Champions League der Frauen:Für alle ein Stück Tornetz

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Meister und Champions-League-Sieger: Kapitänin Vicky Losada (mit Trophäe) und der FC Barcelona standen 2019 gegen Lyon bereits im Finale, damals verloren sie noch 1:4. (Foto: Michael Erichsen/imago)

50 Jahre Entwicklung, und dann vier Tore in 36 Minuten: Der FC Barcelona zeigt mit der Demontage des FC Chelsea im Finale, dass der spanische Frauenfußball international endlich auf Augenhöhe ist.

Von Anna Dreher, Göteborg/München

Wie oft hatten sie sich diesen Moment schon vorgestellt. Und nun, da es so weit war, konnten die Spielerinnen des FC Barcelona fast nicht aufhören, sich zu umarmen, zu singen und zu tanzen. Als eine nach der anderen eine Medaille um den Hals bekam, küssten und tätschelten sie den silbernen Pokal im Vorbeigehen. Und als Vicky Losada ihn an seinen geschwungenen Henkeln am Sonntag in die Höhe riss, entlud sich all die Freude im Konfettiregen bis in die Nacht. Die Kapitänin der Katalaninnen hatte mit ihrem Team Historisches erreicht, ihren ersten Titel in der Champions League, der den FC Barcelona zum ersten Fußballklub macht, dessen Frauen und Männern das gelungen ist.

1992 hatte José Ramón Alexanko im Londoner Wembley-Stadion den Pott als erster Spieler des FC Barcelona in die Hände bekommen, nun war es fast exakt 29 Jahre später Losada im Göteborger Gamla Ullevi als erste Spielerin. Und es dauerte lange, ehe sie nach dem 4:0 gegen den Chelsea FCW den Weg vom Rasen in einen Raum vor eine Kamera gefunden hatte.

"Ich kann es noch nicht glauben, das ist eine Freude für alle Culés", sagte die 30-Jährige, die als Mädchen in Barcas Jugendakademie La Masia angefangen hatte. "Wir haben damals die Champions League geschaut. Sie selbst zu gewinnen war unvorstellbar, weil der Frauenfußball in Spanien noch nicht so weit war. Das ist ein großer Tag für den Fußball in unserem Land." Sie hatte eines der Tornetze umgehängt, das zwischen allen aufgeteilt werden sollte. Schließlich sei jede Erinnerung wichtig. Denn nun, sagte Losada in der Nacht noch, "ist ein Traum in diesem Trikot in Erfüllung gegangen, ich kann in Frieden sterben."

Rückschlag nach 33 Sekunden: Chelsea's Torhüterin Ann-Katrin Berger erwischt den Ball nicht mehr, den ihre DFB-Kollegin Melanie Leupolz kurz zuvor unglücklich zum 1:0 für den FC Barcelona ins Tor gelenkt hatte. (Foto: Martin Meissner/AP)

2019 hatten die Fußballerinnen des FC Barcelona erstmals im Finale der Königsklasse gestanden und waren gegen Rekordsieger Olympique Lyon 1:4 untergegangen. "In den zwei Jahren hat das Team eine brutale Veränderung durchgemacht. Wir verdienen es", sagte Mariona Caldentey. Von der ersten Sekunde an ließ der FC Barcelona keinen Zweifel daran aufkommen, dass dieser Titel unbedingt nach Spanien gehen sollte. Überfallartig waren die Azulgrana losgestürmt, Lieke Martens donnerte den Ball aus 18 Metern an die Latte - und als Chelseas Fran Kirby den vermeintlichen Rettungsschuss aus der Gefahrenzone absetzte, traf sie Melanie Leupolz, von deren Bein der Ball geradezu perfekt ins linke Eck flog. Eigentor nach 33 Sekunden. Wie schlecht kann man in ein Finale starten?

Barca entwaffnet Chelseas Angriff und spielt seine eigene offensive Stärke und Effizienz aus

Chelsea, das wie der FC Barcelona als frisch gekürter Meister vor Selbstbewusstsein gestrotzt hatte, wurde derart aus dem Konzept gebracht, dass es sich nicht mehr davon erholen sollte. Vor allem für Leupolz wurde der Abend einer zum Vergessen. Jenni Hermoso ging im Duell mit der deutschen Nationalspielerin zu Boden - nach Rücksprache mit dem Videoassistenten blieb die deutsche Schiedsrichterin Riem Hussein bei ihrer Entscheidung und zeigte auf den Elfmeter-Punkt. Alexia Putellas traf lässig zum 2:0 (14. Minute). Und während Barca-Trainer Lluís Cortés, 34, freudig-fassungslos ob des außergewöhnlichen Auftritts seines Teams aufs Spielfeld blickte, war Chelsea-Trainerin Emma Hayes, 44, damit beschäftigt, sich irgendetwas einfallen zu lassen.

Chelsea versuchte, defensiv dicht zu stehen. Aber die Barca-Spielerinnen bahnten sich mit dem für diesen Klub typischen Kurzpassspiel konsequent ihre Wege. Nach 20 Minuten traf Aitana Bonamatí zum 3:0. Die deutsche Torhüterin Ann-Katrin Berger versammelte ihre Mitspielerinnen um sich, die Hoffnungen ruhten auf dem Sturmtrio Kirby, Samantha Kerr und Pernille Harder. Aber Barca entwaffnete Chelseas Angriff, dem es an Durchsetzungskraft und Präzision fehlte, und spielte seine eigene offensive Stärke und Effizienz kontrolliert aus. 128:5 Tore in der noch nicht beendeten spanischen Liga spiegeln die Dominanz dieses Teams in dieser Saison deutlich wider. Schließlich erzielte Caroline Graham Hansen das 4:0. Vierte Chance, viertes Tor. Das Finale war vorbei, in der 36. Minute.

Kurz nach dem ersten Champions-League-Finale der Frauen können Fußballerinnen offiziell beim FC Barcelona spielen

Und wie bedeutsam dieser Erfolg für die Katalaninnen war, ging im Nachgang aus vielen ihrer Aussagen hervor. Der Frauenfußball ist in Barcelona seit 1970 zwar länger Teil der Geschichte als an manch anderem Ort. Offiziell aber wurden die Fußballerinnen erst am 26. Juni 2002 zu einer Abteilung des Spitzenklubs, knapp einen Monat nachdem der 1. FFC Frankfurt das erste Champions-League-Finale der Frauen gewonnen hatte. 2012 nahm der FC Barcelona erstmals an dem Wettbewerb teil, 2016 wurde die Abteilung professionalisiert und hat sich seither durch die Unnachgiebigkeit ihrer Mitglieder zu einer der besten Adressen entwickelt.

"Die Leute bemerken das nicht, aber das ist ein riesiger Schritt. Das öffnet Türen für Frauen, für Mädchen" sagte Vicky Losada. "Sie können jetzt davon träumen, die Champions League zu gewinnen, was mir erst seit zwei Jahren möglich war." Und so stand jener Moment im Konfettiregen von Göteborg nicht nur für die Vehemenz von Barcas aktuellen und früheren Fußballerinnen - er symbolisierte auch die Hoffnung auf stetige Weiterentwicklung und sperrangelweit offen stehende Pforten.

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