US-Sport:Millionen für die Amateure

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Ordentliches Studentenauskommen: Shedeur Sanders, Quarterback der University of Colorado, kommt auf Einnahmen in Höhe von 3,8 Millionen Dollar in diesem Jahr. (Foto: Kirby Lee/USA Today/Imago)

Erstmals in der Geschichte des amerikanischen Universitätssports dürfen Athleten dort Geld verdienen. Eine neue Zeitrechnung im US-Sport beginnt - und die ersten Jahre sind Wilder Westen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Sind das auf dem Feld Amateure oder Profis? Das ist die Frage, die man stellen kann beim Football-Finale der Universitäten von Michigan und Washington. Etwa 30 Millionen Amerikaner werden vor Bildschirmen sitzen. Der Sportsender ESPN bezahlt pro Jahr 470 Millionen Dollar für die Übertragungsrechte an den beiden Halbfinal-Partien über Neujahr und das Endspiel in Houston. 155 Jahre nach der ersten College-Football-Meisterschaft, die damals Princeton University gewann, ist dies ein gewaltiges Geschäft, obwohl die Akteure auf dem Rasen offiziell Amateure sind. Vor zwei Jahren gab es aber eben auch die NIL-Entscheidung des Supreme Court, die den US-Sport verändern dürfte wie kaum eine andere zuvor: Die Spieler sind nun nämlich auch Profis.

"NIL" steht für "Name, Image, Likeness". Der Oberste Gerichtshof hatte entschieden, dass die Regel, derzufolge Studenten keinen Cent mit ihren sportlichen Fähigkeiten verdienen dürfen, sollten sie am Uni-Sport teilnehmen wollen, verfassungswidrig ist. Die Lage ist, vereinfacht ausgedrückt, jetzt folgendermaßen: Die studierenden Athleten dürfen nach wie vor kein Geld von Unis erhalten - sehr wohl aber für Vermarktung von Persönlichkeitsrechten, wenn sie zum Beispiel Werbung machen. NIL ist aber insgesamt ein weites Feld: Man kann auch jemandem 10 000 Dollar bezahlen für einen kurzen Anruf beim Sohn zu Weihnachten. Die Folge ist: Eine ganze Reihe neuer Unwägbarkeiten.

Ein Footballtrainer ist einer der höchstbezahlten Beamten der USA

Seit dem Ruderrennen zwischen Harvard und Princeton im Jahr 1852 auf dem Lake Winnipesaukee lautete die Übereinkunft zwischen Universitäten und Sportstudenten: Die Hochschulen übernehmen Studiengebühren sowie Kosten für Miete, Material und Verköstigung - was in Michigan heute auf etwa 80 000 Dollar hinausläuft. Im Gegenzug halten die Sportstudenten ihre Knochen hin für Ruhm, Ehre und Einnahmen für die Colleges über TV-Rechte, Tickets und Merchandising. Die Sportfakultät in Michigan dürfte heuer mehr als 215 Millionen Dollar umsetzen. Der Football-Cheftrainer Jim Harbaugh ist mit einem Gehalt von 8,2 Millionen Dollar einer der bestbezahlten Beamten der USA; Michigan ist eine öffentliche Schule.

Diese Entwicklung zu Big Business im Uni-Sport führte zur Frage: Sollten Sportler ein wenig mehr von diesem riesigen Kuchen erhalten oder zumindest die Chance, ihre Fähigkeiten während der Studienzeit anderweitig zu monetarisieren, etwa über Preisgelder in Sportarten wie Tennis, Leichtathletik oder Turnen? Der Supreme Court sagte Ja - aber nicht von den Unis selbst.

Wie profitabel die Regelung sein kann, zeigen folgende Beispiele: Shedeur Sanders ist Quarterback der University of Colorado und mit Einnahmen in Höhe von 3,8 Millionen Dollar in diesem Jahr der bestbezahlte Uni-Footballspieler, gefolgt von Texas-Quarterback Arch Manning mit 2,9 Millionen. Der Sportstudent mit den höchsten Einnahmen ist Basketballspieler Bronnie James (6,1 Millionen). Diese Drei beweisen, dass bei der Vermarktung des Namens ein berühmter Name durchaus hilfreich ist: Sanders ist der Sohn der Sportlegende Deion Sanders (Football und Baseball). Manning entspringt dem Football-Adel der Mannings, Opa Archie und die Onkel Peyton und Eli waren NFL-Quarterbacks. Bronnie ist der Sohn von Basketball-Star LeBron James. Die höchstbezahlte Frau ist übrigens Turnerin Livvy Dunne mit 3,2 Millionen Dollar.

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Bronny, der Junior von Basketball-Legende LeBron James, absolviert seine ersten Uni-Partien. Die Aufmerksamkeit ist schon enorm, doch nach einem Herzinfarkt kehrt der 18-Jährige erst langsam zurück.

Von Jürgen Schmieder

Da stellt sich die Frage: Hat die Entscheidung nur dazu geführt, dass all jene, die ohnehin eine Profikarriere vor sich haben oder ohnehin berühmt sind, noch mehr Geld kriegen, oder hilft sie auch anderen Sportlern? Die Antwort ist dieselbe wie auf die Frage, ob die Jungs beim Football-Finale nun Profis oder Amateure sind: schwer zu sagen. Die ersten Jahre sind Wilder Westen; kaum abzusehen, was passieren wird.

Von den Entwicklungen betroffen sind übrigens nicht nur US-Sportler - sondern auch deutsche Talente, die einige Jahre lang die guten Trainingsbedingungen an US-Unis nutzen, aber eben auch Geld verdienen wollen. Zu diesen Athleten gehört unter anderen der Zehnkämpfer Leo Neugebauer, der an der University of Texas studiert und im vergangenen Sommer mit 8836 Punkten den deutschen Rekord von Jürgen Hingsen einstellte.

Bieter-Duell um ein Football-Talent

"Ich wusste, dass NIL kommen würde; aber nicht, dass es so sein würde, wie es jetzt kam", sagt Bubba Cunningham, Chef der Sportfakultät der University of North Carolina. Sportler verschieben nun den Beginn ihrer Profikarriere nach hinten, weil sie als Studenten auch gut verdienen - und für die Besten werden Millionen mobilisiert. Sponsoren der rivalisierten Colleges Miami und Florida etwa überboten sich gegenseitig mit NIL-Angeboten für das Quarterback-Talent Jaden Rashada, im Gespräch waren 13,8 Millionen Dollar. Daraus wurde nichts, weil die Sponsoren das Geld nicht liefern konnten. Rashada studiert nun an der Arizona State University. Es gibt keine konkreten Zahlen, geschätzt bekam er im ersten Uni-Jahr weniger als 800 000 Dollar.

"Es gibt nicht unendlich Geld", sagt Cunningham. Das ist jedoch Koketterie, wenn man sich den TV-Deal ansieht, den der College-Sport-Verband NCAA am Wochenende mit ESPN für alle Sportarten außer Football und Männer-Basketball geschlossen hat. Preis lag bislang bei 34 Millionen Dollar pro Jahr. Von nun an: 115 Millionen Dollar.

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