Affäre um WM-Vergabe:Mehrere Funktionäre wussten wohl früher Bescheid

Mit Beckenbauer ist es ein bisschen so wie damals nach seinem Umzug in das Land, in dem Fußball nicht Fußball heißt, sondern Soccer. Der Kaiser verliert zunehmend an Reputation in der Republik. Er erinnert an Heinrich IV. in Canossa. Irgendwie verloren. Ob Beckenbauer den Ansehensverlust, den er gerade erleidet, bemerkt, ob der ihm egal ist oder nicht, das weiß man nicht. Der 70-Jährige hat vor ein paar Wochen seinen Sohn Stephan begraben müssen, und was ist der Verlust eines Kindes verglichen mit einer Affäre, die mit Namen wie Jack Warner oder Mohamed Bin Hammam verbunden wird?

Der DFB drängt enorm, und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vom FC Bayern München, der einst mit und später unter Beckenbauer kickte, tadelt den Verband deshalb: Er wünsche sich "einen etwas sensibleren Umfang mit der Person Beckenbauer", sagte Rummenigge am Mittwoch, "wenn ein Freund in schwierigen Zeiten steht, muss man ihm zur Seite stehen." Aber Ermittlungen dulden kaum Rücksicht auf Verdienste; und in der WM-Affäre gibt es immer mehr Ungereimtheiten, auf allen Seiten.

Freshfields kommt der Wahrheit auf die Spur

Am Anfang drehte sich die Affäre um die ominösen zehn Millionen Schweizer Franken beziehungsweise (inklusive Zinsen bei der Rückzahlung) 6,7 Millionen Euro, die der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus den Deutschen geliehen hatte und die irgendwo bei der Fifa gelandet sein sollen. Es hieß, Beckenbauers Mitstreiter im OK hätten erst Ende 2004 davon erfahren. Diese Version der späten Erkenntnis ist offenbar falsch. Freshfields förderte im DFB Papiere zutage, die eine andere Geschichte erzählen; Notizen, Vermerke, Aufzeichnungen. Sie erzählen die Geschichte, dass bereits ab Anfang 2003 im OK über dieses Thema gesprochen worden sei. Wie das denn sei mit Dreyfus und den zehn Millionen. Es handelt sich, was in diesem Fall nicht ohne Bedeutung ist, um mehrere Vermerke, die sich über das Jahr 2003 ziehen.

Keiner kann also eigentlich so tun, als hätte er von nichts gewusst. Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt, der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger und der in diesem Sommer verstorbene DFB-Chef Gerhard Mayer-Vorfelder sollen informiert gewesen sein. Was in diesem Zusammenhang das Wort "Information", das der Duden mit "Auskunft, Belehrung" übersetzt, wirklich bedeutet, ist allerdings nicht klar.

Fest steht aber, dass bei diesen zum Teil mit Hand geschriebenen Notizen im Jahr 2003 der Name des aus Katar stammenden Funktionärs Mohamed Bin Hammam auftaucht, der sich bei der Fifa um die Sache gekümmert habe. Welche Sache? Der Katarer Hammam soll eines der Mitglieder der Fifa-Exekutive gewesen sein, die für die Vergabe der WM nach Deutschland gestimmt haben. Auch Warner hat möglicherweise doch für Deutschland votiert.

Angesichts der bisherigen Ermittlungsergebnisse ist nicht klar, warum den alten DFB-Verantwortlichen jetzt nicht gleich wieder eingefallen sein soll, was man damals schon alles wusste.

Angeblich ist bei einer internen Sichtung im DFB, vor Beginn der Affäre, auch der Vertrag von Beckenbauer mit Warner entdeckt worden, aber das Papier soll beiseitegelegt worden sein. Gut, dass es nicht geschreddert wurde.

Nun heißt es beim DFB: Alles wird untersucht, alles kommt auf den Tisch.

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