Er ist ein Kind der Bundesliga, seit 1963 dabei - und bekannt für seinen kauzigen Charme: Otto Rehhagel war einst ein bissiger Abwehrspieler, dann feierte er mit Bremen und Kaiserslautern große Erfolge und schließlich coachte er rumpelnde Griechen zum EM-Titel. Jetzt soll er Hertha BSC Berlin vor dem Abstieg bewahren. Sein Leben in Bildern. Da ist er wieder - und nur ein bisschen alt. Otto Rehhagel (li.) kehrt zurück in die Bundesliga. Auf einer Pressekonferenz stellte Hertha BSC am Sonntag den neuen Trainer vor. Zwölf Jahre war der Mann, den sie "König Otto" nennen, nicht mehr in Deutschland tätig - jetzt soll er den angeschlagenen Hauptstadtklub vor dem Abstieg bewahren. "Wir werden das schaffen, aber nur gemeinsam. Unnötige Kriegsschauplätze müssen alle außen vor bleiben. Ich rede nur noch über Fußball", sagte Rehhagel an der Seite von Manager Michael Preetz.
Rehhagel und die Hertha - das ist ein uraltes Kapitel. Zum Bundesligastart 1963 unterschrieb der junge Verteidiger einen Vertrag bei den Berlinern, sein vorheriger Verein RW Essen erhielt damals 10.000 Deutsche Mark Ablöse. Für so wenig Geld bekam man damals noch richtige Berühmtheiten. Doch es wurde keine besonders erfolgreiche Saison: Mit Rehhagel in der Abwehr (li.) verlor die Hertha viele Spiele - hier eine Szene vom 0:3 gegen Köln.
Nach einem finanziell bedingten Zwangsabstieg der Hertha spielte der zweikampfstarke und schnittig frisierte Rehhagel ein Jahr in der zweiten Liga. Doch weil die Berliner den Wiederaufstieg verpassten, wechselte er 1968 mit 27 Jahren zum 1. FC Kaiserslautern.
Rehhagel galt weiterhin als vielseitig einsetzbarer Abwehrmann und flinker Läufer, doch auch in der Pfalz war er nicht mit sportlichem Glück gesegnet. Zwar schaffte es der FCK zunächst auf Platz fünf, doch schon in Rehhagels zweitem Jahr reihte sich in Kaiserslautern Trainer an Trainer - nach insgesamt vier Wechseln an der Seitenlinie und zwei schweren Verletzungen musste der gebürtige Essener seine aktive Karriere im Sommer 1971 beenden. Für den FCK schaffte Rehhagel in 148 Bundesligaspielen 17 Tore.
Doch der Fußball ließ den ehrgeizigen Lockenkopf nicht los: Schon kurz nach seinem Aus als Aktiver machte Rehhagel eine Ausbildung zum Fußballlehrer und nahm seinen ersten Job beim 1. FC Saarbrücken an. Nach einigen internen Querelen bei den Saarländern heuerte er 1973 als Ko-Trainer bei den Kickers Offenbach an. Nach einem Jahr als Assistent wurde Rehhagel Chefcoach beim Bundesligisten - und besiegte mit den Kickers 1975 die Bayern um Uli Hoeneß, Franz Beckenbauer und Gerd Müller 6:0.
Ein Kurzengagement bei Werder Bremen geriet für Rehhagel zum großen Erfolg, als er die Hanseaten 1976 vor dem Abstieg bewahrte. Bleiben wollte der Trainer mit der eigenwilligen Pfeif-Art aber nicht - schließlich bot Aufsteiger Borussia Dortmund ihm eine attraktive Stelle als Chefcoach an. Schon damals galt Rehhagel als die Sorte Trainer, die im Fußballjargon als "harter Hund" bezeichnet wird. Nach zwei turbulenten Jahren beim BVB (viel Offensive, viele Gegentore) und einer legendären 0:12-Pleite gegen Gladbach musste Rehhagel gehen. Es blieb ihm der wenig schmeichelhafte Spitzname "Torhagel".
Nach weiteren Trainerstationen in Bielefeld und Düsseldorf gelangte Rehhagel 1981 zurück zu Werder Bremen - und sollte dort ganze 14 Jahre bleiben. Gleich zu Beginn seiner zweiten Station in Bremen musste er mitansehen, wie sein Spieler Norbert Siegmann Bielefelds Ewald Lienen die vielleicht grausamste Verletzung der Bundesliga-Geschichte zufügte - an Lienens Oberschenkel klaffte eine riesige, offene Fleischwunde. Dass Rehhagel Siegmann zuvor "Pack' ihn dir" zugerufen haben soll, brachte dem Werder-Coach wochenlange Kritik und eine Vorladung vor Gericht ein. Rehhagel wurde aber freigesprochen.
Unter Rehhagel avancierte Werder schnell vom schüchternen Aufsteiger zur Spitzenmannschaft. 1982 holte er einen jungen Stürmer namens Rudolf Völler in die Hansestadt, der die Bremer sogleich als Torschützenkönig zu einem überraschenden zweiten Platz schoss. Im Jahr darauf wurde Werder Fünfter, gefolgt von zwei weiteren Vize-Meisterschaften. In der Abwehr baute Rehhagel damals auf den heutigen SVW-Coach Thomas Schaaf. Gerne verteilte "König Otto" während der Arbeit auch mal einen freundlichen Tritt an einen Spieler des gegnerischen Teams.
Tragisch verlief das Saisonende 1986: Bremen glaubte den Titel bereits sicher zu haben, doch weil Michael Kutzop (im Bild) am vorletzten Spieltag gegen die Bayern einen Elfmeter vergab und Bremen das Saisonfinale gegen Stuttgart verlor, verpassten die Norddeutschen den Titel.
Seine erste Meisterschaft durfte Rehhagel dann aber zwei Jahre später feiern: Mit Spielern wie Ulli Borowka, Karl-Heinz Riedle oder Dieter Eilts gewannen die Bremer 1988 die Schale - es war der erste Bremer Titelgewinn seit 1965.
Es wurden sehr erfolgreiche Jahre für Rehhagel: 1991 holte Werder den DFB-Pokal, so dass man im Jahr darauf im Europapokal der Pokalsieger antreten durfte. Und auch dort holte Rehhagel mit seinem Team den Pott - im Finale in Lissabon schlug Werder den AS Monaco 2:0. Auf dem Rückflug feierte der damals 54-jährige Coach stolz seinen ersten internationalen Erfolg. Längst lag ganz Bremen seinem "König" zu Füßen. Zumal Rehhagel 1993 gleich die zweite Meisterschaft folgen ließ.
Seine Erfolge und sein kauziger Charme weckten Begehrlichkeiten. Der Mann, der in Bremen die "kontrollierte Offensive" etablierte, sollte 1995 als Trainer des FC Bayern den "FC Hollywood" bändigen. Doch das ging schief: Rehhagel kam mit der großen Medien-Aufmerksamkeit und den eitlen Münchner Berühmtheiten im Kader nicht klar und musste nach einer 0:1-Heimpleite gegen Rostock im April 1996 gehen. Viele warfen dem Altmeister damals seine Sturheit vor, sich nicht von den Bayern-Verantwortlichen beraten zu lassen.
Es dauerte nicht lange, da hatte Rehhagel eine neue Aufgabe gefunden: Beim 1. FC Kaiserslautern, wo er als Spieler zwischen 1968 und 1972 seine beste Zeit hatte, suchte man nach dem tragischen Abstieg 1996 einen begeisterungsfähigen und erfahrenen Übungsleiter. Weil im Verein ohnehin gerade ein großer Umbruch stattfand, wechselten die Pfälzer auch den Trainer aus - und holten Rehhagel. Mit ihm an der Linie gelang überlegen der sofortige Wiederaufstieg.
Und weil Otto Rehhagel ein Mann für die besonderen Triumphe ist, ließ er mit dem FCK 1998 gleich die Meisterschaft folgen. Als bisher einziger Aufsteiger der Ligageschichte sicherten sich die Pfälzer um Andi Brehme und Ciriaco Sforza (im Bild) die Schale - seinen Schweizer Kapitän bezeichnete Rehhagel stets liebevoll als "Quarterback".
Als sich "König Otto" im Herbst 2000 nach einigen internen und sportlichen Problemen aus Kaiserslautern verabschiedete, stand seine Trainerkarriere eigentlich vor dem Ende. Rehhagel war 62 Jahre alt und galt trotz seiner großen Erfolge langsam aus Auslaufmodell in Sachen Taktik. Doch einmal mehr bewies er sein enormes Talent, aus mittelmäßigen Fußballern ein funtionierendes Team zu formen: 2001 schickte er sich als Trainer der griechischen Nationalelf an, Geschichte zu schreiben.
Mit ihrem deutschen Trainer spielten die Griechen bei der Euro 2004 in Portugal nicht unbedingt zauberhaften Fußball, doch sie kassierten kaum Gegentreffer. So mogelte sich Rehhagels Auswahl von Läufern, Kämpfern und Abwehrtürmen bis ins Finale - und sorgte dort dank eines Tores von Angelos Charisteas für eine der größten Überraschungen der modernen Fußballhistorie: Durch ein 1:0 im Finale gegen Portugal wurde Griechenland Europameister - aus Otto Rehhagel wurde an diesem Abend "Rehhakles", während in Athen ein nie dagewesener Jubel-Wahnsinn ausbrach.
Neun Jahre blieb Rehhagel seinen Griechen treu - in dieser Zeit lehnte er sogar ein Angebot des DFB ab, Rüdi Völlers Nachfolger als Bundestrainer zu werden. Zwar verpasste Griechenland die WM 2006 in Deutschland, doch bei den folgenden beiden Großevents (Euro 2008 und WM 2010) war Rehhagel mit seiner erfahrenen Mannschaft dann wieder dabei. Seinen sensationellen Erfolg konnte der mittlerweile 72-Jährige aber nicht mehr wiederholen, so dass Rehhagel im Sommer 2010 bei den Griechen aufhörte.
Immer an seiner Seite ist seine Frau Beate. Eines von Rehhagels unzähligen Bonmots über seine Ehe lautet: "Ich biete mich nirgendwo an - außer bei meiner Frau." Diesem Prinzip blieb er auch jetzt treu, als ...
... Hertha-Manager Michael Preetz ihn zu einem Rettungs-Engagement in Berlin überredete. Bei italienischen Häppchen traf man sich abends zum Plausch und weil "König Otto" den Fußball offensichtlich immer noch fast so sehr liebt wie seine Gattin, sagte er schließlich zu. "Ab Montag bin ich das Gesetz", sagte der fröhliche 73-Jährige - und ergänzte: "Es ist ja nur für drei Monate. Es wird eine spannende Zeit. Und ich freue mich, dass ich solch eine Aufgabe übernehmen kann. Ich habe ja auch früher hier gespielt und Berlin ist ein besonderer Ort. Ich möchte, dass Hertha in der Bundesliga bleibt."