Footballprofi Lamar Jackson:Auf sich selbst gewettet

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Unaufhaltsam - und das mit dem Team auf den Schultern: Lamar Jackson hängt hier die Houston Texans ab. (Foto: Mitch Stringer/USA TODAY Sports via Reuters Con)

Jahrelang haben Spielmacher Lamar Jackson und die NFL-Franchise Baltimore Ravens um einen langfristigen Vertrag gezockt. Vor dieser Saison haben sie sich geeinigt - was sich nun auszahlen könnte.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

"Nein, nein, nein", sagte Lamar Jackson, er könne auf keinen Fall wortwörtlich wiederholen, was er seinen Kollegen in der Halbzeit mitgeteilt habe: "Das wäre unanständig." 10:10 hatte es geheißen zwischen den haushoch favorisierten Baltimore Ravens und den Houston Texans; also riss der Ravens-Spielmacher den Mitspielern unter, so viel verriet er doch, Gebrauch wüster Schimpfwörter gepflegt den Allerwertesten auf: "Ich war einfach wütend, also habe ich deutlich gesagt, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als einfach besser zu spielen."

34:10 hieß es am Ende, und es schien, als habe der Footballer Jackson seine Wutrede vor allem an sich selbst gerichtet: Zweimal warf er den Ball zu Kollegen in die Endzone, zweimal lief er selbst hinein; vier Touchdowns in einem Spiel, ein Al-Bundy-mäßig guter Wert, und man kann sagen: Jackson hat genau das gebraucht, diesen Einzug ins Halbfinale und so eine Vorstellung.

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Es wird gerade viel debattiert über die Quarterbacks in der US-Profiliga NFL, weil sich deren Spielweise erheblich verändert hat. Es gibt nach wie vor die präzisen Werfer (Brock Purdy von Halbfinalist San Francisco 49ers) und umsichtigen Ballverteiler (Jared Goff von 49ers-Gegner Detroit Lions); es gibt mittlerweile aber auch die Lauf-Spielmacher, die intuitiv selbst loslaufen, wenn sich der Spielzug nicht entwickelt wie geplant - und für die eigene Strategien entworfen werden wie etwa der "Tush Push" der Philadelphia Eagles, bei dem Kollegen dem unfassbar athletischen Quarterback Jalen Hurts auf kurzer Distanz durch Anschieben helfen. Es eröffnet taktische Varianten, birgt aber eben immer die Gefahr: Ein Zusammenprall mit der gegnerischen Defensive kann das verletzungsbedingte Ende der Saison für den wichtigsten Akteur eines Teams bedeuten - wie bei Jackson und den Ravens jeweils in den vergangenen drei Spielzeiten.

Die Frage, die aus dieser Quarterback-Debatte entsteht: Was sollte man einem wie Jackson bezahlen, der 2019 zum wertvollsten Spieler der NFL gewählt worden ist und nun wieder gute Chancen auf diesen Titel hat? Der aber auch wegen seiner Spielweise häufig verletzt ist und den Makel mit sich trug, von vier Playoff-Partien in sechs Profijahren nur eine gewonnen zu haben.

Die Ravens und Jackson spielten zwei Jahre lang "Wer zwinkert zuerst?", bei dem die Franchise die Strategie verfolgte, Jackson mit verpflichtenden Einjahresverträgen zu halten: Ein Verein kann per so genanntem "Franchise Tag" einen Spieler zum Bleiben verpflichten, indem es ihm entweder 20 Prozent mehr oder das Durchschnittsgehalt der fünf bestbezahlten Akteure auf dieser Position überweist. Das taten die Ravens, nachdem Jackson ein Angebot über 49 Millionen Dollar pro Saison und vier Jahre Laufzeit abgelehnt hatte. Er wettete sozusagen auf sich selbst und darauf, unverletzt zu bleiben - für einen noch besser dotierten Vertrag. Jackson hielt sich für den besten Quarterback der Liga, der MVP-Award bestätigte das seiner Sicht nach, also wollte er auch das meiste Geld verdienen.

In dieser Sommerpause der Test: Die Ravens versahen ihn nur mit dem "Non-Exclusive Franchise Tag", also: 32,5 Millionen Dollar Gehalt statt 45,5 Millionen, die beim exklusiven fällig wären. Dafür durften andere Vereine Angebote abgeben, dann hätten die Ravens entscheiden können: Jackson behalten mit Übernahme des höchsten Angebots - oder abgeben und dafür vom neuen Verein zweimal Erstrunden-Wahlrecht bei der jährlichen Talentbörse kassieren. Ja, genau so funktionieren Vertragsverlängerungen und Vereinswechsel in der NFL.

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"Ich werde nicht jünger", hatte Jackson während der Woche gesagt: "Ich bin so gestresst, weil ich jetzt gewinnen will."

Die öffentlich bekannten Angebote anderer Vereine für Jackson: null. Beide Seiten sahen, dass sie womöglich doch nicht bekommen würden, was sie sich versprachen. Das Ende der Verhandlungen, bei denen Jackson übrigens sein eigener Manager war: maximal 260 Millionen über fünf Jahre, davon aber nur 185 Millionen (also 37 Millionen pro Jahr) garantiert.

Jackson, 27, hat also auf sich selbst gewettet, und sollte er verletzungsfrei bleiben und gewinnen (die Boni sind vor allem an diese beiden Aspekte geknüpft), dann werden sowohl die Ravens als auch er als Sieger dieses zwei Jahre dauernden Patts gelten. Die Reise begann am Samstag bei der ersten Playoff-Partie für die Ravens in dieser Saison, sie hatten in der ersten Runde ein Freilos. Jackson, dem aufgrund seiner Playoff-Bilanz der Makel anhaftete, in bedeutsamen Partien nicht so effektiv zu sein wie in der regulären Saison, packte das Team auf seine Schultern. Zum dritten Mal in seiner Karriere schaffte er mindestens 100 Yards Raumgewinn mit Läufen in einem Playoff-Spiel, das hat vor ihm noch kein NFL-Quarterback geschafft - genauso wie diese Kombination der statistischen Werte: zwei Touchdown-Pässe und mehr als 100 (121,9) im wichtigen Quarterback-Rating; zwei Läufe in die Endzone und 100 Yards mit Läufen; kein Ballverlust.

"Ich werde nicht jünger", hatte Jackson während der Woche gesagt: "Ich bin so gestresst, weil ich jetzt gewinnen will. Ich brauche den Titel jetzt." Das wäre auch eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob Quarterbacks angesichts der Gehaltsobergrenze das viele Geld wert sind - das dann ja auf anderen Positionen fehlt. In der NFL-Geschichte hat nämlich erst ein Spielmacher mit einem Gehalt von mehr als 35 Millionen Dollar am Ende auch den Super Bowl gewonnen: Patrick Mahomes im vergangenen Jahr mit den Kansas City Chiefs. Halbfinalgegner der Ravens am Sonntag: Patrick Mahomes und die Kansas City Chiefs.

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