Basels Stürmer Alexander Frei:Versöhnt mit sich selbst

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In Dortmund ausgemustert, aus der Schweizer "Nati" zurückgetreten - erst in Basel hat Alexander Frei Frieden mit seiner Biographie geschlossen. Er kann gut damit leben, dass es modernere Stürmer gibt - schließlich beherrscht in seiner Heimat keiner das Toreschießen so gut wie er. Das will Frei auch in der Champions League gegen den FC Bayern zeigen.

Christof Kneer, Basel

Alexander Frei sitzt in der Hattrick Bar im Baseler Stadion, er erzählt und erklärt, es klingt alles ganz logisch, was er sagt, aber es kann nicht stimmen. Er erläutert gerade, warum er aus der Schweizer Nationalelf zurückgetreten ist, zu unbeliebt war er am Ende, die Leute wollten ihn nicht mehr sehen.

Marco Streller und Alexander Frei (oben) feiern den Einzug ins Champions-League-Achtelfinale. (Foto: dpa)

Es ist eine einleuchtende Geschichte, aber sie wird gestört von der Wirklichkeit, die in Form einer Schulklasse den Raum betritt. Ist das nicht Alex Frei? Kichern, bewundernde Blicke, Frei winkt hinüber, aber die Klasse traut sich nicht herbei. Alex Frei ist ein Star in der Schweiz, immer noch, und er ist eine Respektsperson.

Am Mittwoch werden sie Alexander Frei wahrscheinlich mehr lieben als je zuvor. Der FC Basel empfängt den FC Bayern, die kleine Schweiz spielt in der großen Champions League. In den Zeitungen wird viel über Xherdan Shaqiri berichtet, den 20-jährigen Schlingel vom rechten Flügel, der im Sommer für viel Geld zum FC Bayern überläuft. Die Zeitungen haben beschlossen, dass Shaqiri gut drauf ist und dass er den Bayern zeigen will, dass der für ihn aufgewendete Teil des Festgeldes gut angelegt ist.

Aber wenn es darum geht, wer diesen angeschlagenen FC Bayern treffen, verwunden, vielleicht gar: wer ihn besiegen kann, dann ist immer nur von Alexander, genannt: Alex, Frei die Rede. Er ist 32 inzwischen, aber ist immer noch, was er immer war: ein torgefährlicher Stürmer.

"Wir wollen die Bayern ein bisschen ärgern", sagt Alex Frei, und: Er wolle die beiden Spiele genießen. Es macht ihn gefährlich, dass man ihm das inzwischen glaubt. Frei war ja nie ein Genießer, er musste immer hart schuften und hart schießen für seine Tore, leicht fiel ihm nie was. Aber auf der Zielgeraden der Karriere hat ihn eine Lockerheit befallen, die seinem Spiel ziemlich gut tut.

Wie bei Michael Ballack?

Wenn Alex Frei seine Geschichte erzählt, dann gibt es Stellen, die einem bekannt vorkommen. "Das ist ähnlich wie bei Michael Ballack", sagt Frei einmal sogar selbst, aber dann horcht er diesem Vergleich nach, erschrickt vorschriftsmäßig und nimmt ihn gleich wieder zurück. "Ich möchte nicht, dass es heißt: Alex Frei ist der Ballack der Schweiz", sagt er. Aber natürlich erkennt er selbst ein paar Parallelen, den kantigen Charakter des Hauptdarstellers, die Jugendwelle im Land, die allmählich nachlassende Schaffenskraft, die böse Frage, ob man den Alten noch braucht.

Im November 2010, bei einem EM-Qualifikationsspiel gegen Wales, ist er vom Publikum "bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen worden", wie er sich erinnert, "in Basel, im eigenen Stadion!" Als er später unter ohrenbetäubendem Gepfeife ausgewechselt wurde, hat er noch auf dem Feld eine Handbewegung gemacht, Schluss!, hieß das, das war's! "Als Vereins-Spieler ausgepfiffen zu werden, ist ja okay", sagt er, "aber als Nationalspieler ist das ein absolutes No-go."

Er ist kurz darauf aus der Nati zurückgetreten, gemeinsam mit dem Basler Sturmkumpel Marco Streller, "ich hab' gemerkt, dass ein Torjäger, der nicht mehr so oft trifft, angreifbar wird und lieber die Jüngeren ranlassen sollte". Seit dieser Entscheidung, sagt er, sei "eine Menge Druck abgefallen".

Alex Frei hat seinen Frieden gemacht mit den jüngsten Kapiteln seiner Biographie, er hat sein Selbstbewusstsein mit etwas Selbstironie unterlegt. In der Stadionbar, in der er sitzt, hängen Bilder von den ganz Großen, von Beckenbauer, Beckham, Platini, Schuster. Frei amüsiert sich, dass er unter einem Bild von Jürgen Klinsmann sitzt, Torjäger unter Torjäger, das gefällt ihm, aber er weiß natürlich, dass er in diese Galerie nicht gehört.

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Einerseits. Andererseits hat er all seinen Teams monumentale Quoten hinterlassen: Für die Schweiz traf er 42mal in 84 Partien, beim FC Basel stehen seit 2009 in 72 Spielen 53 Tore in der Bilanz, bei Borussia Dortmund fanden in 74 Spielen 34 Tore Eingang in die Personalakte.

Ein "jagender Stürmer" war Alex Frei nie - aber seine Tore gaben ihm immer Recht. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Frei ist ein Spieler des Übergangs, wie Ballack, er betreibt seinen Sport mitten in der Zeitenwende. Vor ein paar Jahren gab es für einen Klub nichts Praktischeres, als einen Stürmer zu haben, der verlässlich den Sinn des Spiels (= Tore schießen) erfüllt. Inzwischen aber gibt es immer mehr Trainer, die den Sinn des Spiels darin sehen, dass Stürmer zwölf Kilometer rennen und vorne schon mit diesem lästigen Pressing beginnen. "Ich glaube, dass der klassische Torjäger nie ganz ausstirbt", sagt Frei zwar, "aber die Tendenz geht in eine andere Richtung."

Frei hat die Zeitenwende am eigenen Leib erlebt, auch das ist es ja, was diesen Spieler für den FC Bayern so unangenehm macht. Wenn sie Frei sehen, sehen sie ständig Borussia Dortmund vor sich; an Frei kann man erklären, wie der BVB wurde, was er ist. Jürgen Klopp zählt zu jenen Trainern, die Stürmer in die neuen Pflichten nehmen, es gehörte zu seinen ersten Amtshandlungen, Frei auf seine Verzichtbarkeit hinzuweisen. Klopp wollte lieber jagende Stürmer, so nennt er das, er hat Frei zum Joker reduziert und dafür Valdez und Zidan befördert, die monströs viel rennen, Tore aber höchstens aus Versehen schießen.

Es war der erste, der Allgemeinheit noch unverständliche Schritt auf dem Weg zu jener hochmodernen Elf, die jetzt die Bayern bedroht. "Die Dortmunder kommen heute brutal übers Läuferische, für mich sind sie im Spiel ohne Ball die beste Elf Europas", sagt Frei. Und dass die Dortmunder damals schon die Stürmer Barrios und Lewandowski beobachteten, konnten sie ja weder der Öffentlichkeit mitteilen noch ihrem Stürmer Alex Frei.

"Schon damals war zu spüren, dass der Klub bald durchstarten würde", sagt Frei, "Klopp und der BVB, das ist, als ob sich zwei Partner gesucht und fürs Leben gefunden haben." Frei kann das so gelassen sagen, er kann gönnen, sein Abschied verlief im Guten. Die BVB-Bosse haben ihn die frühe Heimkehr nach Basel als Teil eines langgehegten Plans verkünden lassen, und heute, sagte er, "umarmen wir uns alle, wenn wir uns sehen".

Irgendwann, sagt Alexander Frei, würde er den Dortmundern gerne mal in der Champions League begegnen. Aber vorher will er erst ein Tor gegen den FC Bayern schießen.

© SZ vom 21.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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