College-Basketball:Die unterbezahlte 115-Millionen-Dollar-Basketballerin

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Sie trifft und trifft und trifft: Caitlin Clark, 22. (Foto: SARAH STIER/Getty Images via AFP)

Bei der "March Madness", dem Finalturnier der College-Meisterschaft, schafft Caitlin Clark neue Punkterekorde. Die 22-Jährige steht mit ihrer Popularität im Zentrum einer Debatte über gerechte Bezahlung.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist der frustrierendste Moment für jeden Sportler, ob Profi oder Amateur: Man weiß genau, was der Gegner tun wird - und kann doch nichts dagegen ausrichten. So erging es den Basketball-Spielerinnen der Louisiana State University (LSU) am Dienstag gegen Iowa. Sie wussten genau, dass Caitlin Clark mit dem Ball nach links dribbeln und dann gegen ihre Laufrichtung von jenseits der Dreierlinie werfen würde. Sie versuchten wirklich alles, um diese so einfach aussehende Bewegung zu verhindern - doch erging es ihnen wie allen in dieser Saison. Sie sahen zu, wie Clark traf und traf und traf; selbst ihre erbitterte Rivalin Angel Reese nickte anerkennend, weil auch sie es nicht verhindern konnte. 41 Punkte schaffte Clark, zwölf Zuspiele und sieben Rebounds. Iowa gewann 94:87 und trifft im Halbfinale am Freitag auf Connecticut (80:73 gegen USC).

Was ist Frauensport wert? Clark ist das Gesicht dieser Debatte

Es ging um viel mehr bei dieser Partie als um den Einzug ins Halbfinale der College-Meisterschaft, um die Neuauflage des Endspiels der vergangenen Saison (LSU gewann 102:85) und diese erbitterte Rivalität zwischen Clark und Reese. Diesen Wettstreit der beiden vergleichen die Amerikaner mit jener der Basketball-Legenden Larry Bird und Magic Johnson. Clark ist die mit dem feinen Händchen, eine Jahrhundert-Werferin, wie es bei den Männern Bird war. Reese eine Offensiv-Alleskönnerin, kraftvoll und spielfreudig, kaum aufzuhalten. Was sie eint: große Abneigung, aber auch großer Respekt füreinander, wie es unter Sportlern sein sollte.

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Ein elektrisierendes Duell also, das wieder Millionen Amerikaner vor die Fernseher lockte und doch nur Teil einer viel größeren Frage ist. Die lautet: Was ist Frauensport wert? In den USA, aber auch weltweit? Clark ist das Gesicht der Debatte.

"March Madness" nennen sie die K.-o.-Turniere im Collegesport bei Männern und Frauen, Wahnsinn im März - wobei der Begriff mehr als 80 Jahre lang ausschließlich den Männern galt. Erst in den vergangenen Jahren wuchs das Interesse am Frauen-Turnier, was freilich auch am Spektakel von Clark liegt - es macht ganz einfach Riesenspaß, dieser Frau beim Spielen zuzusehen.

Das Finale 2023 sahen zehn Millionen Amerikaner live, im Januar unterschrieb der College-Verband NCAA einen neuen Vertrag mit dem Sportsender ESPN: 115 Millionen Dollar pro Jahr für alle Events außer Football und Männer-Basketball, mehr als dreimal so viel wie davor. Diese Steigerung gilt als Verdienst unter anderem von Clark, die im Februar Pete Maravich als Athlet mit den zuvor meisten Punkten der College-Basketball-Geschichte abgelöst hat. Das Frauen-Turnier hat beste Einschaltquoten, also zahlen die Sender, das ist die unsentimentale Rechnung im US-Sport.

Clark hat bereits angekündigt, nach der Uni-Saison zu den Profis zu wechseln. Weil Indiana Fever bei der Talentbörse zuerst wählt, gilt als sicher, dass Clark dort spielen wird - und nun wird es interessant: Als Liga-Neuling wird Clark von ihrem Verein inklusive Boni weniger als 85 000 Dollar bekommen, das Liga-Höchstgehalt liegt derzeit bei 242 000 Dollar. Das ist ein Witz im Vergleich mit der Männerliga NBA, wo das Mindestgehalt bei 1,1 Millionen pro Saison liegt.

Die besten WNBA-Spielerinnen verdienen deshalb in der Winterpause im Ausland dazu: Die deutsche Spielerin Satou Sabally hat gerade einen neuen WNBA-Vertrag bei den Dallas Wings für 195 000 Dollar unterschrieben. In China, wo sie kürzlich mit Shangdong im Viertelfinale scheiterte, dürfte sie etwa das Doppelte bekommen haben. Dieser Gehälter-Unterschied war auch Gesprächsthema nach der Festnahme der US-Spielerin Brittney Griner wegen Marihuana-Besitzes am Flughafen von Moskau. Sie spielte 2022 aus demselben Grund in Russland.

Vor zwei Jahren hat der Supreme Court ein wegweisendes Urteil gefällt

Kann die US-Liga ihre Spielerinnen also nicht ordentlich bezahlen? Nein, es liegt nicht nur an den geringeren Einnahmen, dem üblichen Totschlagargument. Es liegt auch daran, dass die NBA den Spielern die Hälfte der Einnahmen weiterreicht, die WNBA aktuell aber nur ein wenig mehr als 20 Prozent der derzeit 200 Millionen Dollar Umsatz. Die Begründung: Es ist eine junge Liga, da muss erst etwas aufgebaut werden.

Vor zwei Jahren hat der Supreme Court entschieden, dass College-Sportler zwar nicht direkt von Unis bezahlt werden dürfen, wohl aber mit der Vermarktung ihrer Persönlichkeitsrechte. Einige von ihnen verdienen Millionen: Football-Quarterback Shadeur Sanders von der University of Colorado etwa 3,8 Millionen Dollar, Turnerin Livvy Dunne ist mit 3,2 Millionen die bestbezahlte Frau.

Clark wird in dieser College-Saison über diese sogenannten NIL-Rechte (NIL steht für "Name, Image, Likeness") etwa zwei Millionen Dollar verdienen, ihr Marktwert für die kommende Saison - ob Uni oder Profis - wird auf 3,1 Millionen Dollar geschätzt. Das bedeutet: Sie braucht lediglich eine Plattform für ihre Kunst, dabei fällt finanziell nicht besonders ins Gewicht, ob sie nun für null Dollar eine Uni-Saison dranhängt oder fürs Rookie-Gehalt in der Profiliga spielt. Wenn sie so wirft wie am Dienstag - sie brach mit ihren sieben Dreiern den Rekord für die über die Geschlechter hinweg meisten Drei-Punkt-Würfe der Uni-Geschichte -, dann sehen die Leute zu. Egal, wo das ist.

Der Druck lastet vielmehr auf der Frauen-Profiliga. Die muss nach Auslaufen des TV-Vertrags 2025 einen ähnlichen Umsatzsprung hinlegen wie der College-Verband - derzeit bekommt sie 60 Millionen Dollar pro Jahr. Und sie muss ihre Spielerinnen stärker an den Einnahmen beteiligen. Die WNBA benötigt Caitlin Clark mehr, als Clark die WNBA braucht, und es gibt für Sportler noch eine viel frustrierendere Sache, als Gegner nicht aufhalten zu können: für Leistungen nicht adäquat entlohnt zu werden.

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