Es gibt in Amerika Kleinstädte, in denen sind in den Gehwegen rund um den Marktplatz kleine Löcher. Der Grund dafür wird jeden Freitag klar. Dann werden Fahnen in diese Löcher gepflanzt, auf denen "Go Buffalos" oder "Go Bears" steht, oder wie immer die Football-Mannschaft der örtlichen Highschool auch heißt. Am Abend sitzt dann die halbe Stadt im Stadion und schaut zu, wie gepanzerte Siebzehnjährige gegeneinander krachen. In manchen Gegenden werden die Schulspiele sogar im Fernsehen übertragen.
Das gibt einen Eindruck davon, wie wichtig Football in den USA auch jenseits des viele Milliarden Dollar schweren Profigeschäfts ist. Vor allem in den ländlichen, konservativen und überwiegend weißen Regionen, von Texas bis Ohio, ist Football ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Kultur und des gesellschaftlichen Lebens. In der Stadt, wo die Eltern Angst vor Gehirnerschütterungen und Knochenbrüchen haben, spielen die Kinder Soccer. Auf dem Land, wo es kerniger zugeht, regiert hingegen American Football.
Der Präsident will, dass einer der Clubchefs durchgreife und "den Hurensohn vom Feld wirft"
Und das "American" im Namen der Sportart ist dabei mindestens ebenso wichtig. Kaum ein Sport in den USA ist so patriotisch aufgeladen wie Football. Gebet, das Sternenbanner, Fahneneid und Nationalhymne gehören bei Spielen dazu, und dieser Nationalstolz ist nicht nur Dekoration oder Folklore, sondern ernst gemeint.
Ländlich, konservativ, patriotisch und weiß - das ist auch das politische und soziale Milieu, das Donald Trump gewählt hat. Und genau dieses Milieu, seine Kernwähler, hatte der amerikanische Präsident in den vergangenen Tagen im Blick, als er über einige professionelle Football-Spieler herzog, die angeblich keinen Respekt für Fahne und Land zeigen. Aus Protest gegen Diskriminierung und Polizeigewalt hatten einige schwarze Spieler - angeführt von Colin Kaepernick, dem ehemaligen Spielmacher der San Francisco 49ers - schon vor etlichen Monaten begonnen, während der Nationalhymne nicht mehr zu stehen, sondern zu knien. Für Trump war das freilich zu viel der eigenen Meinung. Er hoffe, so wetterte der Präsident vorige Woche, dass endlich mal einer der Besitzer der Mannschaften durchgreife und "den Hurensohn vom Feld wirft. Gefeuert!"
Seitdem liefert sich Trump mit diversen prominenten Sportlern und der Football-Profiliga NFL, der National Football League, ein Hin und Her von heftigen Twitterattacken und Gegenvorwürfen. Bei den Spielen am Wochenende knieten aus Protest gegen den Präsidenten Dutzende Spieler während der Nationalhymne, einige Teams kamen erst danach aus der Kabine. Selbst die schwarzen Popmusiker Stevie Wonder und Pharrell Williams knieten während eines Konzerts in New York demonstrativ nieder. In den Vereinigten Staaten, so scheint es, ist eine neue Front im Kulturkampf aufgebrochen: Sport.
Es ist kein Zufall, dass es schwarze Sportler trifft
Während Trumps Gegner das in der US-Verfassung verbriefte Recht auf freie Meinungsäußerung und friedlichen Protest hochhalten und betonen, Sport solle vereinen und nicht spalten, schwingt der Präsident die Patriotismuskeule. "Die Spieler haben Rechte. Sie verdienen sehr viel Geld. Und ich neide es ihnen nicht. Ich sage nur, sie müssen unserer Flagge Respekt zollen, und sie müssen unserem Land Respekt zollen", sagte Trump am Sonntag.
Aber natürlich ist das eine Ausrede. Denn es ist sicher kein Zufall, dass der Präsident sich für seine Angriffe zunächst ausschließlich schwarze Sportler ausgesucht hat. Trump hantiert immer wieder mit rassistischen Ressentiments, zuletzt nach dem Aufmarsch von Neonazis in der Stadt Charlottesville. Und es ist ebenso wenig ein Zufall, dass er versucht, den stillen Protest dieser schwarzen Sportler gegen Polizeiwillkür in eine Geste der Respektlosigkeit gegenüber Fahne und Land umzudeuten. Für Trumps Anhänger ist das eine Art Sakrileg, bei dem es nichts mehr zu diskutieren gibt. Und das gilt weit über die verbohrten Kernwähler des Präsidenten hinaus: Selbst gemäßigte Republikaner, die noch vor einigen Wochen Trumps Weigerung kritisiert hatten, die Rassisten und Neonazis in Charlottesville eindeutig zu verdammen, schweigen derzeit.