Abstieg von Freiburg:Es ist zum Heulen

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  • Ausgerechnet der SC Freiburg muss die Bundesliga verlassen und erregt dabei viel Mitgefühl.
  • Trainer Christian Streich wird von einem Weinkrampf übermannt. Auch die Spieler schluchzen.
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Von Frank Hellmann, Hannover

Es mutete mehr als tapfer an, dass sich Christian Streich nach dem Ende der offiziellen Pressekonferenz noch dem medialen Verhör stellte. An die Ecke eines großen schwarzen Tisches stellte sich der Trainer des SC Freiburg, obgleich der 49-Jährige doch schon so viel gesagt hatte. Unter anderem hatte der impulsive Fußballlehrer festgestellt, dass er die vielen Fragen nach seiner persönlichen Zukunft im Breisgau nicht verstehen könne. "Ich habe dem Verein doch so viel zu verdanken. Ich habe einen Vertrag unterschrieben." Sollte heißen: Nur weil der Nischen- und Ausbildungsklub aus dem Badischen mit dem 1:2 bei Hannover 96 nach sechs Erstligajahren wieder in die Zweitklassigkeit zurückversetzt werde, laufe er doch nicht davon.

Nur für seinen Spielerkader gelte: "Es wird einen Umbruch geben. Wir haben keine, die Millionen bei uns reinschütten." Und Streich weiter: "Es gibt solche Begegnungen im Leben. Das macht einen fassungslos. Es werden schlimme Wochen..." In diesem Moment versagte dem 49-Jährigen die Stimme: Den einsetzenden Heulkrampf konnte Streich nicht aufhalten, wortlos suchte er das Weite. Eine Szene, die alles über das Entsetzen jener Protagonisten sagte, die die Freiburger Werte leben.

Abstiegskampf der Bundesliga
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"Eine groteske Spielzeit, das macht mich sehr traurig"

Warum es mit dem nötigen Remis an der Leine nichts wurde, hatte Streich noch nüchtern erklären können. "Es ist schlecht losgegangen, wir machen einen Aufnahmefehler in der Mitte." Damit sprach er das 0:1 von Hiroshi Kiyotake an, der die Kugel nach Flanke von Miike Albornoz beinahe ungehindert einköpfte (3.). Ebenso bezeichnend, wie sich Torwart Roman Bürki und Verteidiger Pavel Krmas selbst behinderten, als Letzterem das Eigentor zum 0:2 unterlief (84.). Schwerwiegender aber die Versäumnisse in der Offensive: Abgesehen vom Kopfball durch Admir Mehmedi (50.) erspielte sich der Gast kaum eine nennenswerte Chance. "Das war ein Spiegelbild der Saison, dass wir nicht die ganze große Torgefahr erzeugen", erkannte auch Streich. Insgesamt blicke er wehmütig auf eine "total groteske" Spielzeit, "das macht mich sehr traurig".

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Bilder vom letzten Spieltag

Mit dem 34. Spieltag ist der Abstieg besiegelt, den nicht nur Sportdirektor Jochen Saier als "völlig unnötig" einordnete. Saier flüsterte mehr, als dass er sprach; auch ihm war der Schock in die Glieder gefahren. Um die Konsequenzen zu erahnen, muss der Blick zurückgehen: Es könnte sein, dass der Sportclub nun wieder wie zwischen 2005 und 2009 vier Jahre in der zweiten Liga zubringen muss, um sich in die Bundesliga zu hieven.

Streich tut dieser Absturz deshalb wahnsinnig leid, "wir hatten eine spielerisch gute Mannschaft, mit der viel möglich gewesen wäre." Es sei schade, "dass wir diesen Weg nicht weitergehen können". Dann berichtete er vom aus Bremen nur ausgeliehenen Torschützen Nils Petersen (90.), "der hat weinend in der Kabine gesessen." Und auch Torwart Bürki wurde vom Coach als Sinnbild der Enttäuschung genannt. Der formidable Ballfänger aus der Schweiz, der in wenigen Wochen den früheren Publikumsliebling Oliver Baumann vergessen ließ, hatte seine Tränen bereits beim Verlassen des Platzes nicht verbergen können - immer wieder rieb sich der tüchtige Tormann verzweifelt die Augen, als er wie in Trance vom Rasen trabte.

"Der Verein ist ein kleiner, aber ein großer in seinem Wesen"

Petersen und Bürki sowie Flügelflitzer Jonathan Schmid, Stürmer Admir Mehmedi oder Verteidiger Christian Günter werden das Freiburger Projekt Wiederaufstieg wohl nicht in Angriff nehmen; sie haben Vertragskonstruktionen, die einen Weggang im Abstiegsfall erlauben. "Wir müssen abtrauern und dann alles analysieren. Und die Freiburger Fußballschule muss uns helfen, die Verluste aufzufangen", empfahl Präsident Fritz Keller, dessen um den Hals gewickelter rot-schwarzer Schal ein trauriges Synonym von Verbundenheit war. "Selbstverständlich wollen wir eine optimale Mannschaft für die zweite Liga zusammenstellen, um schnell wieder aufzusteigen."

Aber die Konkurrenz schläft nicht: Zumindest der von Red Bull gesponserte Zweitligist RB Leipzig hat finanziell ganz andere Möglichkeiten. Für Streich fängt die ganze Sisyphusarbeit damit wieder von vorne an; der Mann, der mit dem Fahrrad zur Dienststätte in der Schwarzwaldstraße kommt, wird Spieler finden müssen, die seine Anschauung mitleben. "Der Verein ist ein kleiner, aber ein großer in seinem Wesen", sagte Streich mit etwas Pathos, "der Verein wird es überstehen, wir werden zurückkommen." Und gleich dieses Versprechen fügte er noch hinzu: "Wir werden einen Fußball spielen, dass die Leute eine Freude in Freiburg haben." Auch wenn ihm selbst an diesem Tag am allermeisten zum Heulen zumute war.

© SZ vom 24.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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