Fußball und Corona:Wie der bayerische Amateurfußball durch die Pandemie taumelt

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Problem Kabine: Viele Klubs würden gerne in die Winterpause gehen. (Foto: Hanno Bode/imago)

Regelmäßige Tests sind vielen Vereinen zu teuer, auch nach Corona-Fällen müssen Mannschaften zu ihren Partien antreten - und bei großer Vorsicht drohen gar Strafzahlungen.

Von Johannes Müller

Die Corona-Lage in Bayern spitzt sich zu, die Inzidenzen steigen landesweit, bayerische Intensivpatienten werden in andere Bundesländer verlegt. Wie verantwortungsvoll ist es dieser Tage, den Trainings- und Spielbetrieb im Breitensport aufrechtzuerhalten? Diese Frage drängt sich wohl auch der Führung des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) auf. An diesem Dienstag wird der Landtag in seiner Sitzung die weitergehenden Corona-Maßnahmen beschließen, danach will eine BFV-Taskforce über den Fortgang des Spielbetriebs im Freien beraten. Es ist gut möglich, dass der Verband die Notbremse zieht - und die Winterpause startet.

Noch ist nichts passiert, am vergangenen Wochenende wurde vielerorts noch gespielt. Es ist auch noch keine drei Wochen her, da legte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) eine Studie vor, wonach das Risiko einer Corona-Ansteckung beim Fußball sehr gering sei. Der Haken: Die Studie befasste sich ausschließlich mit dem Infektionsrisiko bei Trainingseinheiten und Partien. Dabei seien doch die Innenräume das Problem, sagt Helmut Matkowitz, 59, Geschäftsführer des Münchner FC Stern. Die Situation in den Kabinen, in den Duschen bereite ihm große Sorgen: "Wenn Sie mich fragen, ich würde jetzt komplett den Trainingsbetrieb und auch den Spielbetrieb einstellen."

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Wenn der Fußball wirklich will, dass alle Spieler geimpft sind, bieten sich ihm entsprechende Möglichkeiten - nicht nur Gehaltskürzungen wie bei Joshua Kimmich.

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Es rumort an der Basis, das erlebt auch Frank Ludewig. Der 51-Jährige ist Vorsitzender des Fußball-Kreises München beim Bayerischen Fußball-Verband (BFV), also auf den unteren Verbandsebenen tätig. Zuletzt hätten sich vermehrt Akteure des Amateurfußballs, aber auch anderer Sportarten an ihn gewandt. Die aktuellen Corona-Maßgaben des Verbands seien unklar, es müsse dringend etwas unternommen werden. Ludewig kontaktierte das Münchener Gesundheitsreferat und bat um konkrete Handreichungen, wie Vereine mit Infektionen umgehen sollten.

Die ehrenamtlichen Strukturen des Breitensports sind ein Problem bei der Pandemiebekämpfung

Vor einer Woche bekam er ein knapp zweiseitiges Merkblatt zugeschickt, das er an die Vereine im Kreis weiterleitete. Das Gesundheitsreferat erinnert darin etwa an die aktuellen Quarantänebestimmungen, empfiehlt den Vereinen aber auch dringend, Tests vor Trainings und Spielen durchzuführen. Ludewig sieht in den Maßgaben einen Fortschritt, sie seien klar und nachvollziehbar. Er räumt jedoch ein, dass sie zu spät kämen. "Im Nachhinein betrachtet wäre es besser gewesen, man hätte früher gegengesteuert, logisch. Aber man sieht ja an der Politik, wie schwierig es ist, rechtzeitig die Maßnahmen zu ergreifen."

Helmut Matkowitz macht um das Merkblatt kein großes Aufheben. Ihn interessierten nur die Vorgaben des Sportamts der Stadt München, schließlich seien nur die bindend. Dass er die Zusammenarbeit mit der Stadt als äußert schwierig empfindet, daraus macht Matkowitz keinen Hehl. Es mangele massiv an Unterstützung und die Kommunikation sei schlecht. Man dringe mit Anliegen nicht durch. So bleibt nur die Eigenverantwortung. Der FC Stern hat bereits im vergangenen Jahr einen Corona-Stab eingerichtet, der die Umsetzung des eigenen Hygienekonzepts koordinieren soll. Auf das Vereinsgelände kommt nur, wer vorher registriert ist. Missachteten Trainer oder Aktive die Regeln, dürften sie direkt nach Hause gehen. Bei Auswärtsspielen hat Matkowitz zuletzt allerdings den Eindruck gewonnen, dass nicht viele Vereine einen vergleichbaren Aufwand betreiben.

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Damit meldet das Robert-Koch-Institut erneut einen Höchstwert. Die Zahl der Neuinfektionen liegt bei 29 364. Die Omikron-Variante ist mittlerweile bei drei Personen in Deutschland nachgewiesen worden.

Die ehrenamtlichen Strukturen des Breitensports sind ein Problem bei der Pandemiebekämpfung. Vielerorts kümmert sich nur eine kleine Zahl an Menschen - häufig parallel zu einem fordernden Berufsalltag - um die Leitung der Vereine. Sie alle haben nun noch mehr Verantwortung zu schultern als zuvor. Die Belastungsgrenzen seien vielfach erreicht, sagt Matkowitz: "Wenn es so weitergeht, verlieren wir wahnsinnig viele Ehrenamtliche." Zudem sind die finanziellen Ressourcen begrenzt. Auch der FC Stern testet seine Mannschaften und deren Betreuer nicht, entgegen der Empfehlung des Gesundheitsreferats. Die anfallenden Kosten könne der Verein nicht stemmen, sie auf die Aktiven abzuwälzen, die teils Studenten oder Lehrlinge seien, das sei keine Option. Unterstützung vom BFV erhofft sich Matkowitz nicht mehr: "Wir sind auf uns gestellt."

Ludewig sagt, der Regelungszweck bestehe darin, "dass der Spielbetrieb möglichst lange gewährleistet wird"

Die Spitze des BFV übernehme kaum Verantwortung für die Gesundheit seiner anderthalb Millionen Mitglieder, so beschreibt es ein ehemaliger Funktionär, der nicht genannt werden will. Die Parole "Wir sind die Lösung und nicht das Problem" verliere jedoch jegliche Glaubwürdigkeit, wenn die Basis mit ihren Sorgen alleingelassen werde. Die Linie sei klar: Der Spielbetrieb solle so lange wie möglich aufrechterhalten werden. Den Gesundheitsschutz hätten allein die Landespolitik und die Gesundheitsämter zu übernehmen.

Wie das konkret zu Problemen führen kann, zeigt der Paragraf 94 der aktuellen Spielordnung. Er beinhaltet Sonderregelungen für den Spielbetrieb in der Pandemie, erst im September wurde er nachgebessert. Demnach müssen Mannschaften auch nach einem oder mehreren Corona-Fällen zu Punktspielen antreten, sofern sie "spielfähig" sind. Im Erwachsenenfußball sind dafür 13 Spieler nötig. Frank Ludewig sagt, der Regelungszweck bestehe darin, "dass der Spielbetrieb möglichst lange gewährleistet wird. Unter den Voraussetzungen, wie sie damals im Frühjahr oder im Frühsommer waren, ist es durchaus eine nachvollziehbare Regelung. Jetzt hat sich die Situation geändert." Die Situation hat sich geändert, das Regelwerk noch nicht.

In München werde der Paragraf zwar lockerer gehandhabt: Einigen sich zwei Vereine bei einem Corona-Fall auf Spielverlegung, gebe der Spielleiter dem statt. Kommen solche Einigungen jedoch nicht zustande, treten Mannschaften auch an, wenn sie gerade einen oder mehrere Corona-Fälle hatten, möglicherweise ohne den Rest des Teams zu testen. Spiele vorsichtshalber abzusagen, beispielsweise bei einer sehr hohen Inzidenz im Kreis, ist laut der aktuellen Spielordnung nicht vorgesehen. Das hätte Helmut Matkowitz am vergangenen Wochenende am liebsten getan, drohende Konsequenzen hätten ihn aber davon abgehalten. "Wenn ich absage, bekomme ich vom Verband ein X zu 0 Ergebnis gegen uns und ein paar Hundert Euro Strafe."

Nun steht die Hallensaison an. Wohl flächendeckend mit 2 G - und reichlich Eigenverantwortung.

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