Nationalmannschaft:Einmal durchschnaufen und gewinnen, bitte

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Oans, zwoa Gegentore zu viel: Jérôme Boateng und Mats Hummels (re.). (Foto: Patrik Stollarz/AFP)
  • Die Bayern-Spieler reisen nach vier Spielen ohne Sieg zur Nationalmannschaft und sollen dort laut Trainer Kovac auf andere Gedanken kommen.
  • Doch die Probleme bei der Nationalelf ähneln denen des FC Bayern.
  • Bundestrainer Joachim Löw steht in den Partien in den Niederlanden und bei Weltmeister Frankreich nach der verkorksten WM unter Druck.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Den Besuch auf der Wiesn haben sie beim FC Bayern noch pflichtschuldig hinter sich gebracht. Mats Hummels kam mit Ehefrau Cathy, Jérôme Boateng mit seinen Zwillingen, Manuel Neuer in Turnschuhen. Joshua Kimmich kam mit Serge Gnabry, Robert Lewandowski und Renato Sanches, quasi als lederhosener Beweis dafür, dass die Stimmung im Team stimmt. Trainer Niko Kovac hob neben Sportdirektor Hasan Salihamidzic ein Bierglas in die Höhe, er schaute leicht säuerlich, was auch daran liegen könnte, dass Kovac lieber Rotwein trinkt, und selbst diesen nur in asketischen Dosierungen. Später saß Kovac neben Klubboss Karl-Heinz Rummenigge, sie prosteten sich zu, und aus Kovac' Glas waren schon mindestens zwei Schlucke verschwunden, vielleicht lächelte er auch deshalb nur noch halbsäuerlich. Hinter den beiden schwebte ein Luftballon mit der Aufschrift "I mog di".

Was wäre das auch für ein Zeichen gewesen, nicht aufs Oktoberfest zu gehen, nur weil die Mannschaft eben mal vier Spiele nicht gewonnen hat. Einmal erst in der ehrwürdigen Geschichte des FC Bayern hat der Klub den Besuch auf der fast genauso ehrwürdigen Wiesn gestrichen, 2010, nach einem 0:2 in Dortmund. "Wenn man verliert", hatte Rummenigge damals gesagt, "ist es nicht angebracht, dass man sich auf der Wiesn mit der Maß zuprostet." Der Trainer im Oktober 2010 hieß übrigens Louis van Gaal, der Trainer zum Saisonende schon nicht mehr, der hieß Andries Jonker.

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Nach dem Wiesn-Besuch am vergangenen Sonntag durften dann die meisten Spieler die Stadt verlassen, die ihnen in den Tagen zuvor sowieso zu eng zu werden drohte durch all die Kritik, all den Frust. Sieben der Nationalspieler im Bayern- Kader, die deutschen nämlich, werden an diesem Dienstag allerdings in einer Stadt erwartet, die sie erst eineinhalb Wochen zuvor ebenso frustriert verlassen hatten: in Berlin, wo sie damals 0:2 bei der Hertha verloren. Es war die erste Niederlage unter dem FC-Bayern-Trainer Niko Kovac. Nun werden sie sich in Berlin auf die kommenden Länderspiele vorbereiten.

Kovac hat die Nationalspieler mit dem fast schon wehmütigen Wunsch verabschiedet, dass sie auf ihren Reisen doch bitte einen "freien Kopf" bekommen mögen, es war ein erdverbundener Wunsch. Ein Wunsch allerdings, wie ihn nur selten ein FC-Bayern-Trainer formuliert hatte, die ja gewöhnlich so himmelnah zu schweben pflegen wie einst Louis van Gaal. Und es war ein Wunsch, von dem nicht ganz sicher ist, ob er auch wirklich erfüllt werden wird.

Früher fuhren die Münchner Nationalspieler zum DFB, um dort mit der eigenen Stärke zu protzen, ganz selten auch, um sich wieder der eigenen Stärke zu vergewissern. Nun allerdings steht ihnen eine Woche bevor, die erst zeigen soll, wie stark die DFB-Elf in diesem Herbst eigentlich ist.

Es sind ja doch einige Probleme und Herausforderungen, die die Münchner beim FC Bayern zurücklassen wollten, die aber auch bei der Nationalmannschaft auf sie warten. Wie gut sind sie zurzeit überhaupt? Für welchen Fußball stehen sie? Für welches Spielsystem? Und wie geht es mit dem Trainer weiter?

Nach dem vorbildlich absolvierten Wiesn-Besuch (mit Ehefrau, Haferlschuhen und irgendwann fast leerem Bierglas) stellte sich Thomas Müller am Montag für einen Werbetermin in München zur Verfügung, er probierte dabei auch, mit den vergangenen vier sieglosen Spielen abzuschließen. "Heiß diskutiert" hätten sie in der Mannschaft über die vergangenen Tage. "Jetzt gilt es, die Situation, die wir beim FC Bayern nicht oft haben, auch anzunehmen. Wir arbeiten alle mit Hochdruck daran, dass wir wieder die Ergebnisse liefern und die Spielkultur, die vom FC Bayern erwartet wird", sagte er, "deswegen kommt die Länderspielpause aus Vereinssicht jetzt auch zur richtigen Zeit, um mal wieder durchschnaufen zu können, weil natürlich ist der Druck von außen auch spürbar."

Die Frage ist jedoch, ob die Länderspielpause auch aus Verbandssicht zur richtigen Zeit kommt.

Das neue Format der Nations League lässt nur bedingt Zeit zum Durchschnaufen, nach den Spielen am Samstag in Amsterdam gegen die Niederlande sowie am kommenden Dienstag in Paris gegen Frankreich wird die Tabelle in der Dreiergruppe schon aufschlussreicher sein. Und sollte die DFB-Elf dann auf dem letzten Platz stehen, dürfte zumindest hinter vorgehaltener Hand der eine oder andere auch die Trainerfrage stellen, knapp dreieinhalb Monate nach dem Vorrunden-Aus bei der WM. "Wir stehen jetzt alle unter besonderer Beobachtung und unter einem besonderen Druck", sagte Bundestrainer Joachim Löw. Für Müller geht es in den beiden Partien sogar "um mehr als ums Ergebnis", für ihn geht es "auch ums Prestige".

Sollten die Tage bei der Nationalmannschaft also erfolgreich sein, dann hätte der Bundestrainer Löw einen entspannten Herbst vor sich, und in München dürfte Kovac vielleicht tatsächlich befreit zurückkehrende Spieler empfangen. Spieler, die auf dem Platz nicht mehr hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt sind, so wie zurzeit Müller, Boateng und Hummels; selbst der im vergangenen Jahrzehnt so zuverlässige Torwart Neuer agiert ja gegenwärtig manchmal etwas übereifrig. Als die Nationalelf Anfang September erstmals nach der WM wieder zusammengekommen sei, sagte Müller am Montag, "hatten wir auch eine ziemlich schwierige Situation am Anfang". Die Mannschaft trotzte damals Weltmeister Frankreich in München ein 0:0 ab, manchmal reicht schon ganz wenig. "Es war die richtige Reaktion, wir haben Charakter gezeigt", erinnerte sich Müller.

Diese Reaktion von seinen Spielern erhofft sich aus der Ferne nun auch Kovac. Denn sobald seine Nationalspieler zurückgekehrt sind, stehen für den FC Bayern sieben Spiele in 22 Tagen an, das letzte davon beim aktuellen Tabellenführer aus Dortmund. 22 Tage, nach denen sie auch beim FC Bayern wissen werden, wie entspannt oder auch unentspannt diese Saison für sie noch verlaufen könnte. Und nach diesen 22 Tagen können die meisten dann wieder durchschnaufen, bei der nächsten Reise zur Nationalmannschaft.

© SZ vom 09.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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