschen, die sich mit dem Goldstück ablichten ließen, zeigte, dass der Hype um den WM-Titel der deutschen Basketballer noch längst nicht abgeebbt ist. Also surften auch die Offiziellen des Verbands und der beiden Klubs noch ein bisschen auf der WM-Welle mit.

Es war ja auch ein besonderes Spiel am Donnerstagabend: Zum einen trafen die beiden deutschen Vertreter in der Euroleague gleich im Saisondebüt aufeinander. Zum anderen standen die vier in der Basketball-Bundesliga (BBL) verbliebenen Weltmeister im direkten Duell gegeneinander auf dem Court. Der war im Übrigen nicht mehr ganz so glitzernd wie noch zum BBL-Saisonstart, denn in der europäischen Königsklasse ist jener LED-Glasboden nicht zugelassen. Nachdem also die vier Weltmeister Johannes Thiemann, der einzige auf Berliner Seite, sowie Isaac Bonga, Andreas Obst und Niels Giffey, der nach seiner Erkältung in Zivil am Spielfeldrand Platz nahm, aus den Händen von Weiss, FCB-Präsident Herbert Hainer, Münchens Geschäftsführer Marko Pesic, dem Alba-Kollegen Marco Baldi und Rekord-Nationalspieler Patrick Femerling jeweils einen halbierten, natürlich ebenfalls goldglänzenden Basketball erhalten hatten, nahm die erste Euroleague-Standortbestimmung schnell Fahrt auf. Letztlich behielt der Favorit vor 6057 Zuschauern in der nicht ausverkauften Halle mit 80:68 die Oberhand.

Vor allem in der erste Halbzeit war es kein Basketball-Leckerbissen. Alba-Kapitän Thiemann hatte vor der Partie daran erinnert, dass sich beide Teams angesichts einer Mini-Vorbereitung und spät zum Kader gestoßener Spieler noch in "einer Findungsphase" befänden. Das war zunächst vor allem beim Gastgeber schwer zu übersehen, denn nach einem Schnellstart nebst 8:2-Führung kam den Bayern nach dem Ausgleich durch Berlin jegliche Souveränität abhanden. Von fehlender Feinabstimmung zu sprechen wäre untertrieben, so wie die Pässe in die Hände der Gegner oder gleich ins Nirwana segelten. Auch die Wurfquote blieb auf Gastgeberseite miserabel. Egal ob aus der Distanz oder beim Korbleger, kaum ein Versuch fand ins Ziel.

Berlin nutzt die Unzulänglichkeiten des Gegners und führt beim FC Bayern zur Halbzeit mit 44:36 Punkten

Die Berliner zeigten sich da schon einen Schritt weiter. Angeführt von Thiemann, der seine starke WM-Form in den Ligaalltag transformiert hat, bestimmten sie das Geschehen. Was umso erstaunlicher war, weil Trainer Israel Gonzalez in Christ Koumadje und Yanni Wetzel gleich zwei große Spieler fehlten. Zudem mangelt es den WM-Fahrern Ziga Samar (22, Slowenien) und Matteo Spagnolo (20, Italien) in der Spielgestaltung noch an Erfahrung. Folglich zeichnete neben Thiemann vor allem Louis Olinde, der mit seinen 25 Jahren zu den Routiniers im Alba-Team zu zählen ist und wie Thiemann mit zwölf Punkten Topscorer war, für die 44:36-Halbzeitführung verantwortlich.

Allein die Gangart des neuen Bayern-Trainers Pablo Laso, wie er wütend in die Kabine stapfte, verhieß nichts Gutes für sein enttäuschendes Personal. Hernach berichtete er lächelnd von einer unaufgeregten Ansprache, zu offensichtlich sei gewesen, wie weit seine Spieler unter ihren Möglichkeiten geblieben waren. Wenigstens hatten Bonga, sowie Regisseur und Topscorer (17 Punkte) Sylvain Francisco, der für Frankreich bei der WM war, schon in den ersten beiden Vierteln stark aufgespielt und den Rückstand erträglich gehalten. Der war mit einem 8:0-Lauf nach der Pause umgehend egalisiert, fortan bewiesen die Münchner, wie viel Qualität in ihrem Kader steckt.

NBA-Zugang Serge Ibaka (8 Punkte, 9 Rebounds) demonstrierte eindrücklich, wie seine Athletik unter dem Korb dem Bayern-Spiel hilft. Devin Booker (10/6) und Nick Weiler-Babb (8 Punkte) finden langsam zu ihrer Euroleague-Form, für Andreas Obst (8) sind Fehlwürfe die seltene Ausnahme, und der argentinische Guard Leandro Bolmaro (10) akklimatisiert sich zusehends. Prägender Akteur aber ist Bonga. Seit der flexible Guard bei der WM in Okinawa für den verletzte Franz Wagner in die Startformation rückte, zeigt er eine Topleistung nach der anderen. Dabei waren nicht nur seine elf Punkte und zehn Rebounds auffällig, Bonga treibt das Münchner Spiel an und kriecht den gegnerische Angreifern in die Köpfe, wenn er Würfe blockt oder beim Dribbling Bälle klaut. "Er war großartig und an beiden Seiten des Feldes wichtig. Er hat zu Beginn Brown dichtgemacht, hat Rebounds geholt und den Korb attackiert", lobte Laso, der seinem Guard ein "komplettes Spiel" attestierte.

Nach dem Wechsel stürmten die Bayern zu einem 61:51-Vorsprung, vor allem die Berliner Rebound-Unterlegenheit von 17:49 schien einem Schülerspiel zu entstammen; das letzte Viertel geriet zur Formsache. Alba hat in der europäischen Königsklasse eine schwere Saison vor Augen, immerhin kann Trainer Gonzalez auf die Rückkehr seiner beiden Center Koumadje und Wetzel hoffen. Kollege Laso sprach hernach von einer soliden Leistung - wohl gemerkt in der zweiten Halbzeit. Die erste war miserabel geraten, das gab Laso zu. Und, dass seine Mannschaft mitten in einem Findungsprozess steckt.

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