Basketball-Bundesliga:Der Kämpfer kommt nach Hause

Lesezeit: 3 min

So nicht: Meistertrainer Anton Gavel fühlt sich in Ulm nicht genug wertgeschätzt. Sehr zur Freude seines Heimatklubs Bamberg, der ihn nun langfristig verpflichtet. (Foto: Wunderl/Beautiful Sports/Imago)

Ulms Meistertrainer Anton Gavel wechselt zu den Bamberg Baskets. Er kann ein Kollektiv formen und Spieler besser machen - beide Fähigkeiten wird er dringend benötigen bei seiner Rückkehr nach Oberfranken zum strauchelnden Riesen.

Von Ralf Tögel

Philipp Höhne muss zurzeit einiges erklären. Das liegt an einem Gerücht, das in der Basketball-Szene hierzulande einige Aufregung verursacht und es in der Tat in sich hat: Wird Anton Gavel der neue Trainer des derzeit strauchelnden ehemaligen Serienmeisters Bamberg Baskets? Gavel ist der Senkrechtstarter am deutschen Trainerhimmel, der ehemalige Nationalspieler hat seine erste Station als Cheftrainer bei Ratiopharm Ulm mit dem Gewinn der Meisterschaft veredelt.

Höhne, der Bamberger Geschäftsführer, ist angesichts der Aufmerksamkeit, die solch eine Personalie inmitten einer Saison hervorruft, mittlerweile geübt darin, Fragen nach dem neuen Trainer abzuwehren. Das klingt dann so: "Wir werden die Saison mit Arne Woltmann als Headcoach beenden. Ob es einen neuen Trainer gibt, dazu werden wir uns derzeit nicht äußern." So funktioniert das Spiel, zumal in der Folge weitere Wechsel zu erwarten sind.

Pokalsieger FC Bayern
:Der Funke springt über im deutschen Basketball

Die Münchner verteidigen ihren Pokal-Titel und verdienen sich als Gastgeber des Turniers beste Noten. Die Veranstaltung ist beispielhaft dafür, wie der Sport sich entwickelt hat - sogar Dennis Schröder kommt und macht eine deutliche Ansage.

Von Ralf Tögel

Nach SZ-Informationen ist der Deal allerdings längst über die Bühne und wird in den kommenden Tagen offiziell bestätigt. Gavel wird in seine zweite Heimat zurückkehren, der Deutsch-Slowake aus Kosice hat noch viele Verbindungen nach Bamberg. Seine Frau stammt aus der oberfränkischen Stadt, die Gavels haben nach wie vor ein Haus in Bamberg. So stimmig sich dieser Wechsel also emotional darstellt, so fragwürdig ist er aus sportlicher Sicht. In Ulm hat sich Gavel mit dem ersten Meistertitel für die Schwaben unsterblich gemacht, zumal der 39-Jährige weitaus potentere Konkurrenten wie die beiden Euroleague-Teams Alba Berlin und Bayern München sowie Champions-League-Sieger Telekom Baskets Bonn in dieser Reihenfolge aus dem Titelkampf kegelte. Er hat ein funktionierendes Umfeld, wird von den Fans verehrt, auch in der aktuellen Spielzeit wissen die Ulmer zu überzeugen, obwohl sie einmal mehr ihre besten Spieler aufgrund deutlich besser dotierter Angebote aus dem Ausland ziehen lassen mussten.

Denn in Ulm gibt es klare Vorgaben: keine abenteuerlichen Gehälter, schwäbisch bodenständig kalkulieren, gut scouten und solide wirtschaften. Das gilt auch für den Trainer. Ulm bietet dafür Vertrauen und eine international beachtete Plattform, auf der sich weniger bekannte Spieler oder Trainernovizen beweisen können. Aktuell ist das Team zwar im Eurocup-Achtelfinale am spanischen Vertreter Badalona knapp gescheitert, der zweithöchste europäische Wettbewerb ist aber für aufstrebende Profis und Talente ein wertvolles Schaufenster. Der Fokus liegt so oder so auf den Erträgen der eigenen Basketball-Akademie - und der brandneue Orange-Campus will erst einmal finanziert sein. Dem Vernehmen nach war dieser Ansatz mit den Ansprüchen des Meistertrainers nicht mehr reibungslos in Einklang zu bringen, Gavel fühlte sich wohl zu wenig wertgeschätzt. Zudem ist zu hören, dass die Schwaben mit einer Vertragsverlängerung keine Eile hatten.

Der Wechsel aus der schwäbischen Wohlfühloase zum strauchelnden Riesen birgt ein großes Risiko

Und schon war Bamberg zur Stelle: Bei den Baskets dürfte Gavel zwar nicht erheblich mehr verdienen, dafür erhält er einen langfristigen Vertrag. Und er wird in Freak City als neuer Heilsbringer empfangen werden, denn der ehemalige Serienmeister lechzt nach nichts mehr als nach Kontinuität. Die großen Zeiten sind nicht nur lange vorbei, seit dem Weggang von Sportdirektor Daniele Baiesi 2017 zum FC Bayern fehlt es spürbar an sportlicher Expertise. Seither gingen alle Bemühungen mit diversen Sportdirektoren und Trainern, an die alten Erfolge anzuknüpfen, stets daneben - jüngstes Beispiel ist die Entlassung von Trainer Oren Amiel vor fünf Wochen. Co-Trainer Arne Woltmann führt die Mannschaft seither mit beachtlichen Erfolgen, nach dem Sieg in Ludwigsburg sind sogar die Playoffs wieder ein Thema, aber im fränkischen Basketball ist die Vorherrschaft an Würzburg verloren.

Gavel wird zusammen mit Woltmann und Stefan Weissenböck, der für die Spielerentwicklung zuständig ist, den Kader federführend zusammenstellen. Da ist ein Meistertrainer mit Stallgeruch und dem Ruf eines Talententwicklers hochwillkommen. Ulm hingegen hat in Sportdirektor Thorsten Leibenath, der Ulm als Trainer zur konstanten Bundesliga-Größe entwickelte, und Geschäftsführer Thomas Stoll ein meinungsstarkes Duo mit viel Expertise. Gavel aber hat ein besonderes Gespür, um ein Kollektiv zu führen und zu formen, er hat das Händchen, Spieler besser zu machen. All das fehlte zuletzt in Bamberg, zumal die finanziell rosigen Zeiten nach dem deutlichen Abspecken der Unterstützung durch den Brose-Konzern vorbei sind. Gavel kommt mit viel Kredit nach Hause, er hatte in Bamberg seine erfolgreichsten Zeiten, feierte dort vier Meisterschaften und drei Pokalsiege.

Und er war in Freak City Publikumsliebling, was viel mit seinem Image des ehrlichen und harten Arbeiters zu tun hatte, womit er derzeit bestens zu Bamberg passt. Denn nach stetig sinkenden Zuschauerzahlen, die in der vergangenen Saison mit unter 4000 einen Tiefstwert erreichten, haben die Bamberger Fans ihre Freude am Team wiederentdeckt. Der kämpferische und attraktivere Spielstil wird honoriert, aktuell besuchen im Schnitt 5000 Fans die Heimspiele. Eine Entwicklung, die der neue Chefcoach sicher befeuern wird.

Emotional ist es für Gavel eine Rückkehr in den Schoß der Familie, sportlich ein Risiko, die schwäbische Komfortzone mit dem sprunghaften Betrieb des strauchelnden Riesen zu tauschen. Es birgt aber auch die Chance, den nächsten Schritt in seiner rasanten Trainerkarriere zu gehen: Wenn er Bamberg erfolgreich beatmet, wird es ihm größere Türen öffnen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Basketballer Ibaka in München
:Der Hochdekorierte mit dem filmreifen Leben

Serge Ibaka vom FC Bayern ist der wohl schillerndste Basketballprofi der Bundesliga, er denkt weit über das Parkett hinaus. Über einen NBA-Sieger aus Afrika, der mit 18 Geschwistern in Armut aufwuchs - und seine Heimat nicht vergisst.

Von Sebastian Winter

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: