FC Ingolstadt:An der Kreuzung

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Zweiter Drittliga-Einsatz, erstes Tor: Ingolstadts Donald Nduka (re. im Duell gegen Dresdens Ahmet Arslan). (Foto: Dennis Hetzschold/Imago)

Abstiegs- statt Aufstiegskampf: Unter Trainer Guerino Capretti haben die Schanzer ihre defensive Stabilität komplett verloren. Und treffen nun als Letzter der Drittliga-Rückrundentabelle am Montag auf den Vorletzten 1860 München.

Von Christoph Leischwitz

So verzweifelt, dass sie nach jedem naheliegenden Strohhalm greifen, sind sie beim FC Ingolstadt noch nicht. Das Hinspiel in der dritten Fußball-Liga gegen 1860 München zum Beispiel könnte ja Hoffnung machen. "Das Spiel war auch so eine Kreuzung", erinnert sich Dietmar Beiersdorfer, ein richtungsweisendes Spiel also. Damals im Oktober siegten die Schanzer verdient 2:1, weil sie den Löwen den Schneid abgekauft hatten. Doch der Geschäftsführer sagt jetzt: "Das Hinspiel ist vorbei. Das ist abgepfiffen. Wir müssen jetzt den Fokus auf Montag legen."

Denn die Mannschaft steht vor dem Rückspiel gegen die Sechziger an einer ganz anderen Kreuzung, in unbekanntem Terrain. Wie es passieren konnte, dass sie sich in der Tabelle so weiträumig verfahren haben, das gilt es zum geeigneten Zeitpunkt noch aufzuarbeiten, das hat der Verein ja vor Kurzem auch schon angekündigt: "Man muss bei jedem Einzelnen hinterfragen, ob er den Weg über die Saison hinaus mitgehen will und ob er sein Handeln absolut in den Dienst des Vereins stellt", sagte Aufsichtsratschef Karl Meier kürzlich dem Donaukurier.

Aktuell sind zumindest noch alle Spieler gefragt, denn jetzt geht es erst einmal darum, im Profifußball zu bleiben. Das oberbayerische Derby steht an am Montag (19 Uhr), und eine Behauptung vor der Winterpause, dass es sich dabei um das Duell des Letzten gegen den Vorletzten in der Rückrunden-Tabelle handelt, hätte fast so unplausibel geklungen wie ein Wechsel Julian Nagelsmanns von Bayern zu Sechzig. Der Sturz in die Niederungen kommt beim FC Ingolstadt allerdings noch überraschender daher als bei den Münchnern, wo sich der Abwärtstrend schon im Herbst abzeichnete.

In Guerino Capretti kam ein Trainer, der Offensivfußball mitbringt - eher hinderlich im womöglich bevorstehenden Abstiegskampf

Bei den Schwarz-Roten könnte man das Gefühl bekommen, sie hätten sich an einen Roulette-Tisch gesetzt, wo sie einmal alles auf Schwarz setzen, dann alles auf Rot, und sich dann wundern, wenn sie alles verlieren. Rüdiger Rehm musste Ende Januar nach drei knappen Niederlagen gehen (übrigens am selben Tag wie bei den Sechzigern Michael Köllner). In Guerino Capretti kam ein Trainer, der Offensivfußball mitbringt - ein Fußball, der in einem möglicherweise bevorstehenden Abstiegskampf eher hinderlich ist. Seitdem haben die Schanzer ihre defensive Stabilität komplett verloren: In neun Spielen unter Capretti hat der FC schon mehr Gegentore hinnehmen müssen (23) als davor in den 20 Spielen mit Rüdiger Rehm (21). Weil der dreizehnte Coach innerhalb von sieben Jahren rein statistisch zu den schlechtesten zählt, aber seine Beurlaubung selbst für die wechselfreudigen Ingolstädter zu schnell käme, musste vor zwei Wochen Sportdirektor Malte Metzelder gehen - ein freiwilliger Rücktritt, wie es hieß.

Weil der Fokus nun darauf liegt, an jeder Kreuzung die Kurve zu kriegen, werden kritische Fragen wie jene, warum sich die sportliche Leitung mit Capretti für einen kompletten taktischen Systemwechsel entschied, erst einmal nur oberflächlich beantwortet.

"Ich möchte da jetzt nicht so groß drauf eingehen", sagt Beiersdorfer, 59, dann auch auf die Frage, wann man eigentlich genau in den Negativstrudel eintauchte. "Ich möchte dem negativen Denken nicht auch noch Tür und Tor öffnen." Es gebe hingegen einiges zurzeit, was ihn zuversichtlich mache. "Wir haben uns in den letzten Spielen viele Chancen erspielt", sagt er. Beim unglücklichen 0:2 in Zwickau am vergangenen Wochenende hätten die Gastgeber "zweimal aufs Tor geschossen", die Treffer fielen in der 89. Minute und in der Nachspielzeit. "Und natürlich ist es schwierig, von defensiver Stabilität zu sprechen, wenn die gesamte Abwehr ausgetauscht werden muss."

Damit spielt Beiersdorfer auf das 2:3 bei Waldhof Mannheim an, bei dem unter anderem der zu diesem Zeitpunkt noch 19-jährige Donald Nduka sein Drittliga-Debüt geben durfte oder musste, je nachdem. "Wir sind stolz auf unsere Jungen, sie machen das alle gut. Aber es ist doch klar, dass bei so vielen Ausfällen der Vorteil des Eingespieltseins entfällt und eine gewisse Routine fehlt", sagt Beiersdorfer.

"Sobald mentaler Druck da ist, häufen sich Verletzungen auch schon mal", sagt Beiersdorfer

Tatsächlich musste Capretti seit seinem Debüt in Ingolstadt die Startelf jedes Mal verändern, er versucht die Quadratur des Kreises: Stabilität bei maximal instabilen Bedingungen. Beiersdorfer sieht in der Verletztenmisere aktuell ein Symptom wie auch einen Grund für die anhaltende Erfolglosigkeit. "Grundsätzlich habe ich die Erfahrung gemacht: Sobald mentaler Druck da ist, häufen sich Verletzungen auch schon mal. Viele Spieler sind möglicherweise angespannter, ihnen fehlt die Lockerheit, um bestimmte Situationen zu vermeiden." Gegen Sechzig soll zumindest ein bisschen Lockerheit zurückkommen.

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