Argentiniens Trainer vor dem WM-Finale:"Wir brauchen ein perfektes Spiel gegen sie"

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Brummbär vor der Presse: Argentiniens Coach Alejandro Sabella erklärt den Journalisten, was seine Mannschaft - und die Deutschen - auszeichnet. (Foto: REUTERS)

Demut und Opferbereitschaft: Vor dem Finale gegen Deutschland macht Argentiniens Coach Alejandro Sabella den Gegner groß. Joachim Löw wurde seine Ehrfurcht vor den Spaniern 2010 zum Verhängnis. Rätselhaft bleibt der Einsatz von Messis Kompagnon Ángel di María.

Von Thomas Hummel, Rio de Janeiro

Wenn der Herr vorne auf dem Podium gesagt hätte: "Haut's eich in Schnee!" - die versammelte Weltpresse wäre endgültig zusammengezuckt. Dabei wäre das geringste Problem gewesen, dass vor dem Estádio do Maracanã seit Menschengedenken nie eine Flocke vom Himmel gesegelt kam. Das Zitat geht auf den österreichischen Fußballtrainer Ernst Happel zurück. Und der Mann da vorne sah ihm sehr ähnlich, auch der Habitus des rauchstimmigen Brummbären rief Erinnerungen wach. Es fehlte nur noch der Wiener Schmäh.

Ernst Happel ist vor 22 Jahren gestorben. Sein Wiedergänger im Presseraum des Maracanã am Samstag hieß Alejandro Sabella. 59 Jahre alt, Trainer der argentinischen Selección bei dieser Weltmeisterschaft. Er hatte eine übergroße Baseballkappe auf, wodurch sein graues, nach hinten gegeltes Haar nicht zu erkennen war. Die Gesichtszüge darunter erinnerten stark an den alten Grantler aus Österreich.

Sabella gab sich ein klein wenig auskunftsfreudiger als einst Happel, der die Fragesteller meist sonst wohin wünschte. Der Argentinier hat mit seiner Mannschaft das Finale erreicht, die Fußballwelt wartete auf seine letzten Worte vor der großen Partie gegen Deutschland. Er sagte: "Wir brauchen ein perfektes Spiel gegen sie."

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Seit dem Sieg im Halbfinale gegen die Niederländer am Mittwoch in Sao Paulo schmeichelt Sabella Tag für Tag den Deutschen. Zum Beispiel: "Sie sind physisch, taktisch, charakterlich immer stark. Sie haben eine gute Balance, finden immer Wege hinter die letzte Linie." Und abermals: "Wir müssen eine große Partie machen."

Verliert Argentinien am Sonntag das Endspiel, werden die Kritiker mäkeln, der Respekt Sabellas sei einfach zu groß gewesen. Ähnliches war 2010 Joachim Löw widerfahren, als er seine Ehrfurcht vor den Spaniern nicht verhehlen konnte. Gewinnt Sabellas Mannschaft, wird man ihn loben als einen, der die Deutschen erst groß gemacht und sie dann besiegt hat.

In Bezug auf seine eigene Mannschaft sprach der Trainer Argentiniens am Samstag viel von Demut, Bescheidenheit und Opferbereitschaft. Das Volk zu Hause und in Rio de Janeiro (wo sich angeblich 100 000 Argentinier zum Endspiel aufhalten sollen) könne sich sicher sein, dass "wir uns voll einsetzen werden. Das Minimum ist, dass wir alles für die Farben unseres Landes geben." Heroische Aussagen gehören vor so einem Finale dazu.

Zu fachlichen Sachverhalten äußerte sich Sabella kaum. Er wies darauf hin, dass seine Mannschaft während des Turniers in der Defensive stabiler geworden sei. Dass die Räume auf dem Feld besser besetzt würden. Im Vergleich zum 0:4 gegen Deutschland im WM-Viertelfinale vor vier Jahren sei die Mannschaft nun "konservativer aufgestellt". Sie wolle auf einem anderen Wege zum Sieg kommen. Zudem habe Argentinien, damals noch trainiert von Diego Maradona, ein frühes Gegentor bekommen, was der Partie seinerzeit eine entscheidende Richtung gegeben habe. "Wenn diesmal ein frühes Tor fällt, dann bitte für uns", sagte er.

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Die Frage, ob Ángel di María wieder einsatzfähig ist, konnte oder wollte er nicht beantworten. "Noch kann ich dazu nichts sagen. Das Abschlusstraining heute ist sehr wichtig für ihn. Wir müssen abwarten, wie er auf die Belastung reagiert", sagte Sabella.

Der schnelle Offensivmann von Real Madrid hatte sich im Viertelfinale gegen Belgien vor zwölf Tagen am Oberschenkel verletzt. Ein Zeitraum, der in vielen Fällen zu kurz ist. Zuletzt wagte der Spanier Diego Costa trotz Blessur am Oberschenkel einen Einsatz im Champions-League-Finale für Atlético Madrid, musste aber nach neun Minuten ausgewechselt werden. Allerdings war die Verletzung wohl schwerwiegender und Costa hatte nur sieben Heilungstage zur Verfügung.

Später am Samstag hieß es in argentinischen Medien, di María habe die letzte Übung im Abschlusstraining abbrechen und hinkend den Platz verlassen müssen. Niemand rechne mehr mit einem Startplatz für den 26-Jährigen, doch noch habe Sabella die Hoffnung nicht ganz aufgegeben.

Solche Unsicherheiten nehmen die Deutschen nicht mit ins Finale. Mats Hummels soll trotz Problemen im Knie einsatzfähig sein, es wird die gleiche Aufstellung erwartet wie im Viertel- und Halbfinale. Bastian Schweinsteiger erklärte auf der letzten Pressekonferenz den Plan, mit dem die Mannschaft gewinnen will: "Wir müssen nur an den Job denken, den wir hier zu verrichten haben. Wenn der Schiedsrichter anpfeift, müssen wir uns auf das konzentrieren, was uns stark macht." Alles was drumherum passiere, wolle er zwar sehen, aber auch verdrängen. "Der Kopf muss einfach nur ans Fußballspielen denken", sagte er.

Schweinsteiger erwies dem Gegner seinen Respekt, besonders dem "Weltklassespieler Mascherano". Er demonstrierte zugleich Selbstbewusstsein. "Wir wissen, dass wir sehr gut Fußball spielen können. Aber wir müssen es nochmal abrufen." Falls es hitzig werde, wolle er Ruhe bewahren. Das 7:1 im Halbfinale wisse er gut einzuordnen, die Brasilianer hätten einige Probleme mit auf das Feld gebracht. Bundestrainer Joachim Löw bekräftigte: "Wer denkt, dass es so einfach wird wie gegen Brasilien, der hat sich nicht damit beschäftigt."

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Löw verweigerte sich der Aussage, dass dieses Finale die größte Herausforderung in seiner Karriere sei. Für ihn persönlich sei es das nicht, "jedes K.-o.-Spiel ist für einen Trainer eine ganz besondere Herausforderung". Selbst bei einer Niederlage liege nicht alles in Schutt und Asche, "diese Mannschaft und der deutsche Fußball haben Zukunft, da sehe ich keine Probleme". Löw wirkte in diesen Momenten sehr abgeklärt. Wie in den vergangenen Monaten versuchte er auch am Tag vor der großen Chance, den Druck von sich und seinen Spielern zu nehmen.

Die Deutschen wollen dieses größte vorstellbare Fußballspiel mit einer Mischung aus Vorfreude und Konzentration angehen. Sie wollen um jeden Preis verhindern, dass ihnen angesichts der einmaligen Chance die Beine schwer werden. Bastian Schweinsteiger sagte: "Ich glaube, dass wir keinen Druck haben. Wir wissen mit der Situation umzugehen." Er wies darauf hin, dass er mit der Nationalmannschaft oder dem FC Bayern zwar schon ein paar Finals verloren, aber eben im vergangenen Jahr auch die Champions League gewonnen habe. "Ich weiß, wie man ein solches Finale gewinnt."

Ernst Happel stand übrigens auch einmal in einem WM-Finale. 1978 als Trainer der Niederländer. Er verlor 1:3 gegen Argentinien. Franz Beckenbauer, Anfang der 1980er Jahre Spieler unter ihm beim Hamburger SV, sagte einmal: "Alles, was Happel sagt, ist für mich ein Evangelium." Soweit ist Alejandro Sabella nicht. Das könnte sich am Sonntag im Maracanã eventuell ändern.

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