Auftaktsieg bei der Basketball-EM:Schon ein bisschen kitschig

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Richtig gut drauf: Maodo Lo (links), hier gegen den Franzosen Timothe Luwawu-Cabarrot. (Foto: Alexander Scheuber/Getty Images)

Nowitzki geht, ein neues Nationalteam legt los, und wie: Deutschlands Basketballer entdecken beim unerwarteten Auftaktsieg gegen Frankreich, wie gut sie sind - vor allem drei Spieler zeigen ihr Können.

Von Jonas Beckenkamp, Köln

Pyro in der Kölner Arena, auch das noch. Als das Trikot von Dirk Nowitzki für immer und ewig unter die Hallendecke gehievt wurde, schossen Feuerwerke über den Köpfen der Zuschauer hinweg, es zischte und als sich der Rauch gelegt hatte, ging das Licht an. In Feier-Garderobe konnte Nowitzki schlecht auf dem Parkett bleiben, also machte er sich auf zur Seite, wo ihm die Basketballer der aktuellen deutschen Nationalmannschaft entgegenliefen. Er klatschte sie alle ab und dann auch noch ein paar von den gegnerischen Franzosen, los ging's.

"War so nicht geplant, aber wir mussten uns aufwärmen", berichtete Franz Wagner später: "Das war schon ein cooler Moment, das hat uns noch mal gepusht." Der eine geht, die anderen rennen los und schlagen mal eben das hoch eingeschätzte Frankreich zum EM-Auftakt mit 76:63 - diese Parallelität der Ereignisse mussten die fast 18 000 Anwesenden erst einmal verarbeiten. Es hatte sich ein Abend mit besonderen Emotionen ereignet, ein bisschen kitschig war's auch und weil man die Menschen in Köln nicht zweimal zum Schunkeln bitten muss, herrschte so etwas wie Basketball-Karneval auf der Schäl Sick des Rheins.

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Der Grund: Deutschland ist so in dieses Turnier gestartet, wie es kaum jemand erwartet hatte. Mit einer der besten Vorstellungen seit den Nowitzki-Jahren; jener Zeit Mitte der Nullerjahre, als der Würzburger das Spiel in Europa dominierte. Das heutige Team hat keinen Nowitzki, aber dafür eine Melange, die zu viel war für Frankreich: In der Defensive mit nahezu idealer Abstimmung, mit Händen im Gesicht fast aller französischen Schützen, zur Not auch mit Lust am taktischen Foul - die Franzosen verwarfen viel, vor allem ihre Freiwürfe. Und in der Offensive mit Ideen aus der Zauberkiste, einem Dreier-Rausch im Schlussakt und einem Kader von bemerkenswerter Tiefe.

Ein überraschender Sieg gegen Frankreich also, das gab es schon einmal zum EM-Start, 2013

"Maodo Lo hat das Team getragen, auch Johannes Thiemann und Niels Giffey waren großartig", beschrieb Dennis Schröder den Beitrag der Bankangestellten, "jeder hat seinen Stellenwert im Team." Entsprechend lesen sich die Zahlen nach dem Spiel: 13 Punkte für Lo (dem Schröder prompt eine NBA-Karriere in Aussicht stellte), 13 für Giffey, 14 von Thiemann, elf von Schröder, je acht von Daniel Theis und Franz Wagner. Der NBA-Mann aus Orlando war auf dem Weg in die Kabine bei fast jedem Fragesteller stehen geblieben, um bei der Rekapitulation sein Adrenalin abzubauen.

Mit viel Rauch und Getöse wurde Dirk Nowitzkis Trikot mit der Rückennummer 14 unters Kölner Hallendach gehievt. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

So ein Spiel kann sich bei einem 21-Jährigen besonders ins Gedächtnis einbrennen, aber er bemühte sich um Nüchternheit. "Wir haben physisch gespielt, gut gereboundet", sagte Wagner. Ähnliches erzählte auch Bundestrainer Gordon Herbert, der fand, dass "die Energie herausragend war". Wie er es geschafft hat, seine Mannschaft nach einer durchaus wackeligen Vorbereitung so einzustellen, konnte er selbst kaum erklären. Aber seine Spieler versuchten es.

"Heute sind die Würfe gefallen", meinte Giffey, der eigentlich kein gutes Jahr hinter sich hat. Wenig Zeit auf dem Feld in Litauen, fast verlor er seinen Platz beim DBB. Egal. "Das ist jetzt der Moment, auf den wir Bock haben", sagte der frühere Kapitän von Alba Berlin. Er traf seine Dreier zielsicher wie lange nicht und er wagte es sogar, gegen Frankreichs Eiffelturm Rudy Gobert aufzuposten und über ihn hinwegzuwerfen.

Ein ziemlich überraschender Sieg gegen Frankreich also, das gab es schon einmal zu einem EM-Start, 2013. Danach verlor man jedoch gegen die Ukraine, Belgien und Großbritannien und schied aus. Doch dieser Auftritt dürfte nachhaltiger sein, denn die Mannschaft scheint einen Spirit entwickelt zu haben, sie will offenbar ein cooles Narrativ prägen - und nicht auseinanderfallen wie bei der WM 2019 in China, als man in der Gruppenphase hinter Frankreich und der Dominikanischen Republik ausschied.

Die Deutschen wissen jetzt, wie gut sie bei dieser EM sein können

"Mit solchen Spielen wächst man zusammen", fand auch Johannes Thiemann. So ergab sich eine letzte Erkenntnis: Die Deutschen wissen jetzt, wie gut sie sein können, sie hatten diesen Sommer ja lange darüber gerätselt. Sie haben im Vorfeld zwar fast alle Partien gewonnen, aber immer war irgendetwas: Mal fiel wieder einer aus, mal flog der langjährige Kapitän Robin Benzing aus dem Kader, mal musste Dennis Schröder zu viel alleine stemmen.

Jetzt hat man Europameister Slowenien mit Luka Doncic in der WM-Qualifikation geschlagen und die gefürchteten Franzosen aus der Halle gekehrt; beide Resultate fielen deutlich aus. Ist Deutschland also doch ein klitzekleiner Medaillenkandidat bei dieser EM, ein Underdog, der zu Hause in Berlin in der Finalrunde Europa verblüffen kann? Vielleicht. Anzeichen für einen Mini-Hype gibt es, die Fans brüllten genüsslich jeden Wurf in den Korb - und wenn Maodo Lo wirbelte, tönten "Ooohs" und "Aaahs" durch die Halle.

Aber jetzt wartet am Samstag erst einmal Bosnien, das sein Auftaktspiel gegen Ungarn klar gewann. Ein Team mit Kolossen wie dem NBA-Brecher Jusuf Nurkic und etwas unorthodoxer Spiel-Organisation. "Sehr gefährlich", warnte Thiemann. Das wusste er immerhin mehr als der Bundestrainer. Gordon Herbert bekannte nämlich offen: "Ich habe tatsächlich noch keine Infos über diesen Gegner."

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