Basketball:Ein Spiel mit Schubkraft

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Der Mann für die donnernden Dunks: Münchens Center Jalen Reynolds (rechts) lässt sich auch vom Berliner Louis Olinde nicht aufhalten. (Foto: Ulrich Gamel/Kolbert-Press/Imago)

Mit dem mühevollen Sieg über Alba Berlin nach Verlängerung festigt der FC Bayern seinen Playoff-Platz in der Euroleague. Dem Rivalen macht diese Niederlage freilich Mut für die nationalen Wettbewerbe.

Von Joachim Mölter, München

Bevor die deutschen Basketball-Spitzenklubs FC Bayern München und Alba Berlin am Freitagabend in der Euroleague aufeinandertrafen, war Münchens Geschäftsführer Marko Pesic sichtlich bemüht gewesen, nicht von einem Pflichtsieg seiner Mannschaft gegen den ersatzgeschwächten Gegner zu sprechen. "Wir wollen das Spiel gewinnen wie jedes andere Euroleague-Spiel", sagte Pesic beschwichtigend ins Mikrofon von Magentasport und erklärte: "Das würde bedeuten, dass wir 15 Siege haben, und das hat noch nie ein deutscher Verein geschafft" - in einer Saison auf höchster europäischer Ebene, meinte er.

Nachdem die FC-Bayern-Basketballer schließlich nach Verlängerung 101:95 (87:87, 33:43) gewonnen hatten, offenbarten sie jedoch, dass dieser Sieg weit mehr war, als ein Prestigeerfolg gegen den alten Rivalen oder eine statistische Bestmarke. "Eine Niederlage hätte unser Leben in der Euroleague verkompliziert", sagte Trainer Andrea Trinchieri erleichtert. "Das war ein gewaltiger Sieg für uns", fand Flügelspieler Vladimir Lucic: "Der bedeutet viel für die Playoffs."

Der Kader des FC Bayern ist nicht für den nationalen Wettbewerb gedacht

Die Playoffs also. Die Münchner können spätestens jetzt nicht mehr so tun, als sei das Erreichen der K.-o.-Runde der besten Acht nicht das übergeordnete Ziel in dieser Saison. In die Euroleague-Playoffs hat es schließlich auch noch nie ein deutscher Verein geschafft, und das ist dem FC Bayern weit wichtiger, als in der Hauptrunde 15, 16 oder 17 Siege einzufahren. Der Klub will sich permanent mit Europas Besten messen, seine Bewerbung um ein grundsätzliches Startrecht ist so gut wie durch. Bereits zur nächsten Saison könnte der FC Bayern eine Dauerkarte bekommen, unabhängig vom Abschneiden in der Bundesliga (BBL).

Um die Aufnahme in die Beletage sportlich zu rechtfertigen, hat der in der vergangenen Spielzeit als Vorletzter enttäuschende FC Bayern für diese Saison einen Kader zusammengestellt, der explizit für die Euroleague gedacht ist, nicht für den nationalen Wettbewerb. Selbst in Corona-Zeiten leisten sich die Münchner neun ausländische Profis, weil es in der Euroleague keine Ausländer-Beschränkung gibt im Gegensatz zur BBL. Dort dürfen höchstens sechs pro Partie eingesetzt werden, weshalb beim FC Bayern also immer drei pausieren müssen, die Mannschaft also nicht ganz so stark auftreten kann.

Gerade nach kräftezehrenden Euroleague-Spielen tut sie sich schwer im BBL-Betrieb, wo sie die für die Deutschen reservierten Kaderplätze mit Nachwuchskräften auffüllt. Das war vor einer Woche zu sehen bei der 103:105-Heimniederlage gegen Crailsheim und am Sonntag erneut beim einstigen Serienmeister Brose Bamberg, wo sie immerhin 93:92 gewann. Die Kader-Konstellation hat jedenfalls zu der Situation geführt, dass der FC Bayern in beiden Wettbewerben auf dem fünften Platz rangiert.

In der Euroleague müssen die Münchner noch zehn Spiele absolvieren bis zu den Playoffs, und sie haben fünf Verfolger dicht im Nacken. Kein Wunder, dass sie sich in den letzten fünf Minuten gegen Alba noch einmal aufbäumten, nach einem 67:80-Rückstand noch die Verlängerung erzwangen und dort in letzter Minute den Sieg erkämpften. Daran beteiligt waren überwiegend die amerikanischen Profis Jalen Reynolds (24 Punkte), Wade Baldwin (21) und Dennis Seeley (10) sowie der Serbe Lucic (20). Von den deutschen Profis bekam nur Nationalspieler Paul Zipser (20) nennenswerte Einsatzzeit.

"Alba war 35 Minuten die bessere Mannschaft", gibt Bayern-Trainer Trinchieri zu

Genau aus diesem Grund kann der deutsche Meister und Pokalsieger Alba Berlin Mut schöpfen für die Verteidigung seiner nationalen Titel. Coach Aito Garcia Reneses setzt generell auf einheimische Talente, auch im internationalen Wettbewerb. Auf den deutschen Planstellen sind die Berliner daher gut und tief und vor allem konkurrenzfähig besetzt, deshalb haben sie den FC Bayern in der BBL bereits bezwingen können, 85:72, Anfang Januar. Und das, obwohl damals vier Profis verletzt fehlten.

Auch am Freitag mussten die Berliner auf mehrere Stammspieler verzichten, außer auf ihren Kapitän und besten Distanzschützen Niels Giffey (Knochenödem) kurzfristig auch auf die Spielmacher Jayson Granger (Handbruch) und Peyton Siva (Oberschenkelverletzung). Trotz der Dezimierung auf den Ausländerpositionen waren sie "35 Minuten lang die bessere Mannschaft", gab Bayern-Trainer Trinchieri zu.

"Wir hatten es selber in der Hand, wir hätten es besser über die Bühne bringen sollen", resümierte Nationalspieler Maodo Lo selbstkritisch. Der 28-Jährige hatte die Aufgaben von Granger und Siva übernommen und Alba zu Beginn angetrieben. Er erzielte 16 Punkte, quälte sich aber ab dem dritten Viertel mit Wadenkrämpfen herum und spielte am Schluss der Verlängerung eine unglückliche Rolle. Beim 95:94 für Alba hätte er fast einen Pass von Bayern-Spielmacher Baldwin abgefangen, doch der Ball glitt ihm durch die Hände - Lucic fing ihn und verwandelte einen Dreier. Wenig später vergab Lo mit einem Ballverlust die letzte Chance, das Spiel noch einmal zu wenden.

Den FC Bayern hat der Sieg einiges an Substanz gekostet, zumal Trainer Trinchieri bei der Aufholjagd im wesentlichen nur sieben Spieler einsetzte. Aber er hielt diesen Kraftakt für gelungen. "Es gibt Spiele, die dich killen - und es gibt Spiele, die dir einen riesigen Schub geben", resümierte er: "Das war heute ein Spiel, das uns wirklich nach vorne bringen kann." In Richtung Euroleague-Playoffs, meinte er. Nicht unbedingt in der Bundesliga.

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