Energiesparen im Sport:Es wird kalt im Amateursport

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Bald ein Luxusgut? Flutlichtspiele muss sich ein Verein leisten können. (Foto: Herbert Rudel /Imago)

In der Energiekrise fühlen sich viele Sportvereine von der Politik verlassen. Die Pandemie haben die meisten Vereine überstanden, aber jetzt fürchten viele um ihre Existenz.

Von Christoph Ruf

Der 15. November war ein guter Tag für Frank Fechner. An jenem Dienstag hat der Geschäftsführer des Eimsbütteler Turnverbands einen neuen Vertrag mit einem Stromversorger abgeschlossen. 5,3 Cent kostet die Kilowattstunde Strom den mit 19 000 Mitgliedern drittgrößten Sportverein Hamburgs bislang, vom 1. Januar an werden es 37,7 Cent sein. Eine erfreuliche Zahl, findet er: "Wir hatten auch Angebote von 80 Cent."

Dennoch, künftig zahlt auch der ETV mit seinen 30 Sportarten sieben Mal mehr für den Strom, also 400 000 Euro mehr pro Jahr. "Ohne Hilfen aus der Politik bliebe uns wohl nur eine erneute Erhöhung der Mitgliedsbeiträge", glaubt Fechner. Das aber sei für einen gemeinnützigen Verein, der niedrige Beiträge anbieten will, so Fechner, "nicht gut vereinbar". Zumal sie beim ETV ja gerade erst im Oktober die Beiträge um 14 Prozent erhöht haben, um nach der Pandemie überhaupt über die Runden zu kommen. "Ohne Hilfe durch den Staat wird es für den Sport extrem eng", sagt Fechner: "Das ist noch nicht überall verstanden worden."

Hunderttausende haben dem organisierten Sport den Rücken gekehrt

Doch während der ETV immerhin den coronabedingten Mitgliederschwund aufgeholt hat, geht es bei anderen Breitensportvereinen um die Existenz: Hunderttausende, die bis dato Beiträge gezahlt hatten, haben während der Pandemie dem organisierten Sport den Rücken gekehrt, allein in Rheinland-Pfalz 50 000 Menschen. Umso härter treffen viele Vereine nun die gestiegenen Energiekosten. Zumal den Einsparmöglichkeiten natürliche Grenzen gesetzt sind. Im Gegensatz zu den Profis sind Freizeitsportler meist auf Trainingszeiten nach Feierabend angewiesen - da muss geheizt und beleuchtet werden.

Der Unions-Obmann im Sportausschuss des Bundestages, Stephan Mayer (CSU), berichtet dann auch, ihn erreichten viele Klagen von Vereinen, bei denen es schlicht ums Überleben gehe. Bernd Neuendorf, Chef des Deutschen Fußball-Bunds, weiß von zahlreichen Vereinen, die fürchten, sich bald vom Spielbetrieb abmelden zu müssen. Zudem sorgt er sich um den Breiten- und Schulsport. Viele Kommunen kämen derzeit "leider als Erstes darauf, dass man Fußballplätze, Schwimmbäder oder Turnhallen schließt".

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Dabei fallen die gestiegenen Energiekosten bei den Branchenriesen weniger ins Gewicht. Doch eine Staffelung nach Bedürftigkeit sehen auch die bereits bewilligten Hilfen der Ampelkoalition nicht vor. Jetzt, im Dezember, sollen die Abschlagszahlungen vom Staat übernommen werden, von März 2023 an garantiert der Bund einen Grundbedarf von 80 Prozent zum festen Preis von zwölf Cent pro Kilowattstunde - was die meisten Vereine als hilfreich bewerten. Doch der Bund ist nur einer von drei Akteuren, auf die die meisten Vereine unterhalb der zweiten Fußball-Liga und im Breitensport schon bald angewiesen sind. Und auf Landes- und Kommunalebene schlägt das Wohlstandsgefälle innerhalb der Republik voll durch.

Von umweltfreundlichem LED-Flutlicht können viele Vereine nur träumen

Hajo Sommers, Präsident des Fußball-Regionalligisten Rot-Weiß Oberhausen, rechnet mit Mehrkosten im niedrigen fünfstelligen Bereich - und mit einer saftigen Kostensteigerung ab dem Frühjahr. Die bettelarme Kommune habe bisher nur dringend aufgefordert zu sparen, wo es geht. Also verzichtet Rot-Weiß Oberhausen auf Freitagsspiele - obwohl das Flutlicht von der Kommune bezahlt werden müsste. Von umweltfreundlichen LED-Leuchten, wie sie seit Jahren landauf, landab installiert werden, träumen sie im Ruhrgebiet allerdings nur - aus eigenen Mitteln ist die Umrüstung weder für die Vereine noch für die klammen Kommunen finanzierbar.

Dass die Bundesregierung ausgerechnet die Umrüstung auf LED nur mit 15 Prozent fördert, findet Sommers dann auch "völlig krank". Und drückt sich damit nur etwas drastischer aus als Fechner vom Eimsbütteler Turnverband: "Die Umrüstung auf LED bringt total viel. Das kostet einmalig 20 000 Euro, und nachher sparst du 40 Prozent. Aber ausgerechnet hier wurde die Förderquote zurückgefahren." Die zu geringen Subventionen für eine der ökologisch sinnvollsten Umrüstungen sind nicht das Einzige, was Sommers an der Bundesregierung kritisiert. "Mir muss mal einer erklären, warum Heizpilze, unter denen drei Raucher stehen, verboten sind, aber sich keiner traut, Rasenheizungen zu verbieten." Diese nutzen reiche Profivereine ebenso wie Hybridrasen, der unter zwölf Grad dauerbeheizt werden muss. In Oberhausen duschen hingegen auch die Profis seit einiger Zeit kälter.

Klubs in reicheren Gemeinden kriegen den Großteil einer LED-Anlage auch mal finanziert

Überhaupt kann sich Sommers vorstellen, dass die Krise ungleiche Rahmenbedingungen weiter verschärfen wird. Denn das Geld, das in armen Kommunen fürs Energiesparen fehlt, ist in reichen durchaus vorhanden - zumal, wenn Sponsoren und Gönner hinzukommen. Der badische Oberligist FC Nöttingen bekam für seine neue 188 000 Euro teure LED-Anlage bereits Zuschüsse vom Bund, dem Badischen Sportbund Nord und der Gemeinde, die ein Fünftel der Kosten übernahm. Danach blieben nur noch 40 000 Euro übrig, die tragen nun Sponsoren und Mitglieder.

Dass der Deutsche Olympische Sportbund Vereine und Verbände aufgefordert hat, kurzfristig 20 Prozent Energie einzusparen, empfanden viele Kommunalsportler als dreist. Unbegrenzt warm duschen kann man in den meisten Anlagen seit Wochen nicht mehr. Wassertemperaturen in Bädern und Schwimmbecken sind längst gedrosselt. Auch die Umrüstung auf LED haben die meisten Vereine auf der Agenda - nur ist sie oft nicht finanzierbar. Und in Eimsbüttel wissen sie auch ohne wohlfeile Ratschläge, wo sie den Hebel ansetzen müssen. Weshalb sie das Flutlicht im Training auf 60 Prozent reduziert, die Duschen gedrosselt und die Temperaturen in den Hallen gesenkt haben.

Fechner findet, die Energiekrise, so sehr sie auch die Existenz der Vereine bedroht, sei auch ein überfälliger Weckruf gewesen. Vieles hätten sie schon vor fünf Jahren umsetzen müssen - allerdings aus ökologischen Gründen. Denn im Sport lasse sich noch viel einsparen, sagt Fechner: "Aber wenn Strom so billig ist wie bisher, ist der Anreiz zu handeln eben nicht so groß."

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