Nun ist er also weg. Nach wochenlangem Theater - man könnte auch das Wort Zirkus verwenden - hat es Pierre-Emerick Aubameyang geschafft, Borussia Dortmund zu verlassen und beim FC Arsenal anzuheuern. Er soll dort zehn Millionen Euro netto statt brutto verdienen. Das ist natürlich schön für ihn und grundsätzlich ist es in der Arbeitswelt auch kein außergewöhnlicher Vorgang, wenn sich ein Arbeitnehmer für einen besser dotierten Vertrag entscheidet.
Nun ist es aber auch in der normalen Arbeitswelt so, dass Verträge einzuhalten sind. Pacta sunt servanda sagt der Lateiner und das Rechtslexikon sagt, dass dieser Grundsatz der wichtigste Grundsatz des Vertragsrechts sei. Mei, was kümmert das in der Welt des Fußballs?
Der BVB verliert fünf Klasse-Spieler in drei Jahren
Bei Borussia Dortmund gilt vor allem in jüngerer Vergangenheit eher der Grundsatz, dass Verträge nicht eingehalten werden. Nicht nur Aubameyang (der seinen Vertrag übrigens erst am 18. Dezember 2017 bis 2021 verlängert hatte), auch Ousmane Dembélé schaffte es vor der Saison, sich aus Dortmund mehr oder weniger zum FC Barcelona zu streiken. Und eine Saison davor verkündete Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, dass das Trio Mats Hummels, Henrikh Mkhitaryan und Ilkay Gündogan unter keinen Umständen vollständig den Verein verlassen werde. Das Trio verließ dann vollständig den Verein.
Transfer in die Premier League:Aubameyang wechselt vom BVB zum FC Arsenal
Die beiden Klubs einigen sich nach wochenlangem Gerangel auf einen Transfer und eine Ablösesumme von 63,75 Millionen Euro. Der Stürmer flog in einem Privatjet nach London und absolvierte dort den Medizincheck.
Der BVB hat jedenfalls innerhalb von drei Jahren fünf Spieler von gehobener internationaler Klasse verloren. Das ist eigentlich nicht zu kompensieren und sicherlich einer von mehreren Gründen, warum der BVB gerade da steht, wo er steht - nämlich 19 Punkte hinter dem FC Bayern. Zur Erinnerung: Borussia Dortmund will eigentlich die Nummer zwei im deutschen Fußball sein.
Warum verliert Dortmund diese Spieler? Es liegt auch daran, dass der BVB finanziell eben nicht zum absoluten Elite-Zirkel des europäischen Fußballs gehört. Laut aktueller Rangliste sind sie der zwölft-"reichste" Klub Europas - was gut ist, aber immer noch bedeutet, dass sie halb so reich sind wie das Spitzentrio aus Manchester United, Real Madrid und dem FC Barcelona.
Es liegt aber auch daran, dass Spieler offenbar weg können, wenn sie wollen. Die Machtverhältnisse haben sich in den vergangenen Jahren verschoben. Es gilt die Faustregel: Der Spieler gewinnt immer. Gut, Borussia Dortmund hat nie versucht, Spieler mit Gewalt zu halten. Wobei man dazu sagen muss, dass sich das leichter fordern lässt, als es tatsächlich umzusetzen ist. Natürlich kann man darauf pochen, Aubameyang auf die Tribüne zu setzen: Aber dann würde man halt als Verein auch mehrere Millionen vernichten. Das wäre ein teurer Preis für die Moral.
Aber es gab ja zwei prominente Beispiel in der jüngeren Vergangenheit, wo Klubs genau das versucht haben: Spieler gegen ihren Willen zu halten. Einmal der FC Liverpool im Fall Coutinho. Der probierte im Sommer die gleiche Strategie wie Dembélé und wollte unbedingt zum FC Barcelona. Liverpool bliebt hart, mit dem Ergebnis, dass Coutinho noch 14 Premier League Spiele für den Klub von Trainer Jürgen Klopp machte (immerhin sieben Tore) und dann im Winter seinen Willen bekam. Der andere prominente Fall war Julian Draxler. Der forderte einst via Bild-Zeitung: Lasst mich gehen. Der VfL Wolfsburg ließ in nicht gehen, mit dem Resultat, dass Draxler schon auch sehr lustlos kickte, ebenfalls im Winter gehen durfte, wohin er schon im Sommer wollte, und der VfL bis auf den Relegationsplatz rutschte.
Es ist bislang kein relevanter Fall bekannt, bei dem ein Spieler trotz Fernweh irgendwo bleiben musste und das am Ende irgendwem irgendwas gebracht hätte. Wer sich dazu entscheidet, öffentlich zu poltern, der poltert irgendwann erfolgreich. Die Masse, die Vehemenz und auch die Skrupellosigkeit schreckt viele Menschen in der Welt des Fußballs auf. Matthias Sammer sagte vor Kurzem bei seinem Sender Eurosport: "Das ist aktuell überhaupt nicht mehr kontrollierbar. Wir haben eine Situation, die die Vereine überrennt."
Bundestrainer Joachim Löw sagt: "Dafür fehlt mir jedes Verständnis, schließlich besitzt ein Spieler auch eine Vorbildfunktion." Weiter kritisiert er: "Ein Streik ist das allerletzte Mittel, von dem man Gebrauch machen sollte. Ansonsten sind alle Verträge nichts mehr wert." Uli Hoeneß sagte erst am Montag auf einer Veranstaltung der Rheinischen Post: "Das ist für den Fußball nicht gut." Auch andere Manager, Sportdirektoren oder Vereins-Präsidenten äußerten sich ähnlich, oft in drastischen Worten.
Die Branche reagiert bei dem Thema auch deswegen so sensibel, weil sie merkt, dass die Macht von den Klubs in Richtung Spieler (und deren Berater) wandert. Es gibt nun mal keine wirksame Methode, einen Weltklasse-Spieler auf dem Platz zum Dribbeln zu zwingen. Welches Druckmittel hätte man denn? Ihn feuern? Das ist ja genau das, was der Spieler will. Ihn einfach nicht mehr für die Dauer seines Vertrages einsetzen? Dann würde man ein in der Regel fürstliches Grundgehalt für nichts und wieder nichts zahlen. Letztere Option könnten sich vielleicht ein paar wenige reiche Klubs leisten, um ein Exempel zu statuieren. Aber für einen Klub wie Dortmund kann das keine Option sein.
Borussia Dortmund ergeht es da ein bisschen wie dem SC Freiburg - nur zwei Nummern größer. Sie entdecken Spieler, führen sie an das Niveau heran, dann verlieren sie sie an die größeren Fische. Aubameyang kam einst für rund 13 Millionen Euro, wird nun für offiziell 63,75 Millionen weiterveräußert. Das sind die sogenannten Gesetze des Marktes. Freiburg entdeckt einfach seit Jahren immer wieder neue, gute Spieler. Das wird auch das Schicksal des BVB sein, jedenfalls so lange, bis sie in der Geld-Tabelle Europas noch weiter nach oben rutschen.