Fußball:Ein dickes Weihnachtsgeschenk für die Premier League

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Der Aufreger der Partie: Klopp stürzt, sein Spieler Tsimikas bricht sich das Schlüsselbein. (Foto: IMAGO/Peter Byrne/IMAGO/PA Images)

Im Spitzenspiel liefern Arsenal und Liverpool ihren Beitrag zu einer schönen Fußballbescherung. Die beste Liga der Welt ist so spannend wie lange nicht mehr.

Von Sven Haist, London

Von einer besinnlichen Weihnachts­atmosphäre konnte beim Premier-League-Spitzenspiel zwischen dem FC Liverpool und dem FC Arsenal nicht die Rede sein. Vor der Partie hatte Liverpool-Trainer Jürgen Klopp die eigene Anhängerschaft zu einer lautstarken Stimmung angestachelt. Diejenigen Fans, denen es "zu viel Fußball im Dezember" sei oder die sich "nicht in der richtigen Verfassung" wähnten, sollten ihre Eintrittskarten abgeben, mahnte Klopp.

Seine Worte zeigten Wirkung: Die Stadionbesucher ließen ihren Trainer am Samstagabend nicht hängen. Sie waren leidenschaftlich bei der Sache und feuerten die eigene Mannschaft durchgehend an. Die Atmosphäre an der Anfield Road wirkte bisweilen so erdrückend, als hätte Klopp auch die Tribünenaufstellung der Fans gemacht. Und beide Mannschaften leisteten mit einer rastlosen Darbietung ihren Beitrag zu einer schönen Fußballbescherung. Sie bildete den würdigen Auftakt für den obligatorischen Festtagsfußball in England über Weihnachten und Neujahr.

"Oh mein Gott, wie stark ist Arsenal bitte?"

Bis zum Abpfiff sah es so aus, als würde das auf Augenhöhe geführte Duell zwischen Liverpool und Arsenal auf eine dramatisch späte Entscheidung zulaufen. Insgesamt 25 Tore hatten beide Klubs in der bisherigen Ligasaison in der Schlussviertelstunde erzielt, Liverpool 14 und Arsenal 11. Kein anderer Verein kommt auf solche Werte. Arsenal ging gleich in der vierten Spielminute durch ein Kopfballtor des Abwehrmanns Gabriel in Führung. Liverpools Torjäger Mohamed Salah glich nach knapp einer halben Stunde mit einer feinen Einzelaktion aus.

Von da an entwickelten sich Torchancen auf beiden Seiten, die beste Möglichkeit hatte Trent Alexander-Arnold für Liverpool nach einem Konter in der zweiten Halbzeit: Er schoss den Ball an die Latte. Nur der Siegtreffer wollte am Ende weder für Liverpool noch für Arsenal fallen. Beide Vereine teilten sich die Punkte - und bereiteten der Premier League damit ein dickes Weihnachtsgeschenk.

Nach der ersten Saisonhälfte liegt der Tabellenführer Arsenal bloß mit einem Punkt vor Liverpool und Aston Villa, dahinter lauern Tottenham Hotspur und das soeben zum Klub-Weltmeister gekürte Manchester City. So eng ging es in der Premier League zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren nicht mehr zu.

Doch restlos überzeugt scheinen Arsenal und Liverpool noch nicht davon zu sein, in dieser Spielzeit tatsächlich auch den Premier-League-Titel gewinnen zu können. Das lässt sich gut nachvollziehen. Denn in der Vorsaison führte Arsenal ebenfalls lange die Tabelle an, sogar mit bisweilen komfortablem Vorsprung, ehe der Klub im letzten Saisonabschnitt von City abgefangen wurde. Und Liverpool wirkt nach dem Kaderumbruch im Sommer selbst überrascht, schon jetzt wieder den Anschluss an die Spitzengruppe geschafft zu haben.

Eins der besten Spiele seit 20 Jahren, findet Arsenals Coach

So nutzten beide Vereine das Remis jeweils, um sich in gewisser Weise gegenseitig Mut für den weiteren Saisonverlauf zuzusprechen. "Oh mein Gott, wie stark ist Arsenal bitte?", rief Klopp ebenso fragend wie beeindruckt aus. Aber die gute Nachricht ist, dass es das eigene Team auch sei, bilanzierte der LFC-Trainer.

Sein Kollege Mikel Arteta wollte sogar eines der "intensivsten und hektischsten Spiele in den vergangenen 20 Jahren" gesehen haben. Die Qualität und Einstellung der beiden Mannschaften sei "herausragend" gewesen, fand er. Seine Spieler hätten sogar ein Sonderlob verdient für den Glauben und das Selbstverständnis, mit denen sie in Liverpool aufgetreten seien.

Artetas Überschwang war vor allem darauf zurückzuführen, dass Arsenal seit 2012 nicht mehr in Anfield gewonnen hat. Bei den inzwischen elf Versuchen gab es vier Remis und sieben Niederlagen (Torverhältnis 13:35). In der Klubdokumentation "All or Nothing" aus dem Jahr 2022 ist zu sehen, welchen Respekt der Trainer den Auswärtsspielen in Liverpool entgegenbringt.

In der Vorbereitung auf ein Spiel 2021 ließ er Liverpools Klubhymne "You'll never walk alone" zum Beispiel über Lautsprecher einspielen. Trotzdem verlor sein Team anschließend 0:4. Schon der Zeitung Marca hatte Arteta einst gesagt, das Anfield-Stadion sei die einzige Spielstätte in seiner Zeit als Arsenal-Spieler gewesen, in der ihn das Gefühl überkam, auf dem Spielfeld wie festgefroren zu sein. "Stoppt das Spiel, bitte, weil ich nicht mehr weiß, wo ich bin", rekapitulierte Arteta das 1:5 von Arsenal in Liverpool 2014.

Klopp geht zu Boden

Ähnlich historisch wurde es diesmal nicht, auch wenn das Match einen nicht alltäglichen Aufreger bereithielt: Nach einem Schubser verlor Liverpools Kostas Tsimikas in der ersten Halbzeit an der Seitenlinie die Balance. Im Fallen räumte er unfreiwillig den neben ihm stehenden Klopp ab. Anders als Tsimikas, der sich in dieser Situation durch einen unglücklichen Aufprall das rechte Schlüsselbein brach und ausgewechselt werden musste, kam der LFC-Trainer ohne Beeinträchtigung davon. Sichtlich geschockt über die Auswirkungen des Unfalls drückte Klopp seine Nächstenliebe aus: Er wünschte, er könnte seinem Spieler das eigene Schlüsselbein geben.

Tsimikas Verletzung war der einzige Stimmungsdämpfer, weil Liverpool bereits durch die Ausfälle der etatmäßigen Verteidiger Andrew Robertson und Joel Matip gezeichnet ist. Aber auch davon ließ sich Jürgen Klopp am Ende nicht die Laune verderben. "Thank you, Anfield", richtete der 56-Jährige seinen Dank an die Fans für die Unterstützung aus - und bereitete ihnen mit dem Kompliment schöne Festtage.

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